Entscheidungsstichwort (Thema)

Von Gemeinschaftspraxis erworbene Vertragsarztzulassungen als gesonderte, nicht abnutzbare bzw. nicht abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter „Vorteile aus einer Vertragsarztzulassung”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Erwerb einer Vertragsarztpraxis ist i. d. R. die Vertragsarztzulassung Bestandteil des erworbenen Praxiswerts und wird dementsprechend nicht als selbstständiges immaterielles Wirtschaftsgut, sondern als Teil des Geschäftswerts des Unternehmens von dem Erwerber erworben. Der Praxiswert besteht insoweit aus den Gewinnchancen des Unternehmens, welche im Betrieb der eingeführten und fortlebenden Arztpraxis begründet sind und als Bestandteile unter anderem den Patientenstamm, den Standort und den Umsatz beinhalten.

2. Die „Vorteile aus einer Vertragsarztzulassung” können aber ein gesondertes und eigenständiges Wirtschaftsgut darstellen – und die Aufwendungen für den mit einer Vertragsarztzulassung zusammenhängenden Vorteil sind dann zu aktivieren –, wenn die Vertragsarztzulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht wird und das alleinige Interesse der erwerbenden Praxis dem Erwerb des vorhandenen Vertragsarztsitzes gilt und gerade nicht in dem Erwerb der erworbenen Arztpraxis mit ihrem Patientenstammen und ihren Umsatz. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Gemeinschaftspraxis die Vertragsarztzulassungen von zwei in sieben bzw. 17 km Entfernung von der Gemeinschaftspraxis praktizierenden Ärzten für zwei neu in die Gemeinschaftspraxis aufzunehmende Ärzte erwirbt, wobei sie kein Interesse am Patientenstamm bzw. den Praxisräumen bzw. der Praxiseinrichtung der beiden Vertragsarztpraxen hat und wobei die beiden Ärzte mit Vertragsarztzulassung zwar formal vorübergehend in die Gemeinschaftspraxis aufgenommen werden, dort aber tatsächlich nie selbst arbeiten, sondern lediglich rechtzeitig die Verlegung ihrer Vertragsarztsitze in die Praxis der bisherigen Gemeinschaftspraxis sowie die Errichtung einer neuen Gemeinschaftspraxis beim örtlichen Zulassungsausschuss Ärzte/Krankenhauskassen beantragen und nach Eintritt in die Gemeinschaftspraxis umgehend die Ausschreibung ihrer Vertragsarztsitze veranlassen sollen.

3. Die bei diesem Sachverhalt (siehe 2.) von der Gemeinschaftspraxis erworbenen Wirtschaftsgüter „Vorteile aus der Vertragsarztzulassung” sind nicht abschreibungsfähig gem. § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 EStG, da der Erwerber der Vertragsarztzulassung auch wiederum selbst bei Aufgabe seines Vertragsarztsitzes in der Lage sein wird, den finanziellen Vorteil aus seiner Vertragsarztzulassung zu ziehen, und dieses Wirtschaftsgut somit nicht abnutzbar ist. Die Nutzung der Wirtschaftsgüter „Vorteile aus der Vertragsarztzulassung” durch die Gemeinschaftspraxis und die eintretenden Ärzte ist nicht zeitlich begrenzt (Anschluss an Urteil des FG Nürnberg v. 12.12.2013, 6 K 1496/12 sowie Urteil des Niedersächsischen FG v. 28.9.2004, 13 K 412/01; gegen Urteil des FG Nürnberg v. 21.9.2014, 1 K 1894/12).

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 1; SGB V § 95 Abs. 7 Sätze 1, 3, § 103 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Sätze 1-4, 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.02.2017; Aktenzeichen VIII R 24/16)

BFH (Urteil vom 21.02.2017; Aktenzeichen VIII R 24/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Aufwendungen für erworbene Vertragsarztzulassungen durch die Kläger.

Die Kläger betrieben in den Streitjahren als Ärzte eine Gemeinschaftspraxis (im Folgenden: Gemeinschaftspraxis) zunächst in der Form der GbR. Am 1. Juni 2006 wurde die Gemeinschaftspraxis in das Partnerschaftsregister eingetragen.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 29. März 1994 errichteten (L) und (S) eine Gemeinschaftspraxis. L und S waren zu je 50 % an der Gemeinschaftspraxis beteiligt.

Mit Vertrag vom 13. Februar 1998 wurde die Gemeinschaftspraxis um (B) erweitert. B erwarb einen Gesellschaftsanteil i.H.v. 10 %.

Im Jahr 2001 trat (CL) in die Gemeinschaftspraxis ein und erwarb einen 10 %-igen Anteil an der Gemeinschaftspraxis.

Im Jahr 2004 wurde darüber hinaus (KB) in die Gemeinschaftspraxis aufgenommen. Zu diesem Zweck schloss die Gemeinschaftspraxis L/S/B/CL (Partner 1) mit (M) (Partner 2) am 01. Juni 2004 einen Gemeinschaftspraxisvertrag in der Form der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts.

Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages brachte M seine Arbeitskraft in die Gemeinschaftspraxis ein und verlegte seinen Vertragsarztsitz sowie den ideellen und materiellen Wert seiner bisherigen Praxis in die Gemeinschaftspraxis. Der materielle und ideelle Wert seiner bisherigen Einzelpraxis verblieb in seinem Sonderbetriebsvermögen. Gemäß § 4 des Vertrages verpflichteten sich die Partner u.a., der gemeinsam Praxis in gleichem Maße grundsätzlich ihre volle Arbeitskraft zu widmen (a), ein Höchstmaß an kollegialer Zusammenarbeit zu pflegen (b), sich gegenseitig zu vertreten (c) und bei der Praxisausübung die freie A...

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