Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzweigung von Kindergeld an eine durch eine amtsgerichtlich bestellte Betreuerin vertretene Minderjährige

 

Leitsatz (redaktionell)

Kindergeld ist an eine durch eine amtsgerichtlich bestellte Betreuerin vertretene Minderjährige abzuzweigen.

 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Abzweigung von Kindergeld für den Monat August 2016 an sich selbst.

Die Klägerin ist am 1. August 2000 geboren. Die Kindesmutter A beantragte am 27. Juni 2016 die sofortige Einstellung der Kindergeldzahlung und die Überweisung an das Jugendamt C, da sie die elterliche Sorge ans Jugendamt C abgegeben habe. Die Eltern gewähren der Klägerin keinen Unterhalt, weder durch Geldleistung noch durch Naturalunterhalt, sie erhalten Leistungen des Jobcenters. Kindergeld wurde letztmalig für Juli 2016 gezahlt und ab August 2016 eingestellt. Eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erfolgte bisher nicht.

Auf den Antrag vom 7. September 2016 bewilligte das Job-Center C mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 der Klägerin monatliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II für September 2016 bis Februar 2017 von monatlich 404 €. Seit dem 14. Februar 2017 befindet sich die Klägerin in der Obhut des Jugendamtes. D ist der Klägerin vom Amtsgericht C zum Vormund bestellt worden. Mit Schreiben vom 15. August 2016 beantragte sie als Vormund für die Klägerin die Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Einkommensteuergesetz (EStG) ab August 2016. Die Klägerin lebe seit geraumer Zeit nicht mehr im Haushalt der Kindesmutter und werde von dieser auch nicht mehr betreut und versorgt. Die Klägerin sei derzeit ohne festen Wohnsitz; sie komme bei Freunden unter bzw. werde in der Inobhutnahmestelle aufgenommen. Sie sei schulpflichtig und besuche eine Schule in C. Da das Kindergeld von der Kindesmutter nicht regelmäßig weitergeleitet worden sei und werde und dies aufgrund der ablehnenden Haltung der Eltern auch für die Zukunft nicht zu erwarten sei, werde die Abzweigung beantragt.

Mit Verwaltungsakt vom 27. September 2016 wurde der Antrag auf Abzweigung abgelehnt. Die Abzweigung von Kindergeld an ein Kind könne nur erfolgen, wenn es volljährig sei und für sich selbst sorge. Weil das Kind noch nicht volljährig sei, sei die Auszahlung an das Kind nicht möglich. Falls das Jugendamt oder eine andere Institution oder Person für den Unterhalt des Kindes aufkomme, könne die Institution oder diese Person die Abzweigung des Kindergeldes an sich beantragen. Mit Einspruch vom 2. Oktober 2016 wurde vorgetragen, dass § 74 EStG lediglich formuliere, dass das Kind eine Abzweigung beantragen könne. Zustandsmerkmal dieser Abzweigung sei jedoch im Gesetzestext nicht die Minderjährigkeit. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2016 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Eine Abzweigung scheide aus, da die Klägerin nicht volljährig sei.

Die Klägerin erhob fristgerecht Klage und trägt vor, dass die Klägerin einen Anspruch auf Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 EStG ab August 2016 bis zur Inobhutnahme durch das Jugendamt im Februar 2017 habe. Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt. Die unterhaltspflichtigen Eltern würden der Klägerin keinen Unterhalt gewähren. Sie seien nicht leistungsfähig. Der Einwand der Beklagten, dass das Kindergeld nicht an ein minderjähriges Kind ausgezahlt werden könne, sei nicht dem Wortlaut der Norm zu entnehmen. Wenn der Kindergeldberechtigte seinen Unterhaltspflichten nicht nachkomme oder bestehe mangels Leistungsfähigkeit keine Unterhaltspflicht und verwende er das Kindergeld für andere Zwecke, so eröffne § 74 Abs. 1 EStG der Beklagten die Möglichkeit, das Kindergeld an eine andere Person als den Kindergeldberechtigten, insbesondere auch das Kind selbst, auszuzahlen (vgl. Kirchhoff/Söhn, EStG, § 74 Rn. B1; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 17. Februar 2004, VIII R 58/03, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 130). Diese Möglichkeit müsse zur Durchsetzung der Zweckbestimmung des Kindergeldes im Falle von volljährigen und minderjährigen Kindern bestehen. Dies gelte zumindest für den Fall, dass für den Minderjährigen ein Vormund bestellt sei, dem auch die Vermögenssorge obliege (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2008, 14 K 272/08 KG). Mit Schriftsatz vom 4. April 2017 wurde der Klageantrag auf den Kindergeldmonat August 2016 beschränkt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 27. September 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2016 Kindergeld für August 2016 an die Klägerin abzuzweigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, dass nach der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG, Stand 2016, Nr. V.32.3 eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG an das Kind selbst als Abzweigungsempfänger nur möglich sei, wenn es volljährig sei und für sich selbst sorge. Hier scheide eine Abzweigung schon aus, weil die Klägerin nicht volljährig se...

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