Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang einer Kündigungserklärung, Antrag auf nachträgliche Klagezulassung im Gütetermin. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein durch Bote nach ortsüblicher, jedoch noch zu allgemein üblicher Postzustellzeit in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfenes Kündigungsschreiben geht diesem noch am selben Tag zu.

2. Erfährt der Arbeitnehmer hiervon erst im Gütertermin, kann ein Antrag zur nachträglichen Klagezulassung nebst Begründung und eventueller Glaubhaftmachung in der mündlichen Verhandlung gestellt werden und ist gem. § 160 Abs. 2 ZPO in das Protokoll aufzunehmen.

 

Normenkette

BGB § 130; KSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 23.05.2003; Aktenzeichen 6 Ca 6139/02)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.05.2003 – Az.: 6 Ca 6139/02 – aufgehoben.

2. Die Kündigungsschutzklage vom 09.07.2002 wird nachträglich zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war bei der Beklagten, in deren Betrieb regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt sind, seit dem 01.08.1998 als Controller tätig.

Ihm wurde vom 17.06. bis 05.07.2002 Urlaub bewilligt.

Mit Schreiben vom 17.06.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2002. Die Beklagte veranlasste den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten des Klägers am 17.06.2002 per Boten vormittags um 10.30 Uhr.

Mit Telefax vom 09.07.2002 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Nürnberg Kündigungsschutzklage erhoben und in der Klage ausgeführt, die Kündigung vom 17.06.2002 sei ihm am 18.06.2002 zugegangen.

In der Güteverhandlung vom 01.08.2002 hat die Beklagtenvertreterin den Einwurf des Kündigungsschreibens am 17.06.2002 per Boten vormittags um 10.30 Uhr behauptet. Die Klägervertreterin hat im Hinblick darauf vorsorglich die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt. Weitere Erklärungen der Parteien bzw. ihrer Vertreter sind nicht zu Protokoll genommen worden.

Der Kläger behauptet in dem Beschwerdeverfahren, nach der Berufung auf die Verfristung der Klage seitens der Beklagtenvertreterin im Gütetermin vom 01.08.2002 habe er dargelegt, sich vom 15.06. bis 06.07.2002 mit dem Wohnmobil in Urlaub befunden zu haben und deswegen nicht wissen zu können, wann das Kündigungsschreiben tatsächlich in seinem Hausbriefkasten eingeworfen worden sei. Aufgrund seines Urlaubs sei er nicht in der Lage gewesen, zu einem früheren Zeitpunkt Klage einzureichen.

Mit Beschluss vom 01.08.2002 ist den Parteien aufgegeben worden, bis 30.10.2002 auf die Klage zu erwidern und bis 29.11.2002 zur Klageerwiderung Stellung zu nehmen.

In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 29.11.2002 hat der Kläger auf die an seinem Wohnsitz seit vier Jahren regelmäßige Postzustellung zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr hingewiesen und einen Zugang des Kündigungsschreibens erst zum 18.06.2002 näher begründet. Er hat nochmals vorsorglich die nachträgliche Klagezulassung beantragt und sich auf seine bereits im Gütetermin behauptete Urlaubsabwesenheit berufen. Zur Glaubhaftmachung wird eine diesbezügliche eidesstattliche Versicherung des Klägers sowie ein Mietvertrag über ein Wohnmobil für die Zeit vom 16.06. bis 06.07.2002 vorgelegt.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat zur Frage des Zeitpunkts des Einwurfs der Kündigung in den Hausbriefkasten des Klägers Beweis erhoben durch Einvernahme zweier Zeugen im schriftlichen Verfahren.

Mit Beschluss vom 23.05.2003 hat das Erstgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage zurückgewiesen und dies damit begründet, der Kläger habe nicht innerhalb der gesetzlichen Frist die Gründe für die beantragte nachträgliche Zulassung dargelegt und die Mittel der Glaubhaftmachung bezeichnet.

Gegen den dem Kläger am 11.06.2003 zustellten Beschluss hat er mit Telefax vom 25.06.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Diese ist vom Erstgericht ohne vorgeschriebene Nichtabhilfeentscheidung dem Landesarbeitsgericht Nürnberg vorgelegt worden. Mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 16.07.2003 ist die Sache zur Nachholung einer Abhilfeentscheidung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter an das Arbeitsgericht Nürnberg zurückgegeben worden. Mit Beschluss vom 12.09.2003 hat das Arbeitsgericht Nürnberg der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

In dem Beschwerdeverfahren ist den Parteien Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben worden.

Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der bei Gericht eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden, §§ 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO.

2. Die Beschwerde ist begründet.

Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 09.07.2002 ist zulässig und begründet, da die Frist zu Erhebung der Kündigungsschutzklage unverschuldet versäumt worden ist.

a) Die Kündigung der ...

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