Leitsatz

1. Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 AO, über den durch Verwaltungsakt gem. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO entschieden werden kann, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch.

2. Auch die Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA kann nur in diesem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis abgewickelt werden. Denn ein Anspruch auf Rückgewähr einer Leistung teilt die Rechtsnatur des Anspruchs, auf den jene Leistung erbracht worden ist.

3. Für diese Rückforderung kann sich das FA mangels Anwendbarkeit des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO oder einer sonstigen Rechtsgrundlage nicht eines Rückforderungsbescheids bedienen, sondern muss den Zivilrechtsweg beschreiten.

 

Normenkette

§ 37 Abs. 1 und 2, § 218 Abs. 2 Satz 2 AO, §§ 129ff., § 143, § 144 InsO

 

Sachverhalt

Das FA verlangt von einem Insolvenzverwalter von der Schuldnerin angemeldete, mittels Lastschrift zu den Fälligkeitsterminen eingezogene, aufgrund Insolvenzanfechtung jedoch zunächst erstattete Lohnsteuerbeträge zurück. Es ist der Ansicht, die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung hätten nicht vorgelegen und die Insolvenzmasse habe deswegen keinen Erstattungsanspruch gem. § 143 Abs. 1 InsO. Mit einem auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Rückforderungsbescheid forderte das FA daher den Insolvenzverwalter zur Rückzahlung der erstatteten Beträge auf.

 

Entscheidung

Der BFH hat Urteil des FG bestätigt (FG Düsseldorf, Urteil vom 7.3.2013, 12 K 3560/12 AO, Haufe-Index 3744336, EFG 2013, 832), welches den Bescheid des FA aufgehoben hat. Der angebliche Rückforderungsanspruch des FA kann nicht durch Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 2 AO durchgesetzt werden, sondern muss durch Klage vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden.

 

Hinweis

§ 37 Abs. 2 AO gibt dem FA einen Anspruch auf Erstattung einer ohne Rechtsgrund an den Steuerpflichtigen zurückgezahlten Steuer. Dieser Anspruch kann gem. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO durch Rückforderungsbescheid geltend gemacht werden.

Kommt es dabei auf den Gegenstand (Steuer) oder den Rechtsgrund der Rückforderung an (d.h. denjenigen, der nur vermeintlich bestanden hat bzw. später weggefallen ist)?

Der Wortlaut des Gesetzes erscheint eindeutig: Das FA darf durch Verwaltungsakt das Steueraufkommen sichern, also Steuern fordern und zurückfordern, wenn sie ohne Rechtsgrund zurückgezahlt worden sind. Der zweifellos zutreffende Hinweis des BFH, dass der Anspruch auf Rückzahlung in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO ist, gibt für die Frage nichts her, ob nur ein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender Erstattungsanspruch ein solcher i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist.

Der BFH indes liest gleichwohl die Vorschriften so, dass nur aufgrund eines fehlenden oder weggefallenen steuergesetzlichen Rechtsgrundes zurückgeforderte Steuern durch Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO gelten gemacht werden können. Denn der in § 37 Abs. 2 AO geregelte Erstattungsanspruch stelle eine Umkehrung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO dar (so schon BFH-Beschlüsse vom 5.9.2012, VII B 95/12, BFHE 238, 325, BStBl II 2012, 854 und vom 27.9.2012, VII B 190/11, BFHE 238, 526, BStBl II 2013, 109). Für diese aus dem Wortlaut des Gesetzes kaum ableitbare These hat sich der BFH auf den BGH (Beschluss vom 24.3.2011, IX ZB 36/09, NJW 2011, 1365) berufen. Dieser hat entschieden, dass der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr (vermeintlich) in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch sei, also vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden könne. Freilich dürfte das nicht a limine ausschließen, dass der Anspruch auch durch Verwaltungsakt verfolgt werden kann, wenn der BGH davon spricht, der anfechtungsrechtliche Rückgewähran­spruch "verdränge" in seinem Anwendungsbereich die allgemeineren Regeln der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse.

Das lässt sich hören und hat immerhin für sich, dass eine Rechtswegdoppelung vermieden und allein das mit dem Insolvenzrecht wohl am besten vertraute Zivilgericht zuständig wird. Für das Arbeitsrecht hat freilich der Gemeinsame Senat die Dinge gerade umgekehrt beurteilt und dem Arbeitsgericht die bessere Sachkunde bei der Beurteilung insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche zugetraut (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.9.2010, GmS-OGB 1/09, BGHZ 187, 105).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.11.2013 – VII R 15/13

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