Rz. 644
[Autor/Stand] Wird bei Steuerordnungswidrigkeiten, etwa bei leichtfertiger Steuerverkürzung gem. § 378 AO oder bei einer Steuergefährdung (§ 379 AO), eine Geldbuße verhängt, kommt im Falle der Nichtzahlung die Anordnung der Erzwingungshaft in Betracht.[2] Gemäß § 96 Abs. 1 OWiG kann nach Ablauf der in § 95 Abs. 1 OWiG bestimmten Frist das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen Erzwingungshaft anordnen, wenn:
- die Geldbuße oder der bestimmte Teilbetrag einer Geldbuße nicht gezahlt ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 OWiG),
- der Betroffene seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, § 96 Abs. 2 Nr. 2 OWiG),
- er nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 OWiG belehrt ist (§ 96 Abs. 2 Nr. 3 OWiG)
- und keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben (§ 96 Abs. 2 Nr. 4 OWiG).
Rz. 645
[Autor/Stand] Ergibt sich, dass dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so bewilligt das Gericht eine Zahlungserleichterung oder überlässt die Entscheidung darüber der Vollstreckungsbehörde (§ 96 Abs. 2 Satz 1 OWiG). Eine bereits ergangene Anordnung der Erzwingungshaft wird aufgehoben (§ 96 Abs. 2 Satz 2 OWiG).
Rz. 646
[Autor/Stand] Für die Vollstreckung der Erzwingungshaft gilt gem. § 97 Abs. 1 OWiG § 451 Abs. 1 und 2 StPO. Der Betroffene kann die Vollstreckung der Erzwingungshaft jederzeit dadurch abwenden, dass er den zu zahlenden Betrag der Geldbuße entrichtet (§ 97 Abs. 2 OWiG). Macht der Betroffene nach Anordnung der Erzwingungshaft geltend, dass ihm nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so wird dadurch die Vollziehung der Anordnung nicht gehemmt (§ 97 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Das Gericht kann jedoch die Vollziehung aussetzen (§ 97 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
Rz. 647
[Autor/Stand] Besonderheiten gelten im Zusammenhang mit der Insolvenz des Beschuldigten im Rahmen der Verhängung von Geldbußen. Hier ist zu unterscheiden zwischen Geldbußen, die vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhängt werden. Für Geldbußen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, kommt die Anordnung der Erzwingungshaft nicht in Betracht. Geldstrafen und Geldbußen, Bußgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, sind ausweislich des Wortlauts von § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO nachrangige Insolvenzforderungen. Es liefe der eindeutigen gesetzgeberischen Wertung zuwider, diese nachrangigen Forderungen im Wege der Anordnung der Erzwingungshaft durchzusetzen.[6] Für nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhängte Geldbußen kommt hingegen die Anordnung der Erzwingungshaft in Betracht.[7]
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