Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung bei Einstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Art. 2 Abs. 2 EWGR 76/207 ist § 611 a Abs. 1 BGB dahin auszulegen, dass eine geschlechtsbezogene Unterscheidung nur dann gestattet ist, wenn ein spezifisches Geschlecht für diese Tätigkeit unverzichtbare Voraussetzung ist. Hierfür reicht ein sachlicher Grund nicht aus, der einem pädagogischen Konzept entspricht. Nur bei mittelbarer Diskriminierung kann die Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.

2. § 611 BGB, der eine geschlechtsneutrale Stellenausschreibung vorsieht, enthält selbst keine Rechtsfolgen eines Verstoßes.

3. Die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das geschlechtsbezogene Benachteiligungsverbot kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme wegen seines Geschlechts benachteiligt. Bleibt ein ausgeschriebener Arbeitsplatz endgültig unbesetzt, weil dem Arbeitgeber keine entsprechenden Finanzmittel zugewiesen werden, fehlt es an einer entsprechenden Vereinbarung oder Maßnahme bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, die eine Entschädigung auslösen kann.

 

Normenkette

BGB §§ 611a, 611b; EWGRL 76/207 Art. 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Aktenzeichen 4 Ca 1516/01)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.09.2001 – 4 Ca 1516/01 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Entschädigungsforderung der Klägerin wegen einer von ihr behaupteten geschlechtsbezogenen Benachteiligung bei einer Bewerbung.

Der beklagte Verein erbringt sozialpädagogische Arbeiten im Jugendbereich. Im Rahmen eines geförderten Modellprojektes „anders lernen” hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Schülerinnen und Schüler aus sozialen Brennpunkten, die insbesondere als Schulversager bzw. Schulverweigerer aufgefallen sind, Hilfestellungen anzubieten.

In der WZ vom 20.01.2001 veröffentlichte der Beklagte eine Anzeige (Kopie Bl. 6 d. A.), in der für dieses Projekt ein Sozialpädagoge/Diplompädagoge/Heimerzieher gesucht wurde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Position ausdrücklich und gewollt nur an männliche Bewerber gerichtet war.

Die Klägerin, die Sozialpädagogin/Erzieherin ist und sich seit dem Jahre 1994 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis in L. befindet, bewarb sich mit Schreiben vom 24.01.2001 (Kopie Bl. 5 d. A.) um die ausgeschriebene Position. Mit Schreiben vom 06.04.2001 (Kopie Bl. 4 d. A.) lehnte der Beklagte die Einstellung der Klägerin ab.

Die Stelle blieb unbesetzt, weil die Finanzierung durch den Landschaftsverband nicht sichergestellt wurde. Nach Kürzung der dem Beklagten durch den Landschaftsverband zur Verfügung gestellten Mittel konnte der Beklagte diese Stelle nunmehr nur noch insgesamt mit einer vollen Stelle besetzen, wovon bereits eine halbe Stelle mit einer Frau besetzt ist. Für die zweite halbe Stelle, an der die Klägerin nach ihrer eigenen Erklärung zu Protokoll der Sitzung vom 17.09.2001 nicht interessiert ist, suchte der Beklagte ausschließlich einen männlichen Bewerber, der zwischenzeitlich eingestellt wurde. Es handelt sich dabei um einen schwerbehinderten Menschen.

Mit der am 21.05.2001 bei dem Arbeitsgericht anhängig gemachten Klage hat die Klägerin die Zahlung eines Betrages von mindestens 24.029,85 DM als Entschädigung nach § 611 a BGB geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei aufgrund ihrer persönlichen Qualifizierung die bestqualifizierte Bewerberin für die ausgeschriebene Position gewesen. Der Beklagte habe die Position entgegen § 611 b BGB nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben. Da der Beklagte nicht schlüssig vorgetragen habe, dass ein sachlicher Grund für eine geschlechtsspezifische Ausrichtung erforderlich sei, was insbesondere hinsichtlich des behaupteten pädagogischen Konzeptes gelte, stehe ihr ein Entschädigungsanspruch nach § 611 a BGB zu, der entsprechend der in der Anzeige enthaltenen Eingruppierung mindestens fünf Monatsgehälter je DM 4.805,99 ausmache. An der ursprünglich ausgeschriebenen Position sei sie deshalb interessiert gewesen, weil sie wegen eines Umzuges nach M. eine näher an ihrem neuen Wohnort befindliche Arbeitsstelle gesucht habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den beklagten Verein zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung gemäß § 611 a Abs. 2 BGB zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch 24.029,95 DM nicht unterschreiten solle und die ab Rechtshängigkeit mit einem Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB zu verzinsen sei.

Der beklagte Verein hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich vor allem damit verteidigt, nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus § 611 a BGB verstoßen zu haben. Die Anzeige sei zu Recht nur an männliche Bewerber gerichte...

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