Rz. 202

Nach § 163 Abs. 2 AO (früher: § 163 S. 3 AO) kann die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.[1] Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme zusammen mit der Steuerfestsetzung kann auch konkludent erfolgen. Eine konkludente Billigkeitsmaßnahe liegt etwa vor, wenn der Übergangsgewinn bei Übergang von einer Gewinnermittlungsmethode zu einer anderen über bis zu 3 Jahre verteilt wird. Die konkludente Entscheidung hierüber kann in dem Ertragsteuerbescheid liegen, in dem der Übergangsgewinn nicht in voller Höhe, sondern nur anteilig erfasst wird.[2] Im Fall einer konkludenten Billigkeitsmaßnahme muss die Entscheidung über den Billigkeitsantrag hinreichend bestimmt sein. Es muss daher, wenn auch erst nach Auslegung, klar, eindeutig und widerspruchslos erkennbar sein, welche Rechtswirkungen eintreten sollen. Der Billigkeitsentscheidung muss daher zu entnehmen sein, ob und in welchem Umfang von der gesetzlich entstandenen Steuer abgewichen wird. Dazu genügt es, wenn sich die Abweichung von der gesetzlich entstandenen Steuer ermitteln lässt. Es ist nicht erforderlich, dass gesetzlich entstandene Steuer und Steuer nach der Billigkeitsmaßnahme in der Billigkeitsentscheidung einander gegenüber gestellt werden.[3] Nach § 124 Abs. 1 S. 2 AO ist dazu auf das Verständnis des Stpfl. unter Berücksichtigung von Treu und Glauben abzustellen. Eine ausdrückliche Darstellung der Steuerbelastung vor und nach der Billigkeitsmaßnahme ist nicht erforderlich.[4] Da die konkludente Entscheidung über den Billigkeitsantrag aus der Sicht des Stpfl. zu beurteilen ist, kann die Auslegung ergeben, dass eine Billigkeitsmaßnahme getroffen worden ist, obwohl sich der zuständige Sachbearbeiter darüber nicht im Klaren war und eine solche Entscheidung auch nicht treffen wollte. In diesen Fällen kann sich gesteigertes Bedürfnis ergeben, die Billigkeitsentscheidung zu ändern, um dann über § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu einer Änderung der Steuerfestsetzung zu kommen. Da dies nach der bisherigen Rechtsprechung nicht gesichert war, ist eine entsprechende gesetzliche Regelung in Abs. 3 eingeführt worden. Hierzu Rz. 206ff.

 

Rz. 202a

Ob die Billigkeitsmaßnahme mit der Steuerfestsetzung verbunden oder in einem verfahrensrechtlich selbstständigen Verwaltungsakt getroffen wird, liegt im Ermessen der Finanzbehörde. Da Abs. 2 diese Möglichkeit ohne Einschränkungen eröffnet, ist eine Verbindung mit der Steuerfestsetzung regelmäßig ermessensgerecht. Die Finanzbehörde braucht auch im Regelfall nicht zu begründen, warum sie die Billigkeitsentscheidung mit der Steuerfestsetzung verbindet. Nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses hat der Stpfl. Anspruch darauf, dass die Billigkeitsmaßnahme in einem gesonderten Verwaltungsakt getroffen wird. Das Interesse des Stpfl., die Änderungsmöglichkeiten des Abs. 3 auszuschließen, begründet ein solches besonderes Interesse nicht.[5] Wenn die Finanzverwaltung den Fall für nicht abschließend geklärt hält und daher die Steuerfestsetzung unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellt oder vorläufig vornimmt, ist es ermessensgerecht, auch die insoweit betroffene Billigkeitsmaßnahme unter dem Vorbehalt zu stellen oder vorläufig vorzunehmen.

 

Rz. 203

Es bestehen daher die drei Möglichkeiten, die Billigkeitsmaßnahme vor, zusammen mit oder nach der Steuerfestsetzung zu treffen. In jedem dieser drei Fälle ist die Billigkeitsmaßnahme eine gegenüber der Steuerfestsetzung selbstständige Entscheidung[6]; ihre Wirkung ist jeweils die gleiche. Die Steuerschuld gelangt rückwirkend nicht zur Entstehung, soweit die Billigkeitsmaßnahme reicht. Es ist nicht möglich, die Konstruktion zu vertreten, dass durch die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO (anders als bei dem Erlass nach § 227 AO) die nach dem Entstehen der Steuer ergriffen wird, die entstandene Steuer erlischt. Dann müsste nämlich die entstandene Steuer in der ursprünglichen Höhe ohne Berücksichtigung der Billigkeitsmaßnahme festgesetzt werden, da das Erlöschen keinen Einfluss auf die Festsetzung hat. Die Billigkeitsmaßnahme wäre dann lediglich bei der Abrechnung des Steuerbescheids als Erlöschensgrund (ebenso wie eine Zahlung) zu berücksichtigen. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen könnte es nicht geben. Angesichts der systematisch unrichtigen Formulierung des § 47 AO (die auch darin zum Ausdruck kommt, dass in dieser Vorschrift die abweichende Steuerfestsetzung als "Erlass" bezeichnet wird) ist allenfalls die Ansicht vertretbar, dass die Steuer durch die abweichende Steuerfestsetzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs erlischt. Anders als beim Erlass nach § 227 AO würde das Erlöschen also nicht im Zeitpunkt der abweichenden Steuerfestsetzung, sondern rückwirkend eintreten. Da § 47 AO nicht bestimmt, in welchem Zeitpunkt das Erlöschen eintritt, wäre diese Ansicht in Übereinstimmung mit dem Wortlaut dieser Vorschrift. Allerdings steht § 163 AO systematisch nicht im 5. Teil, Erster Ab...

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