Leitsatz

1. Der Widerruf einer dem Arbeitgeber erteilten Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) ist ein feststellender, aber nicht vollziehbarer Verwaltungsakt (Anschluss an Senatsurteil vom 30.4.2009, VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996).

2. Ein Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist deshalb nicht statthaft.

 

Normenkette

§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 128 Abs. 3, § 129 Abs. 1 FGO, § 42e EStG, § 207 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Antragsteller R bezahlte für die in seiner Kanzlei beschäftigten Rechtsanwälte die Beiträge an den Deutschen Anwaltsverein (DAV). Das FA erteilte auf Anfrage des R am 7.1.2010 die Auskunft nach § 42e EStG, dass diese Zahlungen nicht als Sachbezug zu versteuern seien. Die später bei R durchgeführte LSt-Außenprüfung vertrat dagegen unter Hinweis auf BFH-Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 12.2.2009, VI R 32/08, BFH/NV 2009, 830 BFH/PR 2009, 209) die Auffassung, dass die Beiträge an den DAV als Werbungskostenersatz steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellten. Darauf widerrief das FA am 24.3.2013 die Anrufungsauskunft vom 7.1.2010. R wandte sich gegen den Widerruf der Auskunft und beantragte gleichzeitig AdV. Das FA lehnte den Antrag auf AdV ab, weil der Widerruf der Anrufungsauskunft kein vollziehbarer Verwaltungsakt sei. R wandte sich gegen den Widerruf mit Klage und beantragte zugleich AdV. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.8.2014, 8 V 8135/14) entsprach dem AdV-Antrag; der Widerruf der Anrufungsauskunft sei ein vollziehbarer Verwaltungsakt i.S.d. § 69 Abs. 2 FGO, da dem Antragsteller durch den Widerruf eine Rechtsposition (Vertrauensschutz für eine bestimmte Vorgehensweise beim LSt-Abzug) entzogen werde. Der Antrag sei auch begründet, da nicht erkennbar sei, dass die entsprechend § 207 Abs. 2 AO erforderliche Ermessensausübung im Rahmen des Widerrufs stattgefunden habe. Dagegen wandte sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde.

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Beschwerde des FA die Entscheidung des FG über die AdV auf und lehnte den Antrag auf AdV hinsichtlich des Widerrufs der Anrufungsauskunft als unzulässig ab, da dieser nicht statthaft ist.

 

Hinweis

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. FGO) und soll dies, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs., Abs. 2 Satz 2 FGO). Ein solcher Antrag setzt allerdings stets voraus, dass der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt vollziehbar ist; nur dann ist der Antrag statthaft. Das ist beim Widerruf der Anrufungsauskunft nach § 42e EStG nicht der Fall. Der BFH stützt diese Auffassung auf den Regelungsgehalt der Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG an sich, die lediglich beinhalte, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum LSt-Abzug gegenwärtig beurteile. Damit führt der Lohnsteuersenat letztlich den Rechtsgedanken fort, der schon seinen Urteilen zur Lohnsteueranrufungsauskunft selbst zugrunde lag, dass nämlich kein Anspruch auf einen bestimmten Auskunftsinhalt bestehe (BFH, Urteil vom 27.2.2014, VI R 23/13, BFH/NV 2014, 1141, BFH/PR 2014, 257; BFH, Urteil vom 7.5.2014, VI R 28/13, BFH/NV 2014, 1734). Dementsprechend reicht auch der Regelungsgehalt des Widerrufs einer Lohnsteueranrufungsauskunft nicht über die Mitteilung des FA hinaus, von nun an eine andere Auffassung als bisher zu vertreten, also das zuvor Erklärte zu negieren. Damit folgt der BFH der Rechtsprechung, dass nur solche Verwaltungsakte vollziehbar sind, deren Wirkung sich nicht auf eine reine Negation beschränken (BFH, Beschluss vom 20.7.2009, VII S 22/09, BFH/NV 2009, 1599).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 15.1.2015 – VI B 103/14

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