Rz. 56

Während in § 392 Abs. 1 AO das Recht der Angehörigen steuerberatender Berufe zur Alleinvertretung im finanzbehördlichen Verfahren geregelt ist, betrifft § 392 Abs. 2 AO die Möglichkeit der Benennung anderer als der in § 392 Abs. 1 AO benannten Personen als Vertreter im finanzbehördichen Ermittlungsverfahren. Ferner ist in Abs. 2 der Fall geregelt, in dem ein Angehöriger der in § 392 Abs. 1 AO benannten Berufsgruppen die Alleinvertretung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder im Verfahren vor Gericht betreiben will.[1]

 

Rz. 57

Andere Personen als Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an Hochschulen können auf Antrag nach § 138 Abs. 2 StPO als Verteidiger nur mit Genehmigung des Gerichts bestellt werden.

Bei Anwendung dieser als Ausnahmebestimmung eng auszulegenden Vorschrift[2] ist es also möglich, z. B. Referendare[3] oder Rechtsbeistände, aber auch Angehörige der steuerberatenden Berufe zuzulassen.

 

Rz. 58

Die Genehmigung der Verteidigung durch andere Personen ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Begründung der Verteidigerstellung.[4] Im gerichtlichen Verfahren erteilt das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, die Genehmigung aufgrund eines entsprechenden Antrags. Sie kann auch konkludent erfolgen, beispielsweise durch Verhandlung des Gerichts mit der anderen Person. Die Genehmigung kann später zurückgenommen werden, wenn sich zeigt, dass die andere Person den Anforderungen an eine zureichende Verteidigung für den Angeklagten nicht gerecht wird. Vor Erteilung der Genehmigung sind sämtliche Prozesshandlungen der gewählten Person schwebend unwirksam.[5]

Im finanzbehördlichen oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wird die Genehmigung analog § 141 Abs. 4 StPO durch das Gericht erteilt, das für das spätere Hauptverfahren zuständig ist.[6] Die Genehmigung wird nach Anhörung der Staatsanwaltschaft bzw. der Finanzbehörde i. S. v. § 368 Abs. 1 AO durch Beschluss erteilt, kann jedoch auch durch konkludentes Handeln erfolgen, z. B. durch die antragsgemäße Gewährung von Akteneinsicht oder die Ladung zu Terminen.[7]

Das Gericht muss nach der sorgfältigen Prüfung fallbezogen nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.[8] Grundlage für die Genehmigung bildet die Abwägung der Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist das Vorliegen hinreichender Sach- und Rechtskunde und das Interesse des Beschuldigten an der Beratung durch eine Person seines Vertrauens. Als Beurteilungsmaßstab dienen die Vertrauenswürdigkeit und die Befähigung zur Verteidigung. Bei dem Betreffenden müssen die Fähigkeit zum schriftlichen und mündlichen Vortrag sowie strafrechtliche, im Steuerstrafverfahren auch steuerstrafrechtliche Sachkenntnis gegeben sein. Das Gericht ist befugt, den potenziellen Verteidiger zu befragen, um sich ein Bild von dessen Befähigung zu verschaffen. Insbesondere bei den in § 392 Abs. 1 AO benannten Berufsgruppen ist die für die steuerlichen Aspekte erforderliche Sachkenntnis im Zweifel anzunehmen. Gegen die Erteilung einer Genehmigung im Rahmen des Ermessens spricht es, wenn die gewählte Person zugleich ein wichtiger Zeuge ist.[9] Für die Zulassung ist der Nachweis einer Ausnahmesituation oder eines besonderen Interesses des Beschuldigten nicht erforderlich.[10]

Gegen eine ablehnende Entscheidung des Gerichts können der Beschuldigte und die zurückgewiesene Person Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO einlegen.

 

Rz. 59

Leistet ein nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassener Verteidiger dem Beschuldigten allein Beistand, nimmt er die volle Rechtsposition eines Verteidigers wahr.

Eine Besonderheit besteht allein bei einer notwendigen Verteidigung i. S. d. § 140 StPO. Hier kann ein nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassener Verteidiger nur "in Gemeinschaft" mit einer in § 138 Abs. 1 StPO erwähnten Person tätig werden.[11] Die Verteidigungsbefugnisse selbst werden nicht eingeschränkt. Prozesshandlungen müssen aber von dem "Haupt"-Verteidiger mitverantwortet werden. Bei sich widersprechenden Prozesserklärungen geht die Erklärung des nach § 138 Abs. 1 StPO bestellten Verteidigers vor.[12] Akteneinsicht oder mündlichen bzw. schriftlichen Kontakt darf ein nach § 138 Abs. 2 StPO bestellter Mitverteidiger auch ohne Absprache mit dem Hauptverteidiger beantragen bzw. pflegen. Nur so kann eine sinnvolle und umfassende Verteidigung überhaupt ermöglicht werden.[13]

 

Rz. 60

Nach § 149 StPO haben in der Hauptverhandlung der Ehegatte und der gesetzliche Vertreter des Angeklagten einen Rechtsanspruch auf Zulassung als Beistand. Im Ermittlungsverfahren kann das später mit der Sache befasste Gericht diese Personen je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer Ermessensentscheidung ebenfalls zulassen. Der Zustimmung des Angeklagten bedarf es in den Fällen des § 149 StPO im Übrigen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht. Diese gilt nicht für den Betreuer.[14]

[2] OLG Karlsruhe v. 8.5.1987, 1 Ws 32/87, NJW 1988, 2549 m. krit. Anm. Hilla, NJW 1988, 2525.
[3] Vgl. § 139...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge