Rz. 1

[Autor/Stand] Die politische und fachliche Diskussion um eine sachgerechte Bemessung der Grundsteuer wurde in Deutschland – ausgelöst durch den Beschluss des BVerfG zur Vermögensteuer[2] – über fast ein viertel Jahrhundert kompromiss- und ergebnislos geführt.[3] Erst durch das Urteil des BVerfG vom 10.4.2018[4] waren die politischen Akteure endgültig zum Handeln verpflichtet. Denn das BVerfG hielt bedeutende Teile der für die Grundsteuer maßgeblichen Einheitsbewertung jedenfalls seit Beginn des Jahres 2002 nicht (mehr) für mit dem Gleichheitssatz vereinbar und damit für verfassungswidrig (vgl. die Kommentierung zu VerfR GrSt, Rz. 1).

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Rechtsfolgenseitig führte die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aber nicht zur Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften, sondern hatte "nur" die Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz zur Folge. Zugleich ordnete das BVerfG aber die Fortgeltung der verfassungswidrigen Vorschriften für die Vergangenheit und in einem gestuften Verhältnis begrenzt für die Zukunft an. Zunächst durften sie weiter bis zum 31.12.2019 angewendet werden, wenn der Gesetzgeber bis dahin eine Neuregelung treffe. Der Bundesgesetzgeber verabschiedete daraufhin am 26.11.2019 das Gesetz zur Reform der Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG).[6] Dies löste die weitere Fortgeltungsbedingung aus, wonach die verfassungswidrigen Vorschriften der Einheitsbewertung bis längstens 31.12.2024 angewendet werden dürfen (zum zeitlichen Anwendungsbereich, Rz. 9 ff.). Gerechtfertigt hat das BVerfG diese (großzügige) Maßnahme mit dem außergewöhnlichen Umsetzungs- und Organisationsaufwand, den eine Neubewertung von bundesweit ca. 36 Mio. wirtschaftliche Einheiten zur Folge hat.

[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[3] Mit der Ländermehrheit brachten die Länder Hessen und Niedersachsen im September 2016 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundsteuer- und Bewertungsgesetzes (Kostenwertmodell) in den Bundesrat ein (BR-Drucks. 514/16 und BR-Drucks. 515/16). Der Gesetzentwurf fiel allerdings der Diskontinuität des Bundestags zum Opfer und wurde danach nicht wieder aufgegriffen. Eine kurze Zusammenfassung der erfolglosen Reformbemühungen: BVerfG, Urt. v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147, Rz. 20–23; dazu auch Broer/Jarass, BB 2018, 919 (921); Eichholz, DStR 2020, 1158; zu den diskutierten Modellen Seer, DB 2018, 1488, unter III.; Stöckel, NWB 2018, 1812, Tz. II. 2. ff.
[4] BVerfG, Urt. v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147.
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[6] GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794; die maßgeblichen Änderungen des BewG, des GrStG, des Bodenschätzungsgesetzes und der ImmobilienwertermittlungsVO traten nach Art. 18 des GrStRefG am 3.12.2019 in Kraft. Zu den Änderungen durch die (Bundes-)Grundsteuerreform: Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 (2019), S. 1 ff.; Eichholz, DStR 2020, 1158 passim; Eichholz, DStR 2020, 1217 passim; Eisele, NWB 2019, 2043; Ramb, NWB 2020, 1356.

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