1 Grundlagen

1.1 Regelungsinhalt

 

Rz. 1

§ 335 AO regelt die Beendigung des Zwangsmittelvollzugs für den Fall, dass die Verpflichtung nach Festsetzung des Zwangsmittels erfüllt wird. Auf Fälle, in denen sich der Zweck des Zwangsmittelvollzugs vor Festsetzung oder auf andere Weise als durch Erfüllung der Verpflichtung erledigt, ist § 335 AO entsprechend anzuwenden[1]. Daneben sind die Einstellungsgründe des § 257 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO auch für das Zwangsmittelverfahren zu beachten[2].

[1] S. Rz. 5f.
[2] S. Erl. Vor §§ 328-336 AO Rz. 2.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Einstellung des Zwangsmittelverfahrens nach § 335 AO betrifft ausschließlich die Fälle, in denen Gegenstand der Verpflichtung die Vornahme einer Handlung ist. In diesen Fällen ist der Zweck des Zwangsmittels mit der Erfüllung der Verpflichtung erreicht.

§ 335 AO gilt hingegen nicht für Zwangsmittel, die wegen Verstoßes gegen eine Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtung festgesetzt wurden[1]. In diesen Fällen hat das Zwangsmittel (in aller Regel ein Zwangsgeld) auch den Charakter einer Ungehorsamsfolge, die ihre Berechtigung nicht dadurch verliert, dass die Verpflichtung zur Duldung oder Unterlassung nach einem vorangegangenen Verstoß erfüllt wird. Bei Unterlassungspflichten besteht auch der in die Zukunft gerichtete Abschreckungscharakter des Zwangsmittels i. d. R. weiter, weil die Möglichkeit besteht, dass der Pflichtige seiner fortdauernden Unterlassungspflicht später erneut zuwiderhandelt.

[1] Hohrmann, in HHSp, AO/FGO, § 335 AO Rz. 4; Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 335 AO Rz. 5; Neumann, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 335 AO Rz. 3.

2 Einstellung des weiteren Vollzugs des Zwangsmittels

 

Rz. 3

§ 335 AO ordnet die Einstellung des (weiteren) Vollzugs des Zwangsmittels an. Die Vorschrift hat somit nur für den Fall Bedeutung, dass das Zwangsmittel noch nicht vollständig vollzogen worden ist. Daher darf der Anspruch auf ein festgesetztes Zwangsgeld noch nicht vollständig durch Zahlung, Beitreibung oder auf andere Weise erloschen, die angeordnete Ersatzzwangshaft noch nicht vollständig vollzogen sein. Die Durchführung der Ersatzvornahme oder die Ausübung unmittelbaren Zwangs dürfen den mit ihnen bezweckten Erfolg noch nicht vollständig herbeigeführt haben. In diesen Fällen ist die weitere Beitreibung des Zwangsgelds nach Erfüllung der Verpflichtung einzustellen und der Vollzug der Ersatzzwangshaft zu beenden. Die Fortführung der Ersatzvornahme und die weitere Ausübung unmittelbaren Zwangs dürften ohnehin nicht mehr in Betracht kommen, weil der mit ihnen herbeizuführende Erfolg bereits eingetreten ist. Nach Erfüllung der Verpflichtung entrichtete oder beigetriebene Zwangsgelder sind nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten, weil die Festsetzungsverfügung nach Erfüllung der Verpflichtung keinen rechtlichen Grund für die Einziehung der Zwangsgelder mehr darstellt[1]. Hat der Pflichtige die Zahlung durch Überweisung oder Hingabe eines Schecks bewirkt, hängt die Erstattung davon ab, ob die Gutschrift auf dem Konto der Finanzbehörde vor oder nach Erfüllung der Verpflichtung erfolgt ist[2].

Mit der Einstellung der Vollstreckung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung der Zwangsmittelfestsetzung[3]. Dies gilt allerdings nur dann, wenn aufgrund der Festsetzung noch keine Vollzugsmaßnahmen ergriffen wurden[4]. Anderenfalls besteht das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung der Festsetzungsverfügung fort, weil diese die Rechtsgrundlage für die vor der Festsetzung erfolgten Vollzugsakte darstellt[5].

[1] Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 335 AO Rz. 6; Hohrmann, in HHSp, AO/FGO, § 335 AO Rz. 6; Neumann, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 335 AO Rz. 3.
[2] Strunk, DStZ 1992, 308.

3 Keine Aufhebung bereits vollzogener Zwangsmittel

 

Rz. 4

Die Erfüllung der Verpflichtung hat keine Aufhebung der Zwangsmittelfestsetzung zur Folge. Im Unterschied zu den Fällen des § 257 Abs. 1 AO bleiben bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen von der Einstellung unberührt[1]. Bereits entrichtete oder beigetriebene Zwangsgelder werden nicht erstattet[2]. Der Pflichtige bleibt auch zur Erstattung der bis dahin entstandenen Kosten der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwangs verpflichtet[3].

Soweit die Finanzbehörde zur Beitreibung des Zwangsgelds Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat, die noch nicht zu einer endgültigen Befriedigung geführt haben, z. B. weil die gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderung von dem Drittschuldner noch nicht beglichen wurde, hat sie die bereits ergriffenen Maßnahmen jedoch aufzuheben, weil sie wegen der Einstellung der Vollstreckung ihren Zweck nicht mehr erfüllen können und ihre Aufrechterhaltung daher schikanös wäre.

[1] Hohrmann, in HHSp, AO/FGO, § 335 AO Rz. 6; Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 335 AO Rz. 6; Neumann, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 335 AO Rz. 3.
[2] BFH v. 11.1.2007, VII B 262/06, BFH/NV 2007, 1142; Hohrmann, in HHSp, AO/FGO, § 335 AO Rz. 6; Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 335 AO Rz. 6; Neumann, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 335 AO Rz. 3.
[3] ...

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