Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrtkosten Behinderter. Tatsächliche Kosten. Behindertengerechter Umbau eines Fahrzeugs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein schwer Geh- und Stehbehinderter hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, für seine Fortbewegung außerhalb des Hauses stets die tatsächlich entstandenen Kosten für die Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs als außergewöhnliche Belastung abzuziehen. Das gilt auch dann, wenn bei geringer jährlicher Fahrleistung die Kilometerpauschbeträge nicht zur Deckung der tatsächlichen Kosten ausreichen.

2. Die vom Senat als zweifelhaft angesehene Frage, ob die Kosten für den behindertengerechten Umbau eines Fahrzeugs sofort als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können, konnte im Streitfall offen bleiben.

 

Normenkette

EStG 1990 § 33 Abs. 2 S. 1, § 33b; EStG 1997 § 33 Abs. 2 S. 1, § 33b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.02.2008; Aktenzeichen III R 105/06)

BFH (Urteil vom 21.02.2008; Aktenzeichen III R 105/06)

BFH (Aktenzeichen III B 203/05)

 

Tenor

1. Unter Änderung der Bescheide vom 29. Oktober 1998 und vom 18. September 2001 beide i.F.d. Einspruchsentscheidung vom 16. November 2001 wird dem Beklagten aufgegeben, die Einkommensteuer 1996 und 1999 nach Maßgabe der im Erörterungstermin vom 6. Oktober 2005 getroffenen Verständigung (s. S. 3 des Protokolls) festzusetzen. Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden zu 1/10 dem Beklagten und zu 9/10 den Klägern auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern die Kläger zuvor Sicherheit leisten.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte bis Mitte 1996 als Beamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und bezieht seitdem Versorgungsbezüge. Der Kläger ist zu 100 % schwerbehindert. Es liegen die gesundheitlichen Merkmale „aG” und „B” und „H” vor. Die Klägerin erzielte als Steuerberaterin bis 1998 Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

In ihren Einkommensteuererklärungen für 1996 und 1999 machten die Kläger neben dem Behindertenpauschbetrag (§ 33 b Abs. 3 Satz 3 EStG; 7.200 DM) Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG i.H.v. 29.779 DM (1996) und 26.218 DM (1999) geltend (Bl. 20 f.). Der Beklagte erkannte bei der Durchführung der Veranlagung neben dem Behindertenpauschbetrag für 1996 keine weiteren Aufwendungen und bei der Veranlagung für 1999 nur Aufwendungen i.H.v. 13.189 DM (wegen nicht erstatteter Krankheitskosten) als außergewöhnliche Belastung an. Am 29. Oktober 1998 und am 18. September 2001 erließ der Beklagte dementsprechende Einkommensteuerbescheide.

Gegen diese Bescheide haben die Kläger Einsprüche eingelegt. Durch Einspruchsentscheidung vom 16. November 2001 hat der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzungen geändert, indem er diese für 1996 auf 23.678 DM herabsetzte und für 1999 auf 1.564 DM erhöhte (zur Berechnung s. Bl. 54 ff., 61 f., 63 f.).

Am 17. Dezember 2001 erhoben die Kläger Klage. Sie beantragten zunächst (Bl. 63),

unter Änderung der Bescheide vom 29. Oktober 1998 und vom 18. September 2001 beide i.F.d. Einspruchsentscheidung vom 16. November 2001 die Einkommensteuer

  • ▹ 1996 unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen i.H.v. 20.901 DM und
  • ▹ 1999 unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen i.H.v. 13.228 DM

festzusetzen.

Am 6. Oktober 2005 erörterte der Berichterstatter mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage. Hierbei verständigten sich die Beteiligten über die Behandlung der streitigen Aufwendungen, soweit diese nicht mit den Kosten für den C.-Bus in Zusammenhang standen. Wegen der Entscheidung über die verbliebenen Fragen verzichteten sie auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug genommen (Bl. 62 ff.). Im Anschluss an die teilweise einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreites beantragten die Kläger (Bl. 65),

unter Änderung der Bescheide vom 29. Oktober 1998 und vom 18. September 2001 beide i.F.d. Einspruchsentscheidung vom 16. November 2001 die Einkommensteuer

  • ▹ 1996 unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG, die durch die Nutzung des streitigen C-Busses entstanden sind, i.H.v. 19.036 DM und
  • ▹ 1999 unter Berücksichtigung entsprechender Kosten i.H.v. 6.028 DM

festzusetzen.

Einkommensteuer 1996 (Bl. 3 ff.)

Der im Juni 1996 geleaste C-Bus sei für rund 20.000 DM mit einer speziellen Hebeautomatik versehen worden. Wegen seiner Körpergröße von 1,94 m habe der Kläger einen größeren Rollstuhl als üblich benötigt, der in einem kleineren Fahrzeug nicht habe untergebracht werden können. Die Maßnahme zur behindertengerechten Umrüstung habe keinen werterhöhenden Charakter gehabt, da der umgerüstete Bus für einen nicht behinderten Menschen weitgehend wertlos gewesen sei. Es habe sich – anders als in dem vom BFH (Az.: III...

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