Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachung

 

Leitsatz (redaktionell)

Erkenntnisse aus einer gemäß § 100a StPO zum Zweck der Strafverfolgung angeordneten Telefonüberwachung dürfen weder im Besteuerungsverfahren noch in einem diesbezüglichen Arrestverfahren verwertet werden.

 

Normenkette

GG Art. 10 Abs. 1, 2 S. 1; StPO § 100a; AO §§ 324, 393

 

Tatbestand

Die Antragstellerin - Astin. - begehrt die Aufhebung der Vollziehung - AdV - einer vom Antragsgegner - Ag. - gegen sie erlassenen Arrestanordnung.

Der Arrestanordnung ist folgender Geschehensablauf voraufgegangen:

Mit Beschlüssen des Amtsgerichts - AG - vom 30.11.1999, 29.2.2000 und 26.5.2000 wurde gemäß §§ 100a und 100b der Strafprozessordnung - StPO - die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs der Astin. und ihres Ehemannes sowie die Übersetzung fremdländischer Gespräche angeordnet. Zur Begründung der Anordnungen wurde ausgeführt:

Der Beschuldigte J [Ehemann der Astin.] stehe im Verdacht, sich mit den Mitbeschuldigten A und V sowie weiteren, teilweise bisher noch nicht identifizierten Mittätern zu einer kriminellen Vereinigung zu dem Zweck zusammengeschlossen zu haben, mit der Einfuhr von Betäubungsmitteln, dem Menschenhandel, dem Schmuggel von Zigaretten und anderen Straftaten finanzielle Gewinne in hohem Maße zu erwirtschaften. Die Beschuldigten stünden in Verdacht, sich unter anderem nach §§ 129 und 181 Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs - StGB - sowie nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 des Betäubungsmittelgesetzes - BtMG - strafbar gemacht zu haben.

Straftaten nach den §§ 129 und 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG stellten Katalogtaten im Sinne des § 100a StPO das (§ 100a S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StPO).

... Hinsichtlich des auf die Astin. eingetragenen in der gemeinsamen Wohnung befindlichen Telekommunikationsanschlusses stehe zu erwarten, dass der Beschuldigte J diesen Anschluss mitbenutze. ... (Es folgen Ausführungen zur Notwendigkeit der Überwachungsmaßnahmen) ...

In der Folgezeit wurden die Telefonanschlüsse der Astin. und ihres Ehemannes überwacht und die geführten Gespräche aufgezeichnet. Aus den vom Ag. hierzu vorgelegten Unterlagen ergeben sich bezüglich der Gespräche mit Beteiligung der Astin. u. a. folgende Inhalte:

DatumGespräch

Am 10. 7. 2000 erließ sodann der Ag. gegen die Astin. die streitbefangene, auf Art. 57 Zollkodex - ZK - und § 324 Abgabenordnung - AO - gestützte Arrestanordnung. Der dingliche Arrest in das Vermögen der Astin. wurde "zur Sicherung der Einfuhrabgaben in Höhe von 1.730.339,21 DM" angeordnet, weil zu befürchten sei, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

Die Anordnung wurde hinsichtlich des Arrestanspruchs damit begründet, dass die Astin. nach Erkenntnissen der Polizei M, die auf telefonischen Überwachungsmaßnahmen beruhten, zu einer Tätergruppe gehöre, die mehrere Lieferungen unverzollter und unversteuerter Zigaretten aus Ländern eingeschmuggelt habe, die nicht zur Europäischen Union gehörten, und zwar am 21.2.2000, 21.3.2000 (2x), 17.4.2000, 18.4.2000. und 2.6.2000. ... (es folgen Mengenangaben - rd. 9 Mio. Stück) ... Hinsichtlich der vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbrachten Zigaretten sei die Einfuhrzollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Bucht. a) ZK entstanden und die Astin. zu deren Erfüllung verpflichtet, weil sie

als tragendes Mitglied der Tätergruppe, die im Wege der Arbeitsteilung die Zigaretten eingeschmuggelt und im Zollgebiet abgesetzt habe, am vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten in das Zollgebiet beteiligt gewesen sei, und zwar auch hinsichtlich der bei der Zollkontrolle beschlagnahmten Zigaretten (Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich ZK).

Alternativ sei die Astin. Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 3. Anstrich ZK geworden, weil sie die Zigaretten bzw. einen Teil davon zumindest zeitweise in Besitz gehabt habe, denn sie habe über die in ihren Bereich gelangten Zigaretten verfügen können.

Alternativ zu ihrer Zollschuldnerschaft bestehe gegen die Astin. ein Haftungsanspruch nach § 71 AO für die nicht entrichteten Einfuhrabgaben. Dieser Anspruch gründe sich auf ihre Mittäterschaft bei der Steuerhinterziehung bzw. Steuerhehlerei hinsichtlich der eingeschmuggelten Zigaretten.

Für die Entstehung der Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer und die Person des Steuerschuldners gelten gem. § 21 des Tabaksteuergesetzes und § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes die Vorschriften des Zollkodex sinngemäß. ... (es folgt die Berechnung der Abgaben, die einen Gesamtbetrag von 1.730.339,21 DM ergibt.) ...

Zum Arrestgrund wurde ausgeführt, es sei zu befürchten, dass die Beitreibung des Arrestanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Diese Befürchtung sei darin begründet, dass die Astin. als Mitglied der Tätergruppe in krimineller Weise erheblich am vorschriftswidrigen Verbringen der aufgeführten Zigarettenmengen beteiligt gewesen und daher damit zu rechnen sei, dass sie vorhandenes Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde entziehe. Dies gelte umso mehr, da ber...

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