Rz. 143

Zunächst kann zur Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes für die Entscheidungsfindung im Grundsatz auf die Ausführungen zu Rz. 53ff. verwiesen werden. Das Gewicht des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ist im Rahmen der RMS aber von erhöhtem Gewicht.

Während bei der "Grundregelung" des § 88 Abs. 2 S. 2 AO Wirtschaftlichkeitsaspekte berücksichtigt werden "können", "soll" dieser Grundsatz beim Einsatz von RMS nach § 88 Abs. 5 S. 2 AO berücksichtigt werden.[1] Bei "Soll-Vorschriften" ist aber regelmäßig ein vorgeprägtes (intendiertes) Ermessen gegeben.[2]

Aus verfassungsrechtlichen Gründen darf die Amtsermittlung aber auch unter Einsatz von RMS nicht dergestalt als wirtschaftliches Maximalprinzip verstanden werden, dass mit einem begrenzten Verwaltungsaufwand – ohne Rücksicht auf das materielle Normprogramm – ein möglichst hoher fiskalischer Ertrag erzielt werden soll. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip bleibt vielmehr auch im Rahmen der RMS – trotz gesetzlicher Fixierung und intendierten Ermessens – gegenüber der Bindung der Finanzverwaltung an eine gesetzmäßige und gleichmäßige Besteuerung eine sekundäre Maxime.[3]

 

Rz. 144

Ein grundlegender Unterschied gegenüber der "Grundregelung" ergibt sich auch in der Anwendungsbreite des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes. Während § 88 Abs. 2 S. 2 AO für die Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlung des Sachverhalts allgemein auf den Wirtschaftlichkeitsaspekt abstellt und damit auch Aufwendungen des Stpfl. in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezieht (Rz. 53f.), soll für den Einsatz von RMS allein auf die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung abgestellt werden. Eine Berücksichtigung wirtschaftlicher Belastungen des Stpfl. scheidet in diesem Rahmen also aus.[4]

 

Rz. 145

Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz spielt gerade auch bei der Zulassung und dem Einsatz von RMS eine erhebliche Rolle. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bewirkt etwa, dass Bagatellfälle – jenseits der Zufallsauswahl (Rz. 153) – nicht zur Prüfung ausgesteuert werden.[5]

 

Rz. 146

Die Zielkomponente einer wirtschaftlich handelnden Steuerverwaltung erfordert eine möglichst breite Anwendung auch von RMS. Deren Einsatz ist dementsprechend nicht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuersteuerveranlagung beschränkt.[6] Sie können z. B. auch im Rahmen der Außenprüfung bei der Auswahl zu prüfender Steuerfälle oder zum Auffinden von Prüfungsfeldern verwendet werden. Zudem können sie bei der Auswertung von Kontrollmaterial eingesetzt werden.[7]

 

Rz. 147

Prüfungsschwerpunkte gestaltende RMS sollen die Finanzbehörden nicht von der abschließenden Überprüfung des Sachverhalts suspendieren, sondern gerade eine abschließende Überprüfung des Steuerfalls unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung vorantreiben.[8]

Rz. 148 einstweilen frei

 

Rz. 149

Der Einsatz von RMS soll zwar auch dazu dienen, die Ressourcen der Finanzverwaltung effektiver einzusetzen[9] und wäre damit auch geeignet, eine Begründung für Personalreduzierungen in der Finanzverwaltung zu liefern. Eine derartige Reaktion der Haushaltspolitik, mit Betrachtungsorientierung allein auf die Ausgabenseite, wäre aber kontraproduktiv und würde den Vorteil aus dem Einsatz der RMS zunichtemachen.[10]

Finanzbehördliches Risikomanagement ist kein Instrument zum Personalabbau oder zur Kompensation von Personalmangel und dient insbesondere nicht dazu, mit immer weniger Personal immer komplexere Steuergesetze umzusetzen.[11]

[1] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 61.
[3] Rz. 67; Drüen, in HHSp, AO/FGO, § 88 AO Rz. 415.
[4] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 61.
[5] Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 88 Rz. 95.
[6] Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 88 Rz. 95; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 60.
[7] BT-Drs. 18/7457, 70.
[9] BT-Drs. 18/7457, 69.
[10] Rz. 60; Klein/Rätke, AO, 17. Aufl. 2023, § 88 Rz. 91f.
[11] Drüen, in HHSp, AO/FGO, § 88 AO Rz. 427.

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