Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzmasse. Rückgewähranspruch. Empfänger des wirtschaftlichen Werts. Anfechtbarkeit von Verrechnungen. Schadensersatzansprüche gegen Vertragsärzte. Kassenärztliche Vereinigung. Aufrechnung mit Honorarforderungen. Anfechtbarkeit einer vergleichbaren Erfüllung. Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners. Gläubigerbenachteiligung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verfolgt der Insolvenzverwalter einen Rückgewähranspruch nach § 143 InsO gegen die Kassenärztliche Vereinigung und verlangt im Wege der Verrechnung geltend gemachte Zahlungen auf eine Regressforderung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise heraus, ist sein Anspruch rechtmäßig, wenn die K. V. einen eigenen Anspruch gegen den Schuldner hat, weil sie die Schadensersatzansprüche noch nicht an die Krankenkasse abgetreten hat und wenn die K. V. nicht zur Verrechnung berechtigt war.

2. Nach § 143 InsO muss derjenige, der gegenüber der Gläubigergesamtheit bevorzugt worden ist, d.h. der den wirtschaftlichen Wert aus dem Vermögen des Gemeinschuldners erhalten hat, grundsätzlich das zurückgewähren, was der Insolvenzmasse entzogen wurde.

 

Normenkette

GVG § 13; InsO § 143 Abs. 1 S. 1, §§ 129, 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2, § 114 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 08.04.2003; Aktenzeichen 9 O 324/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.08.2005; Aktenzeichen IX ZR 117/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.4.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin - 9 O 324/02 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird verworfen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 59 % und die Beklagte 41 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

 

Gründe

A. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 8.4.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin - 9 O 324/02 - Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 21.5.2003 zugestellte Urteil hat sie am 23.6.2003 (Montag) Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - am 21.8.2003 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, bei den Honoraransprüchen des Schuldners handele es sich um Dienstbezüge i.S.d. § 114 Abs. 2 S. 1 InsO, gegen die sie aufrechnen dürfe. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO stelle allein darauf ab, dass die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt sei. Die Aufrechnung selbst könne damit also nicht gemeint sein. Auch die freiwillige Entscheidung des Schuldners, seine Abrechnungsunterlagen einzureichen, oder das Feststellen des Honoraranspruchs durch die Beklagte aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 85 Abs. 4 SBG V könnten nicht als anfechtbare Rechtshandlungen in Betracht kommen, wenn der Schuldner von und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig Forderungen gegen die Beklagte erwerbe, da sonst die Regelung des § 114 Abs. 2 S. 1 InsO leer laufen würde.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen und die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 49.425,16 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, die Beklagte habe mittlerweile auch die Honorarforderungen einbehalten, die sie zunächst anerkannt und an den Kläger zur Masse ausgezahlte habe, weil sie selbst davon ausgegangen sei, dass insoweit eine Aufrechnung unzulässig gewesen wäre.

Wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B. I. Auf das Berufungsverfahren waren die Vorschriften der ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden, denn die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil erging, ist nach dem 1.1.2002 geschlossen worden (§ 26 Nr. 5 EGZPO).

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist vorliegend gegeben. Nach § 13 GVG gehören vor die ordentliche Gerichtsbarkeit sämtliche bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Dazu gehört auch der vorliegende, weil mit der Klage nicht der Insolvenzschuldner Honoraransprüche gegen die K.V. geltend macht, sondern der Insolvenzverwalter einen Rückgewähranspruch gem. § 143 Abs. 1 S. 1 InsO verfolgt. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 4.5.2004 nochmals ausdrücklich klargestellt hat, verlangt er die im Wege der Verrechnung geltend gemachten Zahlungen auf die Regressforderung heraus, die dem Grunde und der Hö...

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