Leitsatz

Ein Werkstudent, für den aufgrund eines sog. Werkstudentenprivilegs keine Sozialversicherungspflicht besteht, kann nach § 62 Abs. 1 EStG i.V.m. dem SozSichAbk YUG kindergeldberechtigt sein.

 

Normenkette

§ 62 EStG, Art. 2, 3 und 28 Soz­SichAbk YUG

 

Sachverhalt

Der Kläger stammte aus dem Kosovo und war daher zunächst jugoslawischer, dann serbischer Staatsbürger. Aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung als Werkstudent war er zwar renten-, aber wegen des Werkstudentenprivilegs nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Er beanspruchte für seine im Inland lebende Tochter erfolglos Kindergeld. Das FG gab der Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 9.12.2009, 7 K 248/04, Haufe-Index 2347419, EFG 2010, 1227).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte dem Grunde nach die Entscheidung. Die wesentlichen Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass sich der "zeitliche Regelungsumfang" eines Kindergeld- Ablehnungsbescheides stets (auch im Klageverfahren) auf das Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung beschränkt. Erlässt die Familienkasse für Zeiträume danach einen dem Antrag nicht ganz entsprechenden Kindergeldbescheid, wird dieser nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens gegen den Ablehnungsbescheid.

 

Hinweis

1. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a SozSichAbk YUG stehen bei der Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaats (hier: Deutschland) die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaats (Jugoslawien) den Staatsangehörigen des zuerst genannten Vertragsstaats gleich. Offen ist die Frage, inwieweit das SozSichAbk YUG nach dem Zerfall Jugoslawiens weiter anzuwenden ist. In Übereinstimmung mit den Entscheidungen des BSG (Urteil vom 12.4.2000, B 14 KG 3/99 R, BSGE 86, 115) und des I. Senats des BFH zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Jugos­lawien (Urteil vom 20.8.2008, I R 35/08, BFH/NV 2009, 26) hat der V. Senat dies für die Staatsbürger der Nachfolgestaaten des früheren Abkommensgebietes Jugoslawien bejaht.

2. Die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a SozSichAbk YUG vorgesehene Gleichbehandlung gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SozSichAbk YUG bezieht sich nur auf das "Kindergeld für Arbeitnehmer" und betrifft auch Kinder (ehemals jugoslawischer) Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland. Bei Inkrafttreten des Abkommens betraf dies zwar nur Kinder, die im anderen Vertragsstaat, also nicht im Inland, lebten; das Ziel des Abkommens und die nachträgliche Einschränkung der Kindergeldberechtigung in § 62 Abs. 2 EStG sowie der Wertungswiderspruch, der entstünde, wenn Kinder, die im Abkommensgebiet wohnen, Kindergeld erhielten, nicht aber Kinder, die im Inland wohnen, sprachen für diese Auslegung.

3.Dem Abkommen liegt ein enger Arbeitnehmerbegriff zugrunde; deshalb wird davon ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, das zu einer Versicherungsfreiheit bei Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung führt, nicht erfasst. Das Werkstudentenprivileg, das lediglich von der Arbeitslosenversicherung befreit, soll Studenten erleichtern, als Arbeitnehmer Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zu verdienen. Dieser Zweck rechtfertigt es demgegenüber nicht, eine abkommensrechtliche Kindergeldberechtigung "für Arbeitnehmer" einzuschränken.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.3.2013 – V R 61/10

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