Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird. Es kommt somit zu einer Nachversteuerung, der Steuerbescheid wird gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert (R E 13a.4 Abs. 1 ErbStR).

 
Wichtig

Schriftliche Anzeigepflicht

Für den Steuerpflichtigen besteht hier eine schriftliche Anzeigepflicht, die er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Lohnsummenpflicht vornehmen muss. Dies gilt auch dann, wenn der Vorgang zu keiner Besteuerung führt.

 
Praxis-Beispiel

Unterschreitung der Mindestlohnsumme

Großvater GV hat seinen Enkel EN zum Alleinerben eingesetzt. Der Großvater verstirbt am 15.12.2015. Im Nachlass befindet sich ein Einzelunternehmen, welches ein Verwaltungsvermögen von 15 % und einen Ertragswert von 10.000.000 EUR aufweist. Nach Ablauf der Lohnsummenfrist von 5 Jahren erreichen die jährlichen Lohnsummen 100 % der Ausgangslohnsumme.

Lösung

EN kann aufgrund der Höhe des Verwaltungsvermögens von 15 % nur den 85 %igen Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG in Anspruch nehmen.

Das Betriebsvermögen ist unter Berücksichtigung des Verschonungsabschlags (§ 13a Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 13b Abs. 4 ErbStG) zu errechnen.

 
Nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigtes Betriebsvermögen 10.000.000 EUR
./. 85 %iger Verschonungsabschlag ./. 8.500.000 EUR
Verbleibendes begünstigtes Betriebsvermögen 1.500.000 EUR

Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG kommt aufgrund der Höhe des verbleibenden begünstigten Betriebsvermögens nicht zur Anwendung (Einzelheiten zum Abzugsbetrag siehe Tz. 3).

Die Erbschaftsteuer für Enkel EN errechnet sich wie folgt:
Verbleibendes begünstigtes Betriebsvermögen 1.500.000 EUR
./. Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
./. Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ./. 200.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 1.289.700 EUR
Erbschaftsteuer EN (Steuersatz 19 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 245.043 EUR

Der Gesamtbetrag der jährlichen Lohnsummen in den 5 Jahren erreicht nur 100 % der Ausgangslohnsumme und liegt somit mit 300 % unter der Mindestlohnsumme von 400 %. Dies entspricht hier 3/4. Infolgedessen verringert sich der bisherige 85 %ige Verschonungsabschlag um 3/4 und beträgt nunmehr 21,25 % = 2.125.000 EUR (21,25 % von 10.000.000 EUR).

Damit sieht die Steuerberechnung für EN nunmehr wie folgt aus:
Nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigtes Betriebsvermögen 10.000.000 EUR
./. 21,25 %iger Verschonungsabschlag ./. 2.125.000 EUR
Verbleibendes begünstigtes Betriebsvermögen 7.875.000 EUR

Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG kommt aufgrund der Höhe des verbleibenden begünstigten Betriebsvermögens nicht zur Anwendung (Einzelheiten zum Abzugsbetrag siehe Tz. 3).

Die Erbschaftsteuer für Enkel EN errechnet sich nun wie folgt:
Verbleibendes begünstigtes Betriebsvermögen 7.875.000 EUR
./. Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
./. Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ./. 200.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 7.664.700 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 23 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 1.762.881 EUR

Die bisher gezahlte Schenkungsteuer i. H. v. 245.043 EUR ist mit der nunmehr zu zahlenden Erbschaftsteuer zu verrechnen. Infolgedessen ergibt sich für EN nochmals eine erbschaftsteuerliche Belastung i. H. v. 1.211.250 EUR (1.517.838 EUR ./. 1.762.881 EUR).

Ein Verstoß gegen die Lohnsummenregelung kann auch dann vorliegen, wenn der Erwerber den erworbenen Betrieb deshalb verpachtet, weil er nicht über die gesetzlich vorgeschriebene berufliche Qualifikation verfügt.[1]

 
Hinweis

Gründe für Verstoß

Ein Verstoß gegen Nachsteuerregelungen tritt also immer unabhängig davon ein, aus welchen Gründen der Erwerber gegen sie verstoßen hat.

Die gleichlautenden Ländererlasse v. 31.12.2021[2] sehen im Einzelfall eine abweichende Festsetzung oder einen Erlass aus sachlichen Gründen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Erwerb begünstigten Vermögens i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG insbesondere vor, soweit die tatsächliche Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen, in welche Lohnsummen aus dem Zeitraum v. 1.3.2020 – 30.6.2022 einbezogen wurden, die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten COVID-19-Pandemie unterschreitet und es allein deshalb zu einer Nachversteuerung kommt oder kommen würde.

 
Achtung

Anwendung auf die Rechtslage vor dem 1.7.2016

In den Fällen einer Steuerentstehung vor dem 1.7.2016 (§ 13a Absatz 1 Satz 5 ErbStG a. F.) gilt dies entsprechend.

Hierbei nimmt die Finanzverwaltung eine Kausalität zwischen Corona und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme aus folgenden Gründen an.

  1. Die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme wurde vom 1.3. bis 30.6.2022 unterschritten,
  2. für den Zeitraum vom 1.3.2020 bis 30.6.2022 wurde Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt und
  3. de...

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