Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschließende Regelung der Freistellung von der Arbeitsleistung durch Tarifvertragsparteien;. Abdingbarkeit des § 616 BGB. Anspruch auf Freistellung von des Arbeitsleistung bei Warnehmung eines Gerichtstermins. Kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Zeuge, Freistellung von der Arbeitsleistung, Lohnfortzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tarifvertragsparteien können die Fälle der Freistellung von der Arbeitsleistung bei Fortzahlung des Lohnes abschließend regeln und dadurch § 616 BGB abbedingen (BAG 09.03.1983 – 4 AZR 62/80 – AP Nr. 60 zu § 616 BGB). § 33 MTArb stellt eine solche abschließende Regelung dar.

2. Die Wahrnehmung eines Termins als Zeuge vor Gericht ist eine Allgemeine Pflicht gegenüber den staatlichen Gerichten die auch „Nicht-Staatsbürger” trifft und daher nicht die Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht nach deutschem Recht i.S.d. § 33 Abs. 2 MTArb; daher besteht lediglich ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung nicht aber ein Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes. Anstelle des Lohnanspruchs ist der Arbeiter auf die Zeugenentschädigung verwiesen.

 

Normenkette

MTArb § 33 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 13.01.2000; Aktenzeichen 8 Ca 5248/99 d)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.12.2001; Aktenzeichen 6 AZR 30/01)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 8 Ca 5248/99 d – vom 13.01.2000 wird abgeändert:

Der Kläger wird mit der Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

(n. § 543 ZPO)

Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) Anwendung.

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger gegen Erstattung der Zeugenentschädigung Lohnfortzahlung zu leisten wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins vor dem Amtsgericht Düren als Zeuge in einer Strafsache.

Die geltend gemachte Lohnfortzahlung beläuft sich unstreitig auf brutto 86,55 DM; an Zeugenentschädigung hat der Kläger unstreitig 68,75 DM netto erhalten.

Zur Lohnfortzahlung bei persönlicher Arbeitsverhinderung bestimmte für die vorliegend anstehende Streitfrage der MTArb in der bis zum 01.07.1996 geltenden Fassung Folgendes:

(1) Der Arbeiter wird in den nachstehenden Fällen, soweit nicht die Angelegenheit außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, erledigt werden kann, unter Fortzahlung des Lohnes für die Dauer der unumgänglich notwendigen Abwesenheit von der Arbeit freigestellt.

1. Zur Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht

  1. zur Ausübung des Wahl- und Stimmrechts und zur Beteiligung an Wahlausschüssen,
  2. zur Ausübung öffentlicher Ehrenämter,
  3. zur Teilnahme an Wahlen der Organe der Sozialversicherung und anderer öffentlicher Einrichtungen,
  4. zur Wahrnehmung amtlicher, insbesondere gerichtlicher oder polizeilicher Termine, soweit sie nicht durch private Angelegenheiten des Arbeiters veranlaßt sind,
  5. bei Heranziehung zum Feuerlöschdienst, Wasserwehr- oder Deichdienst einschließlich der von den örtlichen Wehrleitungen angeordneten Übungen sowie bei Heranziehung zum Bergwachtdienst oder zum Seenotrettungsdienst zwecks Rettung von Menschenleben, zum Dienst im Katastrophenschutz sowie zum freiwilligen Sanitätsdienst bei Vorliegen eines dringenden öffentlichen Interesses,
  6. bei Heranziehung zur Bestattung von Verstorbenen, soweit sich die Verpflichtung aus der Ortssatzung ergibt.

Die Tarifnorm lautet nunmehr in der ab dem 01.07.1996 geltenden Fassung wie folgt:

§ 33 Lohnfortzahlung bei persönlicher Arbeitsverhinderung

(2) Bei Erfüllung allgemeiner staatsbürglicher Pflichten nach deutschem Recht, soweit die Arbeitsbefreiung gesetzlich vorgeschrieben ist und soweit die Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, wahrgenommen werden können, besteht der Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes nur insoweit, als der Arbeiter nicht Ansprüche auf Ersatz des Lohnes geltend machen kann. Der fortgezahlte Lohn gilt in Höhe des Ersatzanspruchs als Vorschuß auf die Leistungen der Kostenträger. Der Arbeiter hat den Ersatzanspruch geltend zu machen und die erhaltenen Beträge an den Arbeitgeber abzuführen.

Das Arbeitsgericht hat sich im Urteil vom 13.01.2000 der Rechtsauffassung der Klage angeschlossen und in der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins als Zeuge in einem Strafverfahren die Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht des Zeugen nach deutschem Recht gesehen. Es hat hierzu u. a. ausgeführt:

Der Umstand alleine, dass die Tarifvertragsparteien in der Neufassung des MTArb den Definitionenkatalog in § 33 Abs. 1 Ziffer 1 a bis f alte Fassung und damit auch Ziffer d (Wahrnehmung von Gerichtsterminen) gestrichen haben, bedeute nicht, die Wahrnehmung eines Gerichtstermins in fremden Angelegenheiten nicht mehr als staatsbürgerliche Pflicht im Sinne der neuen Tarifnorm anzusehen. A...

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