rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschluss von Gebäuden an das öffentliche Trinkwassernetz unterliegt ermäßigtem Steuersatz

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Begriff der „Lieferungen von Wasser” i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 34 der Anlage zum UStG ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen. Das Legen eines Hausanschlusses fällt somit unter den Begriff „Lieferungen von Wasser” im Sinne dieser Vorschrift, sodass auf diese Leistung der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. Dabei ist gleichgültig, von wem und an wen diese Lieferung von Wasser erfolgt.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.02.2018; Aktenzeichen XI R 17/17)

 

Tenor

Die Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 2012 vom 28.04.2014 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 01.12.2015 sowie des Änderungsbescheids für 2011 vom 26.02.2016 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2009 um 3.365 EUR, die Umsatzsteuer 2010 um 5.639 EUR, die Umsatzsteuer 2011 um 4.311 EUR und die Umsatzsteuer 2012 um 9.273 EUR geringer festgesetzt wird. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 07.02.1992 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Durchführung von Tiefbauarbeiten. Im Rahmen einer für die Zeiträume 2009-2012 stattgefundenen Betriebsprüfung wurde unter anderem festgestellt, dass ab dem Jahr 2009 unter sonstigen Einnahmen (7 %) Erlöse mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz erfasst worden waren. Hierbei handelte es sich um Umsätze aus Leistungen für die Herstellung von Trinkwasseranschlüssen. Wie sich aus im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten Unterlagen ergab, hatte die Klägerin die Trinkwasseranschlüsse als Verbindungen vom öffentlichen Trinkwassernetz zum jeweiligen Gebäudebereich errichtet. Für die Herstellung der Trinkwasseranschlüsse stellte sie den Auftraggebern Rechnungen unter Ausweis einer Umsatzsteuer von 7 %. Die Umsätze aus der Herstellung der Trinkwasseranschlüsse betrugen im Jahr 2009 33.371 EUR netto, im Jahr 2010 55.920 EUR netto, im Jahr 2011 42.752 EUR netto und im Jahr 2012 91.959 EUR netto. Der Beklagte vertrat mit der Betriebsprüfung die Auffassung, dass es sich insoweit um Leistungen zum vollen Steuersatz handele, da es sich bei der Klägerin um ein Bauunternehmen handele. Er rechnete die von der Klägerin angemeldeten Umsätze zu 7 % in zu 19 % steuerpflichtige Umsätze für 2009 von 30.006 EUR, für 2010 von 50.281 EUR, für 2011 von 38.441 EUR und für 2012 von 82.686 EUR um und unterwarf sie insoweit der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz.

Die Einsprüche der Klägerin gegen die dementsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide, zu deren Begründung sie sich darauf berief, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – wie auch des Bundesfinanzhofs – BFH – die Errichtung eines Trinkwasseranschlusses als „Lieferung von Wasser” nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UmsatzsteuergesetzUStG – i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterfalle, hatten keinen Erfolg. Der Beklagte bezog sich darauf, dass nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 07.04.2009 IV B 8 – S 7100/07/10024 – (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2009, 531) die Grundsätze der o.g. Rechtsprechung auf das Legen des Hausanschlusses durch ein Wasserversorgungsunternehmen beschränkt seien (hierauf Bezug nehmend auch 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass – UstAE –). Das bedeute, dass für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes die Hauswasseranschlussleistung und die Wasserbereitstellung durch ein und denselben Unternehmer erfolgen müssten. Hieran fehle es vorliegend.

Die Klägerin erstrebt im Klageverfahren weiter die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes und bezieht sich auf die Entscheidungen des EuGH vom 03.04.2008 C-442/05 (BStBl II 2009, 328), des BFH vom 08.10.2008 zu den Aktenzeichen V R 61/03 (BStBl II 2009, 321) sowie V R 27/06 (BStBl II 2009, 325). Es spiele keine Rolle, ob die entsprechenden Leistungen von einem Versorgungsunternehmen oder von einem sonstigen Unternehmen erbracht würden. Sowohl der EuGH als auch der BFH subsumierten das Legen eines Hausanschlusses unmittelbar unter dem Begriff „Lieferung von Wasser”. Auch der Bundesgerichtshof – BGH – habe in seiner Entscheidung vom 18.04.2012 VIII ZR 253/11 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR –) klargestellt, dass sowohl der EuGH als auch der BFH das Legen eines Hausanschlusses selbst als Lieferung von Wasser verstanden hätten, so dass es nicht darauf ankomme,...

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