Leitsatz

1. Die Kosten für die Zulassung eines neu entwickelten Pflanzenschutzmittels nach dem Pflanzenschutzgesetz sind Bestandteil der Herstellungskosten für die Rezeptur des Pflanzenschutzmittels.

2. Aufwendungen zur Herstellung eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens, das gem. § 5 Abs. 2 EStG nicht aktiviert werden darf, sind steuerlich sofort abziehbare Betriebsausgaben. Für solchen Aufwand kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden.

3. Eine im Gewinnermittlungszeitraum dem Grunde nach rechtlich entstandene Verbindlichkeit ist auch wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht, wenn sie unabhängig davon zu erfüllen ist, ob der Unternehmer seine Tätigkeit in Zukunft fortführt oder den Betrieb zum jeweiligen Bilanzstichtag beendet.

 

Normenkette

§ 249 Abs. 1 Satz 1, § 255 Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4b Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Ein Pflanzenschutzmittel herstellendes und vertreibendes Unternehmen hatte im Jahr 1999 bei der zuständigen Behörde für zwei Wirkstoffe, deren Genehmigung im Jahr 2002 auslief, und für einen neuen Wirkstoff die Zulassung nach dem Pflanzenschutzgesetz beantragt. In Höhe der geschätzten Kosten der Zulassung bildete das Unternehmen eine Rückstellung. Das FA meinte, eine Rückstellung könne nicht gebildet werden, weil die Kosten der Zulassung mit zukünftigen Erträgen zusammenhingen und nicht in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht seien.

Die gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.12.2008, 10 K 120/04, Haufe-Index 2187104).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Die Verpflichtung zur Zahlung der Zulassungskosten sei mit Stellung des Antrags und damit in der Vergangenheit rechtlich und wirtschaftlich verursacht. Die Höhe der erwarteten Kosten müsse noch geprüft werden.

 

Hinweis

1. Auf dieses Verfahren richtete sich besondere Aufmerksamkeit, weil erwartet wurde, dass der BFH zu der streitigen Frage Stellung nehmen würde, ob eine Rückstellung auch dann zu bilden ist, wenn die Verpflichtung zwar rechtlich entstanden, aber nicht in der Vergangenheit wirtschaftlich veranlasst ist. Seit dem BFH-Urteil vom 27.6.2001, I R 45/97 (BFH/NV 2001, 1334), in dem der BFH die rechtliche Verursachung für eine Rückstellungsbildung hatte ausreichen lassen, ist die Diskussion nicht abgeebbt. Das FG hatte sich in der Vorentscheidung des Besprechungsurteils ausdrücklich gegen den I. Senat des BFH gestellt.

2. Entgegen der dadurch geweckten Erwartungen hat der BFH zu der Frage nach der Zulässigkeit einer Rückstellung bei fehlender wirtschaftlicher Verursachung in der Vergangenheit nun doch nicht Stellung genommen. Er hielt die Frage nicht für entscheidungserheblich, weil im Urteilsfall seiner Meinung nach eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit gegeben war. Anknüpfungspunkt dafür ist, dass die Pflicht zur Zahlung einer Gebühr in erster Linie mit dem gestellten Antrag auf Zulassung zusammenhängt und durch ihn veranlasst ist. Auch bei Zurücknahme des Antrags entfiele die Gebührenpflicht nicht. Es kam dem BFH deshalb nicht auf den ebenfalls bestehenden Zusammenhang mit den künftig aus der zugelassenen Rezeptur erzielten Erlösen an.

3. Bilanzsteuerrechtlich bedeutsam sind die Ausführungen des BFH zur Rückstellbarkeit der Zulassungskosten trotz ihres Charakters als Herstellungskosten.

a) Dass Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht zurückgestellt werden dürfen, ergibt sich einerseits schon aus den handelsrechtlichen GoB, ist andererseits steuerrechtlich verbindlich in § 5 Abs. 4b EStG geregelt. Wäre die Zulassung eines Wirkstoffs ein eigenständiges Wirtschaftsgut, könnte eine Rückstellung danach nicht gebildet werden.
b) Der BFH sieht die Zulassung demgegenüber als Bestandteil der Herstellungskosten der Rezeptur. Diese ist ein immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, das in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 2 EStG nicht bilanziert werden kann, wenn es selbst geschaffen worden ist. Eine von dem Unternehmen selbst entwickelte Rezeptur ist danach nicht aktivierbar. Sie wird es auch nicht deshalb und insoweit, als Kosten für die Zulassung entstehen. Diese sind kein Äquivalent im Sinn eines "Markttests" für die Rezeptur. Vielmehr teilen sie das Schicksal der Nichtaktivierbarkeit.

Weil die Zulassungskosten danach nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren sind, scheitert die Rückstellung nicht an dem Verbot des § 5 Abs. 4b EStG.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 8.9.2011 – IV R 5/09

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