Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenhändige Unterschrift, Drittstaatenangehörige, Verhinderung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablauf der Jahresfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Bei einer juristischen Person, die nicht im Gemeinschaftsgebiet, sondern in einem Drittstaat ansässig ist, kann nur der gesetzliche Vertreter die von § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG geforderte "eigenhändige" Unterschrift leisten.

2) Das Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterzeichnung des Vergütungsantrags des in einem Drittstaat ansässigen Unternehmers ist auch nicht nach § 150 Abs. 3 Satz 1 AO entbehrlich. Soweit nach der Rechtsprechung des BFH ein Aufenthalt im Ausland als Verhinderungsgrund i.S.v. § 150 Abs. 3 Satz 1 AO angesehen wird, ist diese Rechtsprechung auf das Vorsteuervergütungsverfahren eines im Drittstaat ansässigen Unternehmers nicht übertragbar.

3) Über den Wortlaut des § 110 Abs. 3 AO hinaus kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nach Ablauf der Jahresfrist gewährt werden, wenn die erforderlichen Tatsachen vor Ablauf der Jahresfrist für das Gericht oder die Behörde erkennbar waren oder wenn die Rechtzeitigkeit der Verfahrenshandlung allein aus in der Sphäre des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde liegenden Gründen trotz sich aus den Akten erkennbar ergebenden Tatsachen nicht innerhalb der Jahresfrist geprüft worden sind.

 

Normenkette

UStG § 18 Abs. 9 S. 5; UStDV §§ 59 ff; RL 86/560/EWG Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2; AO § 110 Abs. 3, § 150 Abs. 3 S. 1; UStG § 18 Abs. 9 S. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.08.2013; Aktenzeichen V R 3/11)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ihren Antrag auf Vorsteuervergütung für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 fristgerecht gestellt hat bzw. ob ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die Klägerin ist in der Schweiz ansässig.

Am 2. Februar 2007 stellte sie beim Beklagten nach § 18 Abs. 9 des UmsatzsteuergesetzesUStG – i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung – UStDV – einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 i.H.v. 36.391,94 EUR. Der Antrag ging in Kopie beim Beklagten ein. Die Seite 2 des kopierten Antragsformulars enthielt u.a. den Ausstellungsort „A”, das Ausstellungsdatum „20.04.2006”, den Firmenstempel der Klägerin sowie die Unterschrift „C”. In einem Begleitschreiben gab die Klägerin an, dass sie bereits am 20. April 2006 einen Antrag auf Vorsteuervergütung für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 beim Beklagten eingereicht habe.

Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass kein Antrag aus dem April 2006 vorläge. Außerdem wies der Beklagte die Klägerin auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin.

Mit Schreiben vom 30. April 2007 reichte die Klägerin weitere Unterlagen, u.a. eine weitere Kopie des Antragsformulars vom „20.04.2006” sowie Rechnungskopien, nach. Zum behaupteten Antrag vom 20. April 2006 trug die Klägerin vor, dass dieser mit normaler Post (nicht per Einschreiben) versandt und kein Postabsendevermerk erstellt worden sei.

Durch Bescheid vom 17. Oktober 2007 lehnte der Beklagte die beantragte Vergütung ab. Zur Begründung verwies der Beklagte u.a. darauf, dass der Vergütungsantrag erst nach Ablauf der Antragsfrist eingegangen sei und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AbgabenordnungAO – nicht vorlägen. Außerdem sei der Vergütungsantrag nicht eigenhändig vom Unternehmer, sondern von einer Beschäftigten des Unternehmens unterschrieben worden.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Schreiben vom 18. März 2008 reichte der Bevollmächtigte der Klägerin weitere Unterlagen beim Beklagten ein und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dem Schreiben war ein vom gesetzlichen Vertreter der Klägerin, dem Präsidenten des Verwaltungsrates, Herrn B, eigenhändig unterschriebener Vergütungsantrag beigefügt.

Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. Durch Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Sie, die Klägerin, habe am 20. April 2006 ordnungsgemäß unter Verwendung des amtlichen Formblattes unter Beifügung der Originalbelege die Vergütung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 beantragt. Der unterzeichnete Antrag sei von Frau C, der einzelvertretungsberechtigten Prokuristin der Klägerin, einschließlich sämtlicher erforderlicher Unterlagen kuvertiert und am 20. April 2006 persönlich beim Postamt in A, Schweiz, aufgegeben worden.

Auf Nachfrage beim Beklagten habe sie die Auskunft erhalten, die Anträge seien eingegangen. Erst am 31. Januar 2007 sei ihr mitgeteilt worden, dass ein Antrag beim Beklagten nicht eingegangen sei. Daraufhin habe sie durch Frau C mit Schreiben vom gleichen Tage Kopien der Unterlagen erneut an den Beklagten übersandt.

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