Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter unabhängig von neuer Partnerschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Unterhaltsbedarf der nichtehelichen Mutter bemisst sich nach ihren Einkünften vor der Geburt des Kindes.

2. Der Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter wird durch die Leistungsfähigkeit des nichtehelichen, nicht betreuenden Vaters begrenzt. Diese Begrenzung findet nicht nur durch den angemessenen Selbstbehalts statt, den der nichteheliche Vater verteidigen darf, sondern auch durch den Halbteilungsgrundsatz.

3. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs ist in Anwendung des Art. 3 GG außerdem grundsätzlich durch die Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt, den eine eheliche Mutter geltend machen könnte.

4. Bei der deswegen anzustellenden vergleichenden Berechnung (Kontrollberechnung) ist der vergleichend herangezogene Unterhaltsanspruch einer ehelichen Mutter unter Heranziehung aller dort anerkannter Kriterien zu ermitteln. Das gilt besonders für die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus (1/7) und die Geltendmachung steuerlicher Vorteile (begrenztes Realsplitting).

5. Aus dem Gleichheitsgrundsatz folgt nur bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Höhe nach eine Begrenzung auf das, was eine eheliche Mutter fordern könnte. Im Hinblick auf eine etwaige Verwirkung kommt dagegen eine Anwendung der Vorschriften für Eheleute nicht in Betracht.

6. Insbesondere ist § 1579 BGB nicht anwendbar, weil hier § 1611 BGB eine spezielle Regelung mit einem strengeren Maßstab enthält. Das Zusammenleben mit einem (neuen) Partner kann daher weder in analoger Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB noch in wertender Betrachtung über § 1611 BGB die Annahme einer Unterhaltsverwirkung rechtfertigen, wenn nicht andere Verfehlungen im Sinne des § 1611 BGB auf eine grobe Unbilligkeit schließen lassen.

7. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens im Sinne des § 243 FamFG können materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche der Kinder gegen ihre beiden Eltern so Berücksichtigung finden, dass eine Kostenauferlegung zu ihren Lasten ganz unterbleibt, wenn beide Eltern selbst am Verfahren beteiligt sind. Die durch den Streitgegenstand Kindesunterhalt entstehenden Kosten können dabei in der Kostenentscheidung anteilig den Eltern auferlegt und dabei mit den Kosten zusammengefasst werden, die auf den unterhaltsrechtlichen Streit unter den Eltern entfallen.

 

Normenkette

BGB § 1615 Abs. 1; FamFG § 243

 

Verfahrensgang

AG Kassel (Beschluss vom 04.10.2017; Aktenzeichen 512 F 1151/16 UKU)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragstellerinnen und die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kassel vom 4.10.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Jugendamtsurkunde vom 20.5.2014 (Jugendamt der Stadt1, Urkundenbuch-Nr. .../14) wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, an die Antragstellerin zu 1) ab Januar 2015 136 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe, ab dem Monat März 2017 144 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe, für die Monate Januar bis März 2018 128 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe, ab April 2018 115 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe, ab Januar 2020 115 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe und ab Januar 2026 115 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe, jeweils abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, zu zahlen.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin zu 2) für die Monate Juni 2014 bis Januar 2017 über die bereits erbrachten Zahlungen hinaus weitere 13.317,00 EUR Betreuungsunterhalt zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 51,00 EUR seit dem 1.1.2015 und 1.2.2015, aus jeweils weiteren 450,00 EUR seit dem 1.3.2015 und 1.4.2015, aus jeweils weiteren 770,00 EUR seit dem 1.5.2015, 1.6.2015, 1.7.2015, 1.8.2015, 1.9.2015, 1.10.2015, 1.11.2015, 1.12.2015, 1.1.2016 und 1.2.2016, aus weiteren 341,00 EUR seit dem 1.3.2016, aus jeweils weiteren 340,00 EUR seit dem 1.4.2016, 1.5.2016, 1.6.2016, 1.7.2016 und 1.8.2016, aus jeweils weiteren 556,00 EUR seit dem 1.9.2016, 1.10.2016, 1.11.2016 und 1.12.2016, sowie aus weiteren 350,00 EUR seit dem 1.1.2017.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin zu 1) für die Monate Oktober 2014 bis März 2019 für Mehrbedarf einen Betrag von 836,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 476,00 EUR seit dem 21.12.2016, aus weiteren 89,00 EUR seit dem 29.5.2017, aus jeweils weiteren 13,00 EUR seit dem 1.6.2017, 1.7.2017, 1.8.2017, 1.9.2017, 1.10.2017, 1.11.2017 und 1.12.2017, aus jeweils weiteren 18,00 EUR seit dem 1.1.2018 und 1.2.2018, aus jeweils weiteren 11,00 EUR seit dem 1.3.2018, 1.4.2018, 1.5.2018 und 1.6.2018, sowie aus jeweils weiteren 25,00 EUR seit dem 1.11.2018, 1.1.2019, 1.2.2019 und 1.3.2019.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Anschlussbeschwerde zurückge...

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