Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung einer abgetretenen Investitionszulage gegenüber dem Zessionar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zedenten. Widerruf der Zustimmung zur Entscheidung durch den Berichterstatter bei unveränderter Prozesslage unzulässig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurde ein Anspruch auf Auszahlung von Investitionszulage abgetreten, wurde nach der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zedenten der Bescheid über die Bewilligung der Investitionszulage im Hinblick auf die Nichteinhaltung der zulagenrechtlichen Verbleibensfrist nicht aufgehoben, sondern vom FA lediglich eine „Berechnung über die Änderung” der Investitionszulage, die einen Zulagenbetrag von Null EUR auswies, ausgefertigt und zur Insolvenztabelle angemeldet, ist aber bislang weder das Feststellungsverfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter rechtskräftig abgeschlossen noch die Eintragung des Investitionszulagen-Rückforderungsbetrag zur Insolvenztabelle erfolgt, so ist das FA nicht nach § 37 Abs. 2 AO zur Rückforderung der abgetretenen Investitionszulage gegenüber dem Zessionar berechtigt.

2. Der Widerruf einer Einverständniserklärung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO ist jedenfalls dann nicht mehr zulässig, wenn sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2; InvZulG § 14; FGO § 79a Abs. 3-4; InsO § 183 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.04.2013; Aktenzeichen VII R 44/12)

 

Tenor

1. Der Rückforderungsbescheid vom 18. September 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2011 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung von Investitionszulage.

Die Klägerin ist die Empfängerin eines Auszahlungsbetrages über 2.000.000,– EUR. Diese Zahlung leistete der Beklagte aus seinem Investitionszulagenbescheid vom 19. Februar 2009 über insgesamt 2.270.363,04 EUR, den er zu Gunsten der P GmbH (nachfolgend Zedentin …) erlassen hatte. Die Zedentin … hatte den Teilbetrag von 2.000.000,– EUR an die Klägerin abgetreten.

Am 1. September 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Zedentin … eröffnet. Der Beklagte gelangte zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage nicht mehr vorlagen, und fertigte unter dem 18. September 2009 eine „Berechnung über die Änderung” der Investitionszulage, die einen Zulagenbetrag von Null EUR auswies. Den Rückforderungsbetrag von 2.270.363,04 EUR meldete er zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter widersprach der Forderung. Sein Widerspruch ist in die ausgedruckte Übersicht des Amtsgerichts D vom 25. November 2009 über die angemeldeten Forderungen eingetragen. Unter der Rubrik „Bemerkungen” enthält der Ausdruck außerdem die handschriftliche Ergänzung, im Prüfungstermin habe der Gläubiger Rechtsanwalt Dr. H die Forderung in voller Höhe bestritten.

Neben der Berechnung für die Tabellenanmeldung erließ der Beklagte am 18. September 2009 gegenüber der Klägerin auch den streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid über 2.000.000,– EUR. Zur Begründung führte er aus, die Zedentin … habe bereits im Juni 2009 die Produktion eingestellt, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage nicht mehr vorlägen. Die Bewilligung sei deshalb „mit Forderungsanmeldung vom 18. September 2009” geändert worden. Die Klägerin legte Einspruch ein.

In Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 stellte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzverwalter den angemeldeten Investitionszulagenbetrag als Insolvenzforderung fest. Zur Begründung führte er aus, für einen Teilbetrag von 92.439,– EUR seien die Verbleibensvoraussetzungen nicht erfüllt, da Wirtschaftsgüter im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwertet worden seinen. Im Übrigen sei der Investitionszulagenanspruch aufgrund einer Betriebsunterbrechung von mehr als zwölf Monaten entfallen. Den Einspruch des Insolvenzverwalters wies der Beklagte mit Entscheidung vom 4. Januar 2011 zurück, in der er nochmals inhaltlich zum Anspruch auf Investitionszulage Stellung nahm. Die Entscheidung wurde bestandskräftig. Unter dem 9. März 2011 hat der Insolvenzverwalter dem Beklagten mitgeteilt, er werde die Forderung zur Tabelle feststellen.

Ebenfalls am 4. Januar 2011 endete das Einspruchsverfahren zum streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid, das ohne Erfolg blieb.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage seien nicht entfallen. Es liege keine zulagenschädliche Betriebsunterbrechung vor, denn es ha...

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