Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Änderung von § 50d Abs. 9 S. 3 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG. Aufteilung der nichtselbstständigen Einkünfte eines in Großbritannien tätigen Piloten im Rahmen der Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG n.F.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Neuregelung von § 50d Abs. 9 S. 3 EStG durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 kommt Abs. 9 auch neben Abs. 8 in Betracht. Die rückwirkende Änderung des Konkurrenzverhältnisses mit Wirkung für alle offenen Fälle gem. § 52 Abs. 59a S. 9 EStG ist verfassungsgemäß. Ob bei Dispositionen zwischen der Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 11.1.2012 am 28.3.2012 und der ersten Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses am 12.12.2012 bzw. der ersten Beschlussfassung des Bundestages am 6.6.2013 bezüglich des Vertrauensschutzes etwas anderes gilt, konnte für die Streitjahre 2007 bis 2009 offen bleiben.
2. Da die Flüge eines im Inland ansässigen und für eine britische Fluggesellschaft tätigen Piloten –entsprechend der für beschränkt Steuerpflichtige geltenden nationalen Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG – außerhalb des Hoheitsbereichs Großbritanniens mit völliger Steuerfreistellung einerseits und diejenigen im Hoheitsbereich Großbritannien mit Besteuerung in Großbritannien andererseits verschiedene Lebenssachverhalte darstellen und damit das britische Steuerrecht bei der Bestimmung seiner beschränkten Steuerpflicht einheitliche Leistungen (Jahres- bzw. Monatsgehalt) aufteilt, ist es geboten, auch bei der Entscheidung der Frage, ob i. S. v. § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG n. F. eine ausländische Besteuerung stattfindet, die gleiche Betrachtungsweise anzuwenden. Diese Möglichkeit zur Aufteilung besteht nur, wenn die ausländische Steuerfreistellung systematisch dem deutschen § 49 EStG entspricht.
Normenkette
EStG § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 S. 3 Fassung: 2013-06-26, § 52 Abs. 59a S. 9, § 50d Abs. 8, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 19; AmtshilfeRLUmsG Art. 2; DBA Großbritannien 1964 Art. 11 Abs. 5, Art. 18 Abs. 3 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. a; GG Art. 20 Abs. 3
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Einkommensteuerbescheide für 2007 bis 2009, jeweils vom 07.10.2011 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2013, nicht zum Nachteil des Klägers von einfachem Gesetzesrecht abweichen.
Es wird weiter festgestellt, dass die vorgenannten Bescheide nicht deswegen rechtswidrig sind, weil die in § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG angeordnete Rückwirkung der Änderung von § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG verfassungswidrig ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil oder dem verfahrensabschließenden Beschluss vorbehalten.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
sowie beschlossen und verkündet:
Das weitere Verfahren wird ausgesetzt bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren 2 BvL 1/12 und 2 BvL 15/14.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten im Anschluss an die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11.01.2012 (I R 27/11) und vom 19.12.2013 (I B 109/13) um die Besteuerung der Einkünfte eines für eine englische Fluggesellschaft tätigen deutschen Piloten in den Streitjahren 2007 bis 2009.
I.1.a)
Der in Deutschland wohnhafte Kläger war aufgrund Arbeitsvertrags vom 19.10.2006 (FG-A Bl. 105-116) ab 01.12.2006 für die in B…, Vereinigtes Königreich (UK) ansässige C… Ltd. als Senior First Officer tätig. Das Jahresgehalt betrug 44.740 £ und war in gleichen monatlichen Raten am Monatsende zahlbar, nebst vereinbarten Zuschlägen. Während der Probezeit von drei Monaten konnte der Vertrag mit einer Kündigungsfrist von einem Monat gekündigt werden, danach beidseits mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten.
b)
Von Dezember 2006 bis Mai 2007 musste der Kläger noch sein Flugtraining absolvieren, um die erforderliche Typenberechtigung zu erhalten. Dieses Flugtraining fand überwiegend im UK in einem Flugsimulator statt. Danach war der Kläger auf Flügen im und außerhalb des UK eingesetzt.
2.
Der Kläger erhielt monatliche Gehaltsabrechnungen (für Januar 2007 bis April 2010 FG-A Bl. 117-157). Dabei wurde das Entgelt überwiegend einer „Tax”, also einer Art Lohnsteuer unterworfen. Lediglich eine bestimmte Zulage (Sector Pay NonTaxable) wurde als lohnsteuerfrei behandelt (im Einzelnen Bl. 166). Aufgrund des Steuerjahres des UK vom 06.04. bis 05.04. erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber jährliche Bescheinigungen auf den 05.04., sog. P60 End of Year Certificate, kurz „P60”, in denen das der Lohnsteuer unterworfene Einkommen und die einbehaltene Lohnsteuer ausgewiesen waren (FG-A Bl. 25-28), wobei die Beträge jeweils den in den monatlichen Gehaltsabrechnungen ausgewiesenen akkumulierten Beträgen (balances) des Monats März entsprachen:
|
Pay |
Tax deducted |
zum 05.04.2007 |
12.902,97 £ |
2.441,79 £ |
zum 05.04.2008 |
33.788,22 £ |
7.211,92 £ |
zum 05.04.2009 |
54.029,01 £ |
12.235,60 £ |
zum 05.04.2010 |
58.450,50 £ |
13.308,40 £ |
II.1.
Im UK besteht eine rechtliche Regelung oder zumindest eine gefestigte Rechtspraxis der dortigen Steuerbehörde D...