Rz. 47

Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Stpfl. müssen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden.[1] Diese Verknüpfung zwischen dem Steuerbegriff und dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ergibt sich auch aus dem in § 3 Abs. 1 AO verwendeten Merkmal "allen auferlegt". Da allerdings auch eine verfassungswidrige (z. B. gleichheitswidrige) Steuer begrifflich eine Steuer bleibt (vgl. Rz. 4), handelt es sich bei den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Besteuerungsgrundsätzen um die für eine Steuer geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen.[2] Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung soll nach Auffassung des BVerfG mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit gleichzusetzen sein[3], obwohl die gleichmäßige Behandlung sicher nur ein – allerdings sehr wichtiger – Aspekt der Gerechtigkeit unter mehreren sein kann.[4]

 

Rz. 48

Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt zum einen das Gebot der Rechtsetzungsgleichheit, das den Gesetzgeber unter Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu einer gleichheitsgerechten Ausgestaltung der Besteuerungsnormen verpflichtet (dazu Rz. 52ff.). Daneben ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG auch das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit, das eine gleichmäßige Durchsetzung der Steuergesetze verlangt (dazu Rz. 60ff.).

[1] Z. B. BVerfG v. 5.11.2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 Tz. 41; BVerfG v. 23.2.2022, 1 BvR 2868/15 u. a., BFH/NV 2022, 799.
[2] Wernsmann, in HHSp, AO/FGO, § 3 AO Rz. 185.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rz. 50f.

3.2.1 Leistungsfähigkeitsprinzip

 

Rz. 49

Nach der BVerfG-Rspr.[1] folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere für das Einkommensteuerrecht das grundsätzliche Gebot, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Im Interesse steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Stpfl. bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss.

 

Rz. 50

Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bestimmt der Gesetzgeber nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip. Für das in § 2 Abs. 2 EStG verwirklichte objektive Nettoprinzip, nach dem steuerbare Einnahmen um Erwerbsaufwendungen gekürzt werden, hat das BVerfG bislang den Verfassungsrang offen gelassen.[2] Durchbrechungen dieses Prinzips sind jedenfalls bei gewichtigen Gründen verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit sie eine hinreichende Legitimation in den außerfiskalischen Förder- und Lenkungszielen oder in der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers finden (dazu Rz. 55ff.). Verneint wurde eine solche Rechtfertigung z. B. für die Begrenzung der Abzugsfähigkeit für ein häusliches Arbeitszimmer, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.[3] Nach dem subjektiven Nettoprinzip ist der für den notwendigen Lebensbedarf verwendete und daher für die Steuerzahlung nicht verfügbare Teil des Erwerbseinkommens aus der Bemessungsgrundlage der ESt auszuscheiden.[4] Die gebotene Steuerfreiheit des Existenzminimums leitet das BVerfG aus Art. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG ab.[5]

3.2.2 Auswahl der Steuerquellen – Auswahl von Besteuerungsquellen

 

Rz. 51

Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weitreichenden Spielraum bei der Auswahl des Steuergegenstands.[1] Die Auswahl muss (nur) auf einem nachvollziehbaren Sachgrund beruhen[2] und wahrt schon dann den Gleichheitssatz, wenn keine sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen zugrunde liegen.[3] Aufgrund der weitgehenden Gestaltungsfreiheit bei der Erschließung von Steuerquellen ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt, wenn sich die Verschiedenheit im Vergleich zu den nicht erschlossenen Steuerquellen mit finanz- oder sozialpolitischen, volkswirtschaftlichen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen lässt.[4] Auch bei der Bestimmung des Steuersatzes hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum.[5] Begrenzungen dieser Gestaltungsfreiheit können sich allerdings ergeben, soweit die konkrete Belastungsentscheidung mit anderen Verfassungsnormen, insbesondere anderen Grundrechten, in Konflikt gerät.[6]

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