1 Einführung

1.1 Überblick

 

Rz. 1

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Finger weg vom Abschmelzungsmodell bei Erwerben begünstigten Vermögens ab 51 Mio. EUR!, DStR 2017, 189.

 

Rz. 2

Der (reduzierte) Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigtem Vermögen[1] wurde erstmals mit Wirkung zum 1.7.2016 in das deutsche ErbStG eingeführt.[2]

Bei einem Erwerb begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. EUR (Großerwerb) verringert sich der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % um jeweils einen Prozentpunkt für jede volle 750.000 EUR, die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. EUR übersteigt (Abschmelzungsmodell). Ab einem Erwerb von 90 Mio. EUR ist der Verschonungsabschlag vollständig abgeschmolzen, sodass keinerlei Verschonung mehr erfolgt. Eine Sockel- oder Mindestverschonung gibt es nicht.

 

Rz. 3

Bis zum 30.6.2016 wurde der Verschonungsabschlag i. H. v. 85 % bzw. 100 % dagegen unabhängig von der Höhe des erworbenen Vermögens (und auch unabhängig von der Größe des Unternehmens) gewährt. Das Gesetz hat (früher) keinerlei Begrenzung des Verschonungsabschlags vorgesehen.

 

Rz. 4

Die Neuregelung für Großerwerbe beruht (zumindest mittelbar) auf der Entscheidung des BVerfG zum ErbStG.[3]

 

Rz. 5

Das BVerfG hat die Höhe des Verschonungsabschlags von 85 % bzw. 100 % nicht beanstandet. Vielmehr hat das BVerfG betont, dass der Gesetzgeber den Erwerb von unternehmerischem Vermögen nicht nur weitgehend, sondern auch vollständig von der Besteuerung freistellen kann. Die Möglichkeit der Vollverschonung muss dabei auch nicht auf kleine und mittlere Unternehmen beschränkt werden. Eine vollständige Steuerbefreiung sei (vorbehaltlich einer Bedürfnisprüfung im Einzelfall) auch beim Erwerb von großen Unternehmen möglich.

Allerdings hat das BVerfG auch deutlich gemacht, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer steuerlichen Verschonung mit deren Umfang und Ausmaß steigen. Bei einem geringeren Verschonungsabschlag sei die Verfassungsmäßigkeit leichter zu legitimieren.

 

Rz. 6

Das BVerfG hat zudem darauf hingewiesen, dass die Neuregelung gewährleisten müsse, dass "Betriebe mit Unternehmenswerten von mehreren Hundertmillionen oder auch mehreren Milliarden Euro" künftig nicht mehr ohne weiteres steuerfrei übertragen werden können. In anderem Zusammenhang hat das BVerfG die Möglichkeit einer "absoluten Obergrenze" der steuerlichen Verschonung erwähnt und dabei auf frühere Gesetzesentwürfe verwiesen, in denen eine solche Grenze bei 100 Mio. EUR angedacht war.

Mit dem (reduzierten) Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigten Vermögen (von mehr als 26 Mio. EUR und höchstens 90 Mio. EUR) von begünstigtem Vermögen[4] hat der Gesetzgeber versucht, diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen.

1.2 Entstehungsgeschichte

 

Rz. 7

Die Neuregelung zum (reduzierten) Verschonungsabschlag[1] war sehr umstritten und wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach geändert.

 

Rz. 8

Nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom September 2015[2] sollte sich der Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % jeweils um einen Prozentpunkt für jede vollen 1,5 Mio. EUR, die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. EUR übersteigt, verringern. Ein Mindest-Verschonungsabschlag von 20 % bzw. 35 % sollte dabei in keinem Fall unterschritten werden. Dieser Sockelbetrag sollte bei einem Erwerb von 116 Mio. EUR bzw. 142 Mio. EUR erreicht werden.

 

Rz. 9

Die Neuregelung wurde wie folgt begründet:

Zitat

§ 13c ErbStG regelt, dass der Erwerber anstelle einer Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG einen Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen kann. Mit steigendem Wert des erworbenen begünstigten Vermögens über 26 Millionen Euro (…) verringert sich der Verschonungsabschlag bis zu einer gewissen Grenze stetig. Ab dieser Grenze gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag. Das Bundesverfassungsgericht hat entscheidend darauf abgestellt, dass der Grad der Ungleichbehandlung mit Erwerbern von nicht begünstigtem Vermögen (Vergleichsgruppe), insbesondere bei einer Vollverschonung, ein Ausmaß annimmt, das mit einer gleichheitsgerechten Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Je umfangreicher die Steuerverschonung und je größer deshalb das Maß der Ungleichbehandlung desto anspruchsvoller wird die Rechtfertigungslast. Indem bei Erwerben von begünstigtem Vermögen über 26 Millionen Euro (…) der Verschonungsabschlag auf bis zu 20 Prozent bei der Regelverschonung (§ 13a Absatz 1 ErbStG) beziehungsweise bis auf 35 Prozent bei der Optionsverschonung (§ 13a Absatz 10 ErbStG) verringert wird, nimmt das Maß der Ungleichbehandlung und damit die Rechtfertigungslast ab. Mit steigendem Wert des begünstigten Vermögens steigt auch die Steuerbelastung sukzessive an.

Absatz 1 sieht ein Wahlrecht für einen verminderten Verschonungsabschlag bei Großerwerben von b...

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