rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung bei Veräußerung der Kassenpatientenpraxis unter Fortführung der Privatpatientenpraxis. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
Es liegt keine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung vor, wenn zwar die bisherigen Praxisräume und die Zulassung als Vertragsarzt der kassenärztlichen Vereinigung mit deren Zustimmung entgeltlich veräußert werden, jedoch die Privatpatientenpraxis, zwar in einem anderen Stockwerk desselben Gebäudes, damit aber im selben örtlichen Wirkungskreis wie bisher, fortgeführt wird.
Normenkette
EStG 1998 § 18 Abs. 3 S. 1; EStG § 34 Abs. 1, § 16
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger durch den Verkauf seiner Arztpraxis den Tatbestand einer tarifbegünstigten Veräußerung eines Teilbetriebes i. S. von § 18 Abs. 3 i.V.m. § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt hat.
Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie. Er betrieb in M., … eine Arztpraxis für Orthopädie. Der Kläger hatte bis 27. April 1998 eine Zulassung zum Vertragsarzt der kassenärztlichen Vereinigung (KV) und war demgemäß zur Behandlung von Kassenpatienten berechtigt. Als Kassenarzt war er zusätzlich zum Heilverfahren bei Berufsunfällen zugelassen. Daneben ist der Kläger im Bereich der Flugmedizin spezialisiert und hat aufgrund einer Prüfung durch die Ärztekammer das Recht zur Untersuchung und Behandlung von fliegendem Personal. Im Bereich Flugmedizin behandelte der Kläger ausschließlich Privatpatienten.
Am 24. März 1998 schloss der Kläger mit Herrn Dr. W. (W) einen Vertrag, mit dem der Kläger die in München ausgeübte Praxis veräußerte (§ 1 Abs. 2). Die Praxisübergabe sollte am 1. April 1998 bzw. nach Maßgabe der KV-Zustimmung erfolgen (§ 1 Abs. 4). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Praxisübergabevertrag Bezug genommen.
Auf Antrag des Klägers ist seine Zulassung als Vertragsarzt mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27. April 1998 unter der Bedingung beendet worden, dass die Praxis des Klägers innerhalb von drei Monaten nach Zulassung des Praxisnachfolgers W von diesem fortgeführt wird. Ebenfalls am 27. April 1998 fasste der Zulassungsausschuss den Beschluss, W als Vertragsarzt zur Fortführung der Praxis des Klägers zuzulassen. W war bereits ab Januar 1998 in der Praxis des Klägers als Praxisassistent und Praxisvertreter tätig. Ab 1. April 1998 wurde die Praxis faktisch allein von W, der bis zu seiner Zulassung als Kassenarzt als Praxisvertreter für den Kläger tätig war, geführt. Nach seiner Zulassung als Vertragsarzt führte W die Praxis im eigenen Namen fort. Die Privatpatienten des Klägers behandelte W nicht. Der Kläger hat in demselben Gebäude, in dem sich seine Praxis im 1. Obergeschoss befand, im 5. Obergeschoss ab 1. September 1997 Räume zur Benutzung als Wohnung mit Arztpraxis angemietet und diese mit Zimmereinrichtungen und eigener technischer Ausrüstung ausgestattet. Ab 1. April 1998 sind die Privatpatienten des Klägers ausschließlich in der neuen Arztpraxis im 5. Obergeschoss medizinisch behandelt worden. In der Privatpatientenpraxis des Klägers arbeiteten ab 1. April 1998 drei Arbeitnehmerinnen, die ab diesem Zeitpunkt in der Praxis im 1. Obergeschoss nicht mehr tätig waren. Das übrige Personal des Klägers wurde von W übernommen.
Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt –FA–) behandelte im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 28. Januar 2000 in der Fassung des Bescheides vom 4. Mai 2000 den vom Kläger erzielten Gewinn aus der Veräußerung seiner Praxis in Höhe von 615.514 DM als laufenden Gewinn und lehnte eine tarifbegünstigte Besteuerung nach §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 2 bis 4 EStG i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG ab, da der Kläger noch eine Arztpraxis für Privatpatienten in nicht geringem Umfang weiter betreibe. Der dagegen eingelegte Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, bei der veräußerten Praxis habe es sich um eine i. S. von § 18 Abs. 3 EStG eigenständige Teilpraxis gehandelt, blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2001).
Dagegen richtet sich die Klage. Nach Auffassung der Kläger seien die Kassenarztpraxis und die Privatpatientenpraxis schon vor der Veräußerung organisatorisch getrennt worden und als selbständige Arztpraxen geführt worden. Zwar stelle die Behandlung von Kassenpatienten und von Privatpatienten aus medizinischer Sicht eine gleichartige Tätigkeit dar. Dies schließe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Veräußerung der Kassenarztpraxis als selbständige Teilpraxis aber nicht aus. Selbständige Teilpraxen lägen in diesem Fall vielmehr dann vor, wenn die Praxen im Rahmen organisatorisch selbständiger Büros mit jeweils eigenständigem Personal betrieben würden. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, denn der Kläger habe die ursprünglich einheitliche Praxis noch vor der Veräußerung sachlich und organisatorisch getrennt, was sich u. a. aus der Anmietung eigener Praxisräume im 5. Obergeschoss mit eigener Einrich...