Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Verlustfeststellungen aus einem Vorjahr bei unterbliebener Änderung des Folgebescheids. Verhältnis zwischen § 181 Abs. 5 Satz 1 AO und § 171 Abs. 10 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Setzt das FA im Verlustfeststellungsbescheid gem. § 10d Abs. 3 bzw. Abs. 4 EStG einen höheren Verlust fest und unterbleibt die gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO durchzuführende Änderung des Verlustfeststellungsbescheids des Folgejahres, ist nach Ablauf der gem. § 171 Abs. 10 AO gehemmten Feststellungsfrist für den Folgebescheid, der höhere Verlust aus dem nicht umgesetzten Verlustfeststellungsbescheid in den Folgejahren nicht zu berücksichtigen, da der feststellungsverjährte Verlustfeststellungsbescheid den höheren Verlust als Grundlagenbescheid für den nächsten Folgebescheid und die weiteren Jahre nicht enthält. Dem steht § 181 Abs. 5 AO nicht entgegen.

2. Die in § 181 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz AO enthaltene Regelung, dass „hierbei” § 171 Abs. 10 AO außer Betracht bleibt, bewirkt, dass die Festsetzungsfrist des Folgebescheides nicht durch § 171 Abs. 10 AO in ihrem Ablauf gehemmt ist, weil es sonst zu einem Zirkel der Festsetzungsfristen zwischen Grundlagen- und Folgebescheid käme.

3. Die Vorschrift des § 181 Abs. 5 AO schließt die Anwendung des § 171 Abs. 10 AO nicht generell mit der Folge aus, dass die Festsetzungsbescheide auch dann keiner Feststellungsverjährung unterliegen, wenn sie gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden.

4. Geht man davon aus, dass die Nichtberücksichtigung des Feststellungsbescheides zum 31.12.1994 bei der Änderung des Feststellungsbescheides zum 31.12.1995 eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO darstellt, ist auch auf Grund dieser Vorschrift eine Änderung nicht mehr möglich, da die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.

 

Normenkette

AO § 181 Abs. 5, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 182; EStG § 10d Abs. 4, 3 a.F.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.08.2009; Aktenzeichen IX R 2/09)

BFH (Urteil vom 25.08.2009; Aktenzeichen IX R 2/09)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Verlustfeststellungen aus einem Vorjahr.

Die Kläger werden gemeinsam vom Beklagten seit 1995 zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte erließ für den Kläger den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zum 31.12.1994 am 12. November 1998 und stellte einen Verlust von DM 2.384.059 fest. Der entsprechende Bescheid für 1995 für die Kläger erging am 30. September 1998 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung über DM 2.267.761, wobei der Anfangswert zum 1. Januar 1995 mit dem Endwert zum 31.12.1994 korrespondierte. Am 15. Februar 2001 änderte der Beklagte den Bescheid für 1994 und stellte den Verlust auf … DM 3.032.344 fest, eine Änderung der Bescheides zum 31.12.1995 unterblieb. Am 27. November 2001 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung für den Verlustfeststellungsbescheid der Kläger zum 31.12.1995 auf. Einsprüche legten die Kläger jeweils nicht ein. Für die Jahre 1997 bis 2000 ergingen entsprechende Verlustfeststellungsbescheide, die der Beklagte zuletzt am 15. Juni 2004 änderte. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Ferner beantragten sie am 28. Dezember 2004 die Änderung der Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.1995 bis 2003 mit der Begründung, dass aufgrund der Änderung des Verlustes zum 31.12.1994 die Folgebescheide auch entsprechend geändert werden müssten. Der Beklagte lehnte den Antrag am 23. März 2005 ab, wogegen die Kläger Einspruch einlegten. Der Beklagte wies mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 13. März 2006 die Einsprüche als unbegründet zurück, da verfahrenstechnisch eine Änderung wegen § 171 Abs. 10 AO nicht mehr möglich sei. Der Beklagte änderte die Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.1997 bis 2000 am 18. Mai 2006 aus hier nicht streitigen Gründen.

Die Kläger tragen vor, dass eine Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeit möglich sei. Eine Feststellungsverjährung stünde dem nicht entgegen. Die Folgebescheide seien in einer Art Kettenreaktion zu ändern. Dem Beklagten sei der Zusammenhang zwischen Einzel- und Zusammenveranlagung bekannt gewesen.

§ 181 Abs. 5 AO sei nach der Rechsprechung des Bundesfinanzhofs anwendbar, da danach nicht nur die erstmalige Feststellung, sondern auch eine Änderung der Verlustfeststellung unter diese Norm falle. Insbesondere trete bis zur Änderung von § 10d Abs. 4 EStG im Jahr 2007 insoweit keine Feststellungsverjährung ein. § 171 Abs. 10 AO sei vorliegend nicht anwendbar. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zum 31.12.1997 bis 2000 vom 15. Juni 2004, zuletzt geändert am 18. Mai 2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. März 2006 dahingehend abzuändern, dass jeweils ein weiterer Verlust von EUR 331.4...

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