Rz. 68

[Autor/Stand] Prozesshandlungen einer unzuständigen Dienststelle im gerichtlichen Verfahren sind dagegen unwirksam[2]. Hat z.B. die unzuständige Stelle bei Gericht den Erlass eines Strafbefehls oder die Anordnung von Nebenfolgen im selbständigen Verfahren beantragt (vgl. §§ 400, 401 AO), muss der Richter diesen Antrag mangels Sachbefugnis als unzulässig verwerfen, falls der Antrag nicht auf entsprechenden Hinweis zurückgenommen wird[3]. Die sachliche Zuständigkeit der FinB als Antragsbehörde ist als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen[4]. In der Praxis betrifft dies vornehmlich Anträge der Steuer- oder Zollfahndung auf richterliche Untersuchungshandlungen wie Durchsuchungen oder Beschlagnahmen (s. § 385 Rz. 99; § 404 Rz. 284, 286, vgl. Nr. 17 Abs. 3 und 4 AStBV (St) 2023 – s. AStBV Rz. 17) oder Strafbefehlsanträge (s. § 400 Rz. 30), zu denen die Fahndung nicht befugt ist[5]. Dagegen braucht der antragstellende Mitarbeiter der BuStra oder des HZA nicht die Befähigung zum Richteramt zu haben[6] (s. § 400 Rz. 29).

 

Rz. 69

[Autor/Stand] Erkennt der Richter den Zuständigkeitsmangel der FinB nicht und erlässt antragsgemäß die Entscheidung, so berührt dies die Wirksamkeit seiner Entscheidung nicht[8] (s. auch § 388 Rz. 74), macht sie aber anfechtbar. Die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit kann wegen des Erfordernisses einer Beschwer nur solange Erfolg haben, wie die unzuständige FinB mit der Sache befasst ist, also bis zum Erlass eines Strafbefehls durch den Richter oder bis zur Abgabe der Sache an die StA (s. auch § 388 Rz. 78). Denkbar ist dies z.B. im Beschwerdeverfahren, wenn die Durchsuchung oder Beschlagnahme von Beweismitteln von der sachlich unzuständigen FinB durchgeführt wurde (s. § 385 Rz. 372 ff.).

 

Rz. 70

[Autor/Stand] Allerdings kann ein solcher Zuständigkeitsmangel noch geheilt werden, etwa durch spätere Beschlagnahme durch die (allumfassend zuständige) StA (s. auch Rz. 57)[10]. Daher ist es unter Umständen ratsam, diesen Verfahrensverstoß erst im gerichtlichen Hauptverfahren vorzubringen (zur Geltendmachung von Verwertungsverboten s. § 385 Rz. 1063).

 

Rz. 71

[Autor/Stand] § 387 AO gilt auch im Bußgeldverfahren (§ 409 AO). Erlässt eine sachlich unzuständige FinB einen Bußgeldbescheid, muss dies mit dem Einspruch (§§ 67 ff. OWiG) geltend gemacht werden (s. § 410 Rz. 79). Der Zuständigkeitsmangel führt nur bei absoluter Unzuständigkeit zur Nichtigkeit des Bescheids[12] (s. § 410 Rz. 79).

 

Rz. 72

[Autor/Stand] Die Revision kann nicht auf Mängel im Ermittlungsverfahren wie Maßnahmen sachlich unzuständiger Ermittlungsorgane gestützt werden[14]. Die Maßnahmen, die die Finanzbehörde trifft, sind nur vorbereitender Natur und daher nicht selbständig angreifbar[15]. Etwas anderes gilt bei (offenkundiger) Unzuständigkeit, wenn sich daraus Beweisverwertungsverbote ergeben sollten (s. Rz. 65).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[2] Ebenso Klaproth in Schwarz/Pahlke, § 387 AO Rz. 11; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 387 AO Rz. 32; Zanzinger in Leopold/Madle/Rader, § 387 AO Rz. 12; a.A. Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, § 387 AO Rz. 4; Randt in JJR9, § 387 AO Rz. 23; Seipl in Gosch, § 387 AO Rz. 27.2; Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 74.
[3] BGH v. 10.4.1963 – 4 StR 73/63, BGHSt 18, 326; vgl. auch Klaproth in Schwarz/Pahlke, § 387 AO Rz. 11; Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 74; Randt in JJR9, § 387 AO Rz. 24.
[4] Vgl. BGH v. 10.4.1963 – 4 StR 73/63, BGHSt 18, 326 (327); Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 74.
[5] Näher dazu Weyand, DStZ 1988, 191.
[6] BVerfG v. 5.5.1994 – 2 BvL 52/92, wistra 1994, 263; Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 65.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[8] Randt in JJR9, § 387 AO Rz. 25; Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 81.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[10] Klaproth in Schwarz/Pahlke, § 387 AO Rz. 11; Güntge in ERST, § 387 AO Rz. 6; Jäger in Klein16, § 387 AO Rz. 5; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 387 AO Rz. 32; Randt in JJR9, § 387 AO Rz. 24; Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 74; grundlegend dazu Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt66, Einl. Rz. 159, § 337 StPO Rz. 39, § 338 StPO Rz. 3.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[12] Randt in JJR9, § 387 AO Rz. 26.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[14] BGH v. 5.10.1954 – 2 StR 194/54, BGHSt 6, 326 (328) = NJW 1954, 1855; Bülte in HHSp., § 387 AO Rz. 86; Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, § 387 AO Rz. 5.
[15] Vgl. auch Randt in JJR9, § 387 AO Rz. 23.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge