1 Zweck und Inhalt

 

Rz. 1

Die Sicherstellung nach § 215 AO bezieht sich zum einen auf verbrauchsteuerpflichtige Waren (Nr. 1) und Geräte, die zu ihrer Herstellung bestimmt sind (Nr. 5), und zum – anderen – auf abgabenpflichtige Waren, die im Zollgrenzbezirk oder der Grenzaufsicht unterliegenden Gebieten (Nr. 2) oder in Gewässern oder Watten, die Zollfreigebiete sind (Nr. 3), aufgefunden werden sowie ihre Umschließungen (Nr. 4).

 

Rz. 2

Verbrauchsteuerpflichtige Waren und Geräte zu ihrer Herstellung dürfen nach den Verbrauchsteuervorschriften regelmäßig im Interesse der Steueraufsicht nur in besonders angemeldeten Räumen[1] aufbewahrt werden. Aus den gleichen Gründen dürfen einige verbrauchsteuerpflichtige Waren nur in bestimmter Verpackung, unter bestimmter Bezeichnung oder Kennzeichnung oder unter Verwendung von Steuerzeichen im Handel vertrieben werden. Die Sicherstellung nach § 215 AO dient dazu, Verletzungen dieser notwendigen Regeln möglichst zu verhindern; sie ist eine Gefahrenabwehr- oder Vorsichtsmaßnahme, die aus den Besonderheiten des Zoll- und Verbrauchsteuerrechts erklärt wird.[2]

 

Rz. 3

Soweit in bestimmten Gebieten oder Gewässern abgabenpflichtige Ware aufgefunden wird, soll die Sicherstellung nach § 215 AO die gesetzlich zu erhebenden Steuern sichern. § 215 Abs. 1 Nr. 2–4 AO wird durch Art. 53 und 57 ZK hinsichtlich der dort beschriebenen Fälle überlagert.[3]

 

Rz. 4

Sicherstellen bedeutet Waren, die noch mit Abgaben belastet sind oder sein könnten, in Gewahrsam zu nehmen (durch Wegnahme oder Siegelanlegung) oder mit einem Verfügungsverbot zu belegen. Die Sicherstellung ist eine notwendige Maßnahme der Steueraufsicht, um die bei der Nachschau oder Kontrolle des § 210 AO vorgefundenen Waren oder Geräte zur Herstellung von Waren dem Betroffenen zu entziehen. Nach § 215 AO sichergestellte Waren sind nach § 216 AO in das Eigentum des Bundes zu überführen.

[2] BT-Drs. VI/82, 167.
[3] Kock, ZfZ 1997, 222.

2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

2.1 Verhältnis zu zollrechtlichen Vorschriften

 

Rz. 5

§ 215 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO wird durch das Gemeinschaftsrecht, Art. 57 ZK überlagert. § 13 ZollVG konkretisiert die Vorschrift hinsichtlich der Verwertung der sichergestellten Waren. Abweichend von § 216 AO sind sichergestellte Waren zu verwerten (Abs. 1), zu veräußern (Abs. 2) oder zu vernichten (Abs. 3).

2.2 Verhältnis zu verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften

 

Rz. 6

Die Verbrauchsteuergesetze enthalten über die Tatbestände des § 215 AO hinausgehende, speziell auf die jeweilige Steuerart bezogene Regelungen, die eine Sicherstellung nach § 215 AO ermöglichen. Zweck der Sonderregelungen ist, dass im gewerblichen Verkehr nur mit solchen Waren gehandelt werden soll, deren ordnungsgemäßer steuerlicher Nachweis belegt werden kann.[1] Eine Sicherstellung ist regelmäßig zulässig, wenn der Nachweis nicht geführt werden kann, dass sich die vorgefundene Ware in einem Steueraussetzungsverfahren befindet oder ordnungsgemäß versteuert wurde.[2] Weitere Sonderregelungen enthalten § 51b BranntwMonG, § 30 Abs. 1 MinöStG, § 19 TabStG. Eine Konkurrenz zu § 215 AO besteht nur bei § 30 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG; § 30 Abs. 3 regelt – wie alle anderen Sonderregelungen auch – die sinngemäße Anwendung des § 215 AO.

[1] BT-Drs. 651/1992, 224.

2.3 Verhältnis zu strafprozessualen Vorschriften

 

Rz. 7

Die Sicherstellung im Aufsichtswege gem. § 215 AO erfasst Tatbestände, bei denen eine Vermutung oder ein Verdacht für zoll- oder verbrauchsteuerpflichtige Unregelmäßigkeiten begründet ist. Der Verdacht oder Nachweis von strafbaren Handlungen, die allein steuerstrafrechtliche Einziehungs- und Beschlagnahmemöglichkeiten zulassen[1], ist nicht Voraussetzung. Andererseits ist bei Vorliegen solcher strafbaren Handlungen die Sicherstellung im Aufsichtswege nicht ausgeschlossen. Dies kann, bei gleichem Tatbestand, zu einem Nebeneinander von verwaltungs- und strafverfahrensrechtlichen Maßnahmen führen. Deswegen ist nach Abs. 1 S. 2 eine Sicherstellung auch zulässig, wenn die Sachen in einem Strafverfahren beschlagnahmt worden waren und dann der Finanzbehörde zur Verfügung gestellt worden sind. Aus der Formulierung des Abs. 1 S. 2 ergibt sich ein Vorrang der strafprozessualen Maßnahmen vor der präventiven Sicherstellung. Nach § 215 AO sichergestellte Waren sind nach § 216 AO in das Eigentum des Bundes zu überführen, sofern sie nicht nach § 375 Abs. 2 AO eingezogen werden.

[1] §§ 375 Abs. 2, 394, 399 Abs. 2 S. 2, 404 S. 2; § 385 Abs. 1; 94, 111b StPO; § 74a StGB.

2.4 Verhältnis zu § 76

 

Rz. 8

Die Sachhaftung nach § 76 AO gibt dem Steuergläubiger das Recht, sich ohne Rücksicht auf private Rechte irgendwelcher Art wegen der auf den zoll- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren ruhenden Steuern an die Waren zu halten, insbesondere durch Verwertung der Waren gem. § 327 AO für die Tilgung der Steuerschuld zu sorgen, die Bezahlung durch deren Zurückhaltung zu erzwingen und zur Sicherung dieses Rechtes die tatsächliche Verfügung Dritter über die Ware zu verhindern.[1] Dieses Recht ist ein dem zivilrechtlichen Pfandrecht an beweglichen Sachen vergleichbares dingliches Recht, d...

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