Rz. 574

§ 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG ordnet an, dass Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften freigebig sind, soweit sie nicht betrieblich veranlasst sind, d. h. in der Absicht getätigt werden, die Gesellschafter der empfangenden Kapitalgesellschaft zu bereichern, und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. Der Gesetzgeber bezieht sich in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das Urteil des BFH vom 7.11.2007.[1] In der zitierten Entscheidung hält es der BFH für möglich, dass im Falle einer sog. mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Dritten eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben sei. Jene zivilrechtliche Betrachtungsweise der Rspr. habe in der Praxis zu der Sorge geführt, dass auch verdeckte Gewinnausschüttungen im Konzern als schenkungsteuerbar angesehen werden könnten[2], nämlich dann, wenn der Dritte eine konzernzugehörige Kapitalgesellschaft ist. Namentlich Vermögensverschiebungen zwischen Schwesterkapitalgesellschaften werden – jedenfalls soweit sie durch die Muttergesellschaft veranlasst sind – als Kombination aus mittelbarer verdeckter Gewinnausschüttung an die Gesellschafter der leistenden Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) und als mittelbare verdeckte Einlage der Muttergesellschaft an die empfangende Tochterkapitalgesellschaft behandelt. Satz 2 stelle – so die Gesetzesbegründung – klar, dass verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen zwischen verbundenen Unternehmen grundsätzlich keine freigebigen Zuwendungen sind und nur in den dort definierten Ausnahmefällen als Schenkungen behandelt werden können.[3]

 
Praxis-Beispiel

Die M-AG ist zu 100 % Gesellschafterin der T1-GmbH und der T2-GmbH. Die M-AG veranlasst die T1-GmbH, der T2-GmbH ein Grundstück zu einem Preis deutlich unter dem Verkehrswert zu verkaufen.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers von der zivilrechtlichen Sichtweise des BFH liegt bei Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften der zivilrechtliche Rechtsgrund für die Leistung ausschließlich in dem Rechtsverhältnis zwischen den beiden Kapitalgesellschaften, welches eine Schenkung oder ein unentgeltlicher (konzernrechtlicher) Schuldvertrag sui generis (vergleichbar der sog. unbenannten Zuwendung zwischen Ehegatten) sein könnte. Leistet der Empfänger, wie im Beispielsfall die T2-GmbH, eine Gegenleistung, ist der Vorgang als teilentgeltlich zu qualifizieren. Danach läge – vorbehaltlich eines Bereicherungswillens – eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von der T1-GmbH an die T2-GmbH vor. Lässt man die gesellschaftsrechtliche Beziehung zwischen der T1-GmbH und der M-AG außer Betracht, liegt zugleich eine Leistung eines anderen (T1-GmbH) an eine Kapitalgesellschaft (T2-GmbH) vor, die zu einer Werterhöhung der Anteile der Aktionäre der M-AG (Bedachte, soweit natürliche Personen oder Stiftungen) an der T2-GmbH führt – mithin ein Fall des Satz 1. In diesem Konkurrenzverhältnis würde § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verdrängt[4], weil die T1-GmbH – wenn überhaupt – auf eine Bereicherung der T2-GmbH abzielte, und nicht auf die (wahrscheinlich anonymen) Aktionäre der M-AG. § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG stellt eine objektive Steuerbefreiung der freigebigen Zuwendung von T1-GmbH an T2-GmbH dar.

 

Rz. 575

Der BFH hat mittlerweile für die Fälle der sog. mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung entschieden, dass insoweit eine nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare (mittelbare) verdeckte Gewinnausschüttung an Gesellschafter vorliegt.[5] Die (mittelbare) verdeckte Einlage in die Schwesterkapitalgesellschaft wäre ein Fall des Satz 1, wenn an der bedachten Schwesterkapitalgesellschaft ein Mitgesellschafter beteiligt ist. Das Vollzugsverhältnis zwischen der T1-GmbH und T2-GmbH ist nicht steuerbar.

 
Praxis-Beispiel

Die M-AG ist Alleingesellschafterin der X-GmbH und zugleich zu 95 % an der Y-GmbH beteiligt. Die verbleibenden 5 % gehören dem Z. Auf Veranlassung der M-AG übereignet die X-GmbH ein Wirtschaftsgut an die Y-GmbH im Wert von 100.000 EUR.

Sollte der BFH entscheiden, dass im Einklang mit dem Zivilrecht das Gesellschaftsverhältnis zwischen X-GmbH und M-AG das sog. Deckungsverhältnis ist, das Valutaverhältnis zwischen der M-AG und der Y-GmbH besteht und zwischen der X-GmbH und der Y-GmbH nur ein Vollzugsverhältnis anzunehmen ist, wäre Satz 2 nicht einschlägig. Es läge auch keine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Allerdings wäre der M-AG die Zuwendung der X-GmbH an die Y-GmbH zivilrechtlich als Leistung an die Y-GmbH zuzurechnen, sodass im Verhältnis zwischen der M-AG und Z Satz 1 anwendbar ist. Darauf weist die Gesetzesbegründung ausdrücklich hin. Bei einer Werterhöhung der Anteile des Z i. H. v. 5.000 EUR ist eine Steuerpflicht der Zuwendung der M-AG an Z zu bejahen.

Interessant wird der Fall, wenn man davon ausgeht, dass auf Veranlassung der M-AG die Y-GmbH an die X-GmbH...

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