Rz. 137

Das neue Körperschaftsteuersystem mit Teileinkünfteverfahren führt zu einer Steuerbelastung, die von der der Einzelunternehmer bzw. der Gesellschafter von Personengesellschaften deutlich abweicht. Während der Steuerpflichtige bei Investition in einem Einzelunternehmen bzw. einer Personengesellschaft sowohl auf thesaurierte als auch auf entnommene Gewinne eine Steuerbelastung (ohne SolZ) mit seinem persönlichen Steuersatz von bis zu 45 % entrichten muss, liegt die Steuerbelastung bei Investition in einer Kapitalgesellschaft maximal bei 37,9 % (vgl. Rz. 115). Bei niedrigen Steuersätzen kann umgekehrt die Investition in eine Kapitalgesellschaft erheblich höher belastet sein als bei einem Einzelunternehmen/Personengesellschaft (vgl. den Belastungsvergleich in Rz. 115).

Thesaurierte Gewinne sind bei der Kapitalgesellschaft regelmäßig erheblich niedriger belastet als bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften. Die Belastung mit Ertragsteuern beträgt bei Kapitalgesellschaften 15 % (ohne SolZ), bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften bei Inanspruchnahme der Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns nach § 34a EStG dagegen 28,25 %. Die Steuerermäßigung um die GewSt nach § 35 EStG mindert diese Belastung, beseitigt den Unterschied aber nicht völlig. Im Ergebnis besteht weiterhin eine rechtsformabhängige Besteuerung mit Steuerbelastungsunterschieden.[1] Körperschaften und ihre Anteilseigner werden anders besteuert als Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Das ist eine Folge der Anerkennung der Körperschaft als selbstständiges Steuersubjekt (Trennungsprinzip), während bei der Personengesellschaft auf die Gesellschafter durchgegriffen wird (Transparenzprinzip).

 

Rz. 138

Gegen diese ungleiche Besteuerung sind verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG erhoben worden.[2] M.E. wäre diese nur gerechtfertigt, wenn es ein Verfassungsgebot der rechtsformunabhängigen Besteuerung gäbe. Das ist indes nicht der Fall (vgl. Rz. 31). Die zivilrechtlichen Strukturen von Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften einerseits und Körperschaften andererseits sind so unterschiedlich, dass es im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens liegt, wenn er hieran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Andernfalls müsste etwa auch die Regelung, dass Einzelunternehmer bzw. Gesellschafter von Personengesellschaften Verluste sofort nutzbar machen können, Gesellschafter von Kapitalgesellschaften jedoch nicht, als Verstoß gegen Art. 3 GG verfassungswidrig sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber die Doppelbelastung von Körperschaft und Anteilseigner berücksichtigen und damit in Betracht ziehen kann, dass die thesaurierten Gewinne bei einer Ausschüttung (letztlich bei Liquidation) der Doppelbelastung unterliegen werden. Die Belastungsunterschiede sind daher durch die unterschiedliche rechtliche Struktur von Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaft einerseits und Körperschaft andererseits gerechtfertigt und halten sich noch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens.

 

Rz. 139

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung könnte auch vorliegen, wenn eine Rechtsform generell ungünstiger besteuert würde als die andere. Dann könnte auch Art. 9 GG (positive und negative Vereinigungsfreiheit) berührt sein, weil die steuerlichen Folgen den Steuerpflichtigen bei rationalem Handeln in eine bestimmte Rechtsform zwingen oder die Organisation in dieser Rechtsform verhindern könnte.[3] Auch wenn Art. 9 Abs. 1 GG davor schützen sollte, vom Steuerrecht in eine bestimmte Rechtsform gedrängt zu werden[4], ist das gegenwärtig nicht der Fall. Die Besteuerung der Körperschaften im Vergleich zu der von Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften weist günstigere Regelungen (Steuersatz, Abzugsfähigkeit von Tätigkeits- und Leistungsvergütungen), aber auch ungünstigere Regelungen auf.[5] Keine Rechtsform wird also generell benachteiligt.[6] Damit ist auch die Vereinigungsfreiheit nicht beeinträchtigt. Dieses Grundrecht erfordert nicht, dass jede Rechtsform vollständig gleich behandelt wird (was auch im Zivilrecht nicht der Fall ist, vgl. z. B. die Haftungsfolgen bei Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft). Da jede Rechtsform, je nach der persönlichen Lage des Steuerpflichtigen, günstig oder ungünstig wirken kann, hat der Steuerpflichtige die Wahl, sich je nach seinen persönlichen Verhältnissen für die geeignete Rechtsform für sein wirtschaftliches Handeln zu entscheiden. Freilich setzt das zugleich die Möglichkeit eines (steuerneutralen) Wechsels der Unternehmensrechtsform voraus.[7]

[1] Heurung, in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl. 2010, Einführung Rz. 364.
[2] Pezzer, StuW 2000, 144; Pelka, StuW 2000, 389; Raber, DB 1999, 2596.
[3] Dazu P. Kirchhof, DStJG Bd. 24 (2001), 9, 19; und DStJG Bd. 25 (2002), 1, 7f.
[4] Positiv F. Kirchhof, BB 2015, 278, 280f.; kritisch Sieker, DStJG Bd. (2002), 25, 145, 155f.
[5] Kein Verlustausgleich, keine dem § 35 EStG entsprechende Berücksichtigung der GewSt.
[6] Drüen, GmbHR 2008, 393, 3...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge