Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergewöhnliche Belastung: Unterbringung in einem Seniorenstift – Aufwendungen außerhalb des Rahmens des Üblichen – Offensichtliches Missverhältnis zum medizinisch indizierten Aufwand – Angemessene Wohnfläche der Unterkunft einer Einzelperson, Überschreitung der Mindestanforderungen für stationäre Pflegeeinrichtungen um mehr als 100 v. H.

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Seniorenwohnstift sind zwangsläufig i.S. des § 33 EStG, wenn sie nicht aufgrund eines offensichtlichen Missverhältnisses zum medizinisch indizierten Aufwand außerhalb des Üblichen liegen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2013 VI R 21/12, BFH/NV 2014, 832).
  2. Soweit die Wohnfläche der Unterkunft einer Einzelperson die übliche Wohnungsgröße von 30 qm überschreitet, sind die darauf entfallenden anteiligen Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.
  3. Die Überschreitung der landesrechtlich vorgesehenen Mindestanforderungen an die Wohnfläche bei Einzelzimmern für stationäre Pflegeeinrichtungen um mehr als 100 v. H. indiziert die Unangemessenheit der Aufwendungen.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; WTG DVO NRW § 7 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2006

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer für die Streitjahre 2006 und 2007. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die am ....... 1929 geborene Klägerin wurde zusammen mit ihrem am ...... 2005 verstorbenen Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Im Dezember 1997 erlitt die Klägerin eine Gehirnblutung, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Infolgedessen wurden der Klägerin mit Bescheid des Versorgungsamtes X vom .... November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 v. H. sowie die Merkzeichen „G” (Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt), „aG” (außergewöhnlich gehbehindert), „B” (Notwendigkeit ständiger Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) und „H” (Hilflosigkeit) zuerkannt. Zudem ist sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig i. S. der Pflegestufe III anerkannt worden. Zunächst wohnten die Klägerin und ihr Ehemann zusammen weiterhin in ihrer gemeinsamen Ehewohnung.

Am .... März 2003 schlossen die Eheleute mit der A GmbH in Y (A) einen sogenannten Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Appartements von 74,54 qm, beginnend ab April 2003. Die A bietet ausweislich ihres Internetauftritts Appartements mit 1 - 3 Zimmern an, und zwar in Größen zwischen 30 und 75 qm. Appartements mit drei Zimmern werden in der Größe ab 71,55 qm angeboten. Der Umzug in das Seniorenstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 Euro und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 Euro), Verpflegung (400 Euro; Einzelperson 300 Euro) sowie Betreuung (605,65 Euro; Einzelperson 450 Euro) zusammen. Pflegeleistungen sind nicht Gegenstand des Wohnstiftsvertrages. Zusätzlich schloss die Klägerin mit der A einen Pflegevertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen durch den ambulanten Pflegedienst der A ab (Vertrag vom…April 2004), in dem sich die A zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Sozialgesetzbuch XI. Buch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - und zur häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V. Buch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - verpflichtete. Die Entgelte hierfür wurden der Klägerin gesondert in Rechnung gestellt.

In den Einkommensteuererklärungen wurden Aufwendungen, die mit dem Einzug in das Seniorenstift und der Pflegebedürftigkeit der Klägerin im Zusammenhang stehen, als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht, und zwar insgesamt für 2006 solche von 67.889 Euro und für 2007 von 88.121 Euro. Der Beklagte erkannte außergewöhnliche Belastungen jeweils vor Abzug der zumutbaren Belastung für 2006 i. H. v. 20.390 Euro (Bescheid vom 10. Dezember 2008) und für 2007 von 37.580 Euro (Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vom 5. November 2008) an. Im Einspruchsverfahren änderte der Beklagte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 und berücksichtigte für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz von 50 Euro abzüglich einer Haushaltsersparnis von 7.680 Euro/Jahr sowie die nicht von der Pflegekasse erstatteten Pflegekosten einschließlich Notrufkosten in voller Höhe (2006: 3.555 Euro; 2007: 3.201 Euro). Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge von 19.196 Euro für 2006 und von 20.238 Euro für 2007. Zusätzlich berücksichtigte der Beklagte Aufwendungen für Heimunterbringung von 924 Euro jährlich (§ 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - a. F.).

Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin im Verfahren 10 K 2505/10 E mit dem Begehren, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 10. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 zu ändern und Krankheitsk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge