Leitsatz

1. Die durch § 36 Abs. 4 GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG rückwirkend ab dem 1.1.2001 angeordnete Hinzurechnung von Gewinnanteilen bei Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG verstößt gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit und bleibt im Erhebungszeitraum 2001 unangewandt (Anschluss an EuGH-Urteil vom 22.1.2009, C-377/07STEKO Industriemontage, BFH/PR 2009, 152, Slg. 2009, I 299).

2. Die Frage der Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem GG ist nicht mehr entscheidungserheblich, wenn das Gesetz schon im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht unangewandt bleibt.

 

Normenkette

§ 8 Nr. 5, § 36 Abs. 4 GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG vom 20.12.2001; Art. 56 EG, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine AG, hielt im Streitjahr 2001 verschiedene, jeweils unter 10 %ige Beteiligungen an EU-Kapitalgesellschaften. Zwischen Februar und Anfang Dezember 2001 erzielte sie aus diesen Beteiligungen Dividendeneinnahmen, die für Zwecke der KSt nach § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) im Ergebnis zu 95 % freigestellt wurden.

Für die Ermittlung des Gewerbeertrages wurden jene 95 % dem Gewinn nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 i.d.F. des UntStFG hinzugerechnet.

Die Klägerin hielt die Hinzurechnung wegen verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung der Neufassung des § 8 Nr. 5 GewStG 1999 für verfassungswidrig. Die deswegen erhobene Klage blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 1.6.2006, 15 K 5537/03, Haufe-Index 1784806, EFG 2007, 1345).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Er stützte seine Entscheidung nicht darauf, ob die Rückwirkung Verfassungsanforderungen standhält oder nicht. Er wandte stattdessen die sog. STEKO-Rechtsprechung des EuGH an, hielt § 8 Nr. 5 GewStG 1999 n.F. in Einklang damit für unionsrechtswidrig und beließ den Hinzurechnungsbefehl gegenüber der Klägerin bereits aus diesem Grunde unangewandt.

 

Hinweis

1. Es handelt sich bei dem Urteil um eine weitere Anschlussentscheidung (s. bereits z.B. BFH, Urteile vom 22.4.2009, I R 57/06, BFH/NV 2009, 1460, BFH/NV 2011, 147, BFH/PR 2011, 53, BStBl II 2011, 66; vom 28.10.2009, I R 27/08, BFH/NV 2010, 545, BFH/PR 2010, 170, BStBl II 2011, 229; s. auch Urteil vom 6.3.2013, I R 10/11, in diesem Heft auf S. 353) an die sog. STEKO-Rechtsprechung des EuGH durch dessen Urteil vom 22.1.2009, C-377/07 (STEKO Industriemontage, BFH/PR 2009, 152, Slg. 2009, I-299). Dieses EuGH-Urteil ist zu § 8b Abs. 3 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) ergangen und sie besagt Folgendes:

a) Mit der Abschaffung des früheren KSt-rechtlichen Anrechnungsverfahrens wurde die Steuerfreistellung von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an anderen Körperschaften in § 8b Abs. 2 KStG konstituiert. Damit einher ging die Ausweitung des steuerlichen Abzugsverbots für jegliche die Substanz betreffenden Gewinnminderungen, die mit solchen Veräußerungsgewinnen in Zusammenhang stehen. Das bestimmt § 8b Abs. 3 KStG n.F. Das alles gilt für Inlands- ebenso wie für Auslandsbeteiligungen.

b) Die Anwendungs- und Übergangsvorschrift des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. führte allerdings dazu, dass Inlands- und Auslandsbeteiligungen im Übergangsjahr 2001 im Ergebnis denn doch abweichend voneinander behandelt werden. Denn das umfassende Abzugsverbot griff bei Auslandsbeteiligungen danach bereits im Jahre 2001, bei Inlandbeteiligungen hingegen erst im VZ 2002.

c) Diese unterschiedliche Behandlung widerspricht unionsrechtlichen Anforderungen, konkret – da es sich um sog. Streubesitz handelte – der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG. § 8b Abs. 3 KStG n.F. fand sonach im VZ 2001 auch für Auslandsgesellschaften keine Anwendung.

2. Der BFH hält an dieser Spruchpraxis (naturgemäß) fest. Er weitet die Gedanken des EuGH aus und wendet sie auf die parallele Regelungslage nach § 8 Nr. 5 GewStG 1999 n.F. und dessen Anwendungsbestimmung in § 36 Abs. 4 GewStG 1999 n.F. Beide Vorschriften stehen im Zusammenhang mit der beschriebenen Regelungslage des § 8b Abs. 1 und 5 KStG n.F.:

Gem. § 8 Nr. 5 GewStG 1999 n.F. werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (u.a.) die nach § 8b Abs. 1 KStG 1999 n.F. außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des KStG nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 8b Abs. 5 KStG 1999 n.F. unberücksichtigt bleiben, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Die Hinzurechnung erfolgt nur, soweit nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG 1999 n.F. erfüllt...

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