Rz. 14
§ 12 Abs. 1 S. 1 KStG enthält mit der Steuerentstrickung für Körperschaften einen Tatbestand, der dem des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG für natürliche Personen entspricht. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG kann auf Körperschaften auch über § 8 Abs. 1 KStG nicht angewendet werden, da es bei diesen keine "Entnahme" gibt. § 12 Abs. 1 S. 1 KStG setzt daher an die Stelle einer fiktiven Entnahme eine fiktive Veräußerung bzw. fiktive Nutzungsüberlassung der in das Ausland verbrachten Wirtschaftsgüter. Die Vorschrift regelt diese Fälle weitgehend in Entsprechung zu § 4 Abs. 1 S. 3 EStG.
Rz. 15
In persönlicher Hinsicht werden alle KSt-Subjekte i. S. d. § 1 KStG (Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen) einschl. der SE und der SCE erfasst. Ist die Körperschaft an einer Personengesellschaft beteiligt, und verbringt diese Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut in das Ausland, ist dieser Vorgang (anteilig) der Körperschaft zuzurechnen, da die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht als "transparent" behandelt wird. Das bedeutet, dass dieses Wirtschaftsgut nach § 12 Abs. 1 S. 1 KStG als veräußert gilt, soweit die Beteiligung der Körperschaft reicht. Sind an der Personengesellschaft sowohl Körperschaften als auch natürliche Personen beteiligt, ist bei jedem Wirtschaftsgut die Verbringung in das Ausland in Höhe der Beteiligungen der Körperschaften nach § 12 Abs. 1 S. 1 KStG (fiktive Veräußerungen), in Höhe der Beteiligungen der natürlichen Personen nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (fiktive Entnahmen) zu behandeln. Bei der ausländischen Betriebsstätte gilt das Wirtschaftsgut aus deutscher Sicht in Höhe der Beteiligungen der Körperschaften als fiktiv erworben, in Höhe der Beteiligungen der natürlichen Personen als fiktiv eingelegt. Da sowohl die fiktive Veräußerung bzw. Anschaffung als auch die fiktive Entnahme bzw. Einlage (aus deutscher Sicht) zum gemeinen Wert zu erfolgen haben, ergeben sich durch die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen keine Wertabweichungen.
Rz. 16
In sachlicher Hinsicht werden Vorgänge erfasst, bei denen das deutsche Besteuerungsrecht bei der Veräußerung oder der Nutzungsüberlassung ausgeschlossen wird. Daraus folgt, dass der Tatbestand des § 12 Abs. 1 S. 1 KStG nicht selbst an eine Veräußerung (oder einen sonstigen gewinnrealisierenden Vorgang), eine Umwandlung bzw. Verschmelzung oder eine Nutzungsüberlassung anknüpft. In diesem Fall wird der Gewinn nämlich realisiert und könnte im Inland besteuert werden. Unter die Vorschrift fallen daher nur Vorgänge, bei denen der Rechtsträger nicht wechselt und daher keine "Veräußerung" vorliegt, bzw. bei denen das Wirtschaftsgut nicht einem Dritten zur Nutzung überlassen wird. Es muss daher eine "Überführung" eines Wirtschaftsguts vorliegen, die dazu führt, dass der Gewinn aus einer späteren Veräußerung oder einer auf die Überführung folgenden Nutzung nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegt. Unter diese Regelung fällt daher auch die "Sitzverlegung", da auch dabei der Rechtsträger nicht wechselt. Die Verlegung des Sitzes in einen Drittstaat wird aber von dem Sondertatbestand des Abs. 3 erfasst, der insoweit Abs. 1 vorgeht. Die Verlegung des Sitzes in einen EU- oder EWR-Staat fällt unter Abs. 1, wird aber wegen der Besonderheiten hier in einem bes. Abschnitt behandelt (Rz. 89ff.).
Rz. 17 einstweilen frei
Rz. 18
Nach dieser Auffassung fällt die Verschmelzung einer deutschen Körperschaft auf einen Rechtsträger in einem Drittstaat ("Herausverschmelzung") nicht unter Abs. 1, da die Verschmelzung als veräußerungsähnlicher Vorgang schon nach allgemeinen Regeln zur Gewinnrealisierung führt. Das ergibt sich auch daraus, dass sonst Abs. 2 hinsichtlich der Rechtsfolge überflüssig wäre, allenfalls Bedeutung hätte hinsichtlich des Tatbestands der Vergleichbarkeit mit einer inländischen Verschmelzung, und zwar nicht nur, soweit das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, sondern in vollem Umfang. Die damit angenommene Sofortversteuerung aller stillen Reserven korrespondiert mit der Regelung des Abs. 3. Grenzüberschreitende Verschmelzungen innerhalb der EU fallen unter das UmwStG. Ebenfalls nicht von der Vorschrift erfasst wird der Eintritt einer Steuerbefreiung nach nationalem Recht. Die Folgen bei dieser Gestaltung richten sich nach § 13 Abs. 3 KStG.
Rz. 19
Der Tatbestand des Abs. 1 setzt immer ein Wirtschaftsgut voraus. Das Wirtschaftsgut kann zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen gehören; es kann materieller oder immaterieller Art sein, einschl. eines Firmenwerts. Es kann sich auch um eine Mehrzahl von Wirtschaftsgütern handeln, bis hin zu einem Betrieb oder Teilbetrieb. Unter Abs. 1 fällt daher auch die Verlagerung eines Betriebs oder Teilbetriebs in einen ausländischen Staat.
Rz. 20
Das immaterielle Wirtschaftsgut kann selbst geschaffen oder entgeltlich erworben worden sein. Erfasst werden auch Kundenbeziehungen und Geschäftschancen, soweit sie sich bereits zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert haben.
Das Bilanzierungsverbot des § 5 Abs....