Rz. 128a

Das KStG enthält keine bes. Regelung zu den steuerlichen Folgen, die eintreten, wenn ein Wirtschaftsgut in die Besteuerungshoheit der Bundesrepublik überführt wird ("Steuerverstrickung"), etwa indem es aus einer ausl. Betriebsstätte der Körperschaft, für welche die Freistellungsmethode gilt, in eine inl. Betriebsstätte überführt wird. Das deutsche Besteuerungsrecht wird auch begründet, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer Betriebsstätte, für welche die Freistellungsmethode gilt, in eine Betriebsstätte, für welche die Anrechnungsmethode gilt, übertragen wird. Bei Körperschaften sind jedoch die einkommensteuerlichen Vorschriften zu Einlagen (anders als die zu Entnahmen) anwendbar.[1] Daher ist auch für Körperschaften § 4 Abs. 1 S. 8 Halbs. 2 EStG anzuwenden. Diese Vorschrift behandelt die Steuerverstrickung, die insbesondere eintritt, wenn ein bisher aus dem deutschen Besteuerungsrecht ausgeschlossenes Wirtschaftsgut (z. B. ein Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte in einem Staat, mit dem die Freistellungsmethode vereinbart ist) in das Inland überführt wird. Der Eintritt der Steuerverstrickung durch Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik wird als Einlage behandelt. Diese fiktive Einlage ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 1 EStG grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zu bewerten, also einschl. eines Gewinnaufschlags. Dadurch erhöht sich bei einer Überführung in das inl. Stammhaus oder eine inl. Betriebstätte das im Inland anzusetzende Abschreibungsvolumen. Diese Regelung gilt prinzipiell für alle Staaten, also sowohl im Verhältnis zu EU-Staaten als auch zu Drittstaaten. Findet jedoch für das Wirtschaftsgut, für das ein deutsches Besteuerungsrecht begründet wurde, in dem Herkunftsstaat eine Entstrickungsbesteuerung statt, wird der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 2 EStG modifiziert. In einem solchen Fall ist das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde legt (Entstrickungswert), höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. Eine derartige Wertverknüpfung zwischen dem vom Herkunftsstaat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegten Wert und dem Einlagewert ist europarechtlich durch Art. 5 Abs. 5 ATAD vorgegeben. Auch die Beschränkung auf den gemeinen Wert ist in Art. 5 Abs. 5 ATAD vorgezeichnet ("es sei denn, dieser [= der Entstrickungswert] spiegelt nicht den Marktwert wieder").

 

Rz. 129

Bei der Steuerverstärkung handelt es sich insb. um folgende Konstellationen:

  • Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausl. Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in das inl. Stammhaus;
  • Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem ausl. Stammhaus oder einer anderen ausl. Betriebsstätte in die inl. Betriebsstätte;
  • bei einem unbeschränkt Stpfl. mit inl. Stammhaus: Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausl. Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in eine ausl. Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode;
  • Kündigung eines DBA mit Freistellungsmethode oder Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode durch Änderung des DBA.
 

Rz. 129a

Steuersystematisch ist die gesetzliche Behandlung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 1 EStG zur Einlagebewertung mit dem gemeinen Wert schlüssig. Für die bis zur Steuerverstrickung in Deutschland entstandenen stillen Reserven hatte Deutschland kein Besteuerungsrecht. Erst ab dem Zeitpunkt der deutschen Steuerverstrickung kann Deutschland die Wertsteigerungen steuerlich erfassen und muss Wertminderungen im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung berücksichtigen. Gleichsam ist die Wertverknüpfung mit dem bei der Entstrickungsbesteuerung im Herkunftsland zugrunde gelegten Wert – begrenzt auf den gemeinen Wert – konsequent. Ungeachtet der europarechtlichen Vorgabe aus Art. 5 Abs. 5 ATAD erleichtert die Wertverknüpfung den Steuervollzug und vermeidet durch die Wertverknüpfung konzeptionell in EU-Fällen eine doppelte Nichtbesteuerung durch unterschiedliche Wertansätze, bei der Entstrickungsbesteuerung und der Einlagebewertung.[2] Durch die Begrenzung des Einlagewerts auf den gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 letzter Hs.) werden gleichzeitig berechtigte Fiskalinteressen Deutschlands geschützt, indem eine überhöhte Einlagebewertung und damit einhergehend überhöhtes Abschreibungspotenzial verhindert wird.

Erfolgt im Herkunftsland jedoch keine Entstrickungsbesteuerung, bleibt es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs 1 Nr. 5a EStG beim Ansatz des gemeinen Werts. In einem solchen Fall besteht weiterhin die Möglichkeit einer steuerfreien Verstrickung. Dies gilt zuvorderst für Drittstaatenfälle, bei denen keine Entstrickungsbesteuerung durchgeführt wird. Für EU-Fälle dürfte aufgrund der Verpflichtung in Art. 5 ATAD regelmäßig eine Entstrickungsbesteuerung durchzuführen sein.[3] M.E. erfordert § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 2 EStG, dass im Herkunftsstaat tatsächlich eine Entstrickungsbesteuerung durchgeführt worden ist. Dass sie nach dem Recht des Herkunftsstaates rechtlich hätte durchgeführt werden müssen, genügt m. E. nicht. Dies ergibt sich maßgeblich darau...

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