Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage des Vorliegens einer umsatzsteuerlichen Organschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Streitfall war die Stpfl. selbst nicht unmittelbar oder mittelbar (aus einer über eine Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung) an der D-GmbH beteiligt. Die Stpfl. und die D-GmbH waren vielmehr sogenannte Schwestergesellschaften, an denen dieselben Gesellschafter die Anteilsmehrheit gehalten haben. Das begründet keine finanzielle Eingliederung.

2. Die Abgabe der USt-erklärungen unter Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlagen der D-GmbH und der Hinweis in den Bilanzen auf die umsatzsteuerliche Organschaft stellen keine ausdrückliche bzw. konkludente Zustimmung zur für die Stpfl. belastenden Verwaltungsvorschrift dar. Es liegen keinerlei Indizien vor, die dafür sprechen, dass die Stpfl. ihre verfahrensrechtlichen Rechte einschränken und die für sie belastende Rechtsfolge der umsatzsteuerlichen Organschaft bewusst hinnehmen wollte.

 

Normenkette

AO §§ 172, 354; UStG § 2 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist für die Frage des Vorliegens einer umsatzsteuerlichen Organschaft, ob die Klägerin zu ihren Ungunsten die Übergangsregelung zur umsatzsteuerlichen Organschaft im BMF-Schreiben vom 05.07.2011, Bundessteuerblatt I, 2011, 703, gegen sich gelten lassen muss.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Gegenstand ihres Unternehmens ist das Halten und Verwalten von Grundbesitz. Ihre Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung war in den Streitjahren 2010 und 2011 die E-GmbH. Kommanditisten der Klägerin waren in den Streitjahren LN (im Folgenden: LN) und UP (im Folgenden: UP) zu jeweils 50 %. LN und UP waren außerdem alleinvertretungsbefugte und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreite Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und Gesellschafter und Geschäftsführer der D-GmbH (im Folgenden: D-GmbH), die einen Groß- und Einzelhandel mit …(Ware) betrieb. LN war mit nominell 405.000 Euro (50,63 %), UP mit nominell 232.500 Euro (29,06 %) und Herr GN (im Folgenden: GN) mit 162.500 Euro (20,31 %) beteiligt. Die Klägerin vermietete seit 2006 Grundbesitz an die D-GmbH. Seit dieser Zeit gingen die Beteiligten von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus, d. h. die Klägerin wurde als Organträgerin und die D-GmbH als Organgesellschaft behandelt.

In den Steuerakten befindet sich ein Schreiben des Beklagten vom 18.11.2011 an die damaligen steuerlichen Berater der Klägerin (Steuerberater X), mit dem auf die Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur finanziellen Eingliederung und auf das daraufhin ergangene BMF-Schreiben vom 05.07.2011, Bundessteuerblatt I 2011, 703 hingewiesen wurde. Es wird wegen des Inhalts auf das vorgenannte Schreiben verwiesen (Umsatzsteuerakte, Bl. 1). Der Zugang dieses Schreibens wird von der Klägerin bestritten. Eine Reaktion auf dieses Schreiben durch die Klägerin ist unstreitig nicht erfolgt.

Die Klägerin gab am 27.02.2012 ihre Umsatzsteuererklärung für 2010 und am 22.08.2013 ihre Umsatzsteuererklärung für 2011 ab. In diesen Erklärungen waren die Besteuerungsgrundlagen der D-GmbH mit enthalten. Die Klägerin erklärte für 2010 eine Umsatzsteuer i.H.v. xyz Euro und für 2011 eine Umsatzsteuer i.H.v. xyz Euro.

Der Beklagte hat die Erklärungen erklärungsgemäß verarbeitet. Am 05.12.2012 erging nach einer Lohnsteueraußenprüfung ein Änderungsbescheid für 2010 über Umsatzsteuer, mit dem die Umsatzsteuer auf xyz Euro festgesetzt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Für die Jahre ab 2012 wurden für die Klägerin und die D-GmbH getrennte Umsatzsteuererklärungen abgegeben.

Am 21.07.2016 wurde über das Vermögen der D-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beigeladene wurde zum Insolvenzverwalter der D-GmbH bestellt.

Mit Schriftsatz vom 02.12.2016, auf den wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Umsatzsteuerakte Bl. 66 ff), beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre. Sie begründete ihren Änderungsantrag damit, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH und des BFH zwischen der Klägerin und der D-GmbH keine umsatzsteuerliche Organschaft vorgelegen habe. Diesen Änderungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2017, auf den wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Umsatzsteuerakte Bl. 113 ff), ab. Der Beklagte meinte, durch die fehlende Reaktion der Klägerin auf sein Schreiben vom 18.11.2011 und die Abgabe der Umsatzsteuererklärungen, in denen die Klägerin weiterhin als Organträgerin aufgetreten sei, habe die Klägerin die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 05.07.2011 akzeptiert und könne keine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen mehr beanspruchen.

Die Klägerin gab am 17.01.2017 berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ab, mit denen sie die Umsatzsteuer für 2010 i.H.v. xyz Euro (um ein vielfaches niedriger) und die Umsatzsteuer 2011 i.H.v. xyz Euro (um ein vielfaches niedriger) erklärte. Diesen Erklärungen stimmte der Beklagte nicht zu.

Mit Schriftsatz vom 01.02.2017, auf den Bezug genommen wird...

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