Rz. 321
Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht
Natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG).
Einen Wohnsitz hat jemand gem. § 8 AO dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat jemand, wenn er sich hier nicht nur vorübergehend (zu beruflichen Zwecken längstens sechs Monate oder zu privaten Zwecken nicht mehr als zwölf Monate) aufhält (§ 9 AO).
Ein Grenzgänger (→ Tz 135), der sich regelmäßig nur zur Arbeit im Inland aufhält, hat keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, da er nur vorübergehend im Inland ist. Wohnt er aber unter der Woche in einer Unterkunft im Inland und fährt nur an den Wochenenden oder im Urlaub in sein Heimatland, hat er im Inland einen Wohnsitz und ist unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
Besteuerung von Personen ohne unbeschränkte Einkommensteuerpflicht
Für Personen, die nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Besteuerung der Einkünfte im Rahmen einer unbeschränkten Veranlagung in Betracht kommen. Dazu sind Angaben in der Anlage WA-ESt zu machen.
Rz. 322
[Zeitweise unbeschränkte Steuerpflicht, Anlage WA-ESt → Zeilen 4–7]
Natürliche Personen, die zeitweise unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind (z. B. wegen Wohnsitzverlegung vom/ins Ausland), werden für das ganze Kalenderjahr im Rahmen einer Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht veranlagt. Dabei sind alle Jahresfreibeträge und Pauschalen zu berücksichtigen und die Abzugsteuern anzurechnen. Bei der Berechnung des z. v. E. werden die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte i. S. d. § 49 EStG ermittelt und den unbeschränkt steuerpflichtigen Einkünften hinzugerechnet (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG).
Rz. 323
[Wegzug in ein niedrig besteuertes Gebiet, Anlage WA-ESt → Zeilen 8–9]
Eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, ihren Wohnsitz in ein Niedrigsteuergebiet im Ausland verlegt und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland hat, ist zehn Jahre lang erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 2 AStG). In solchen Fällen ist z. B. auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften § 17 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden (§ 6 Abs. 1 AStG).
Rz. 324
[Antrag auf unbeschränkte Einkommensteuerpflicht, Anlage WA-ESt → Zeilen 10–13]
Personen, die im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, können auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, wenn sie inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG haben und ihre Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (§ 1 Abs. 3 EStG).
Dies trifft z. B. auf Grenzpendler zu. Dabei sind aber die speziellen Grenzpendler-Regelungen in den jeweiligen DBA (insbesondere mit der Schweiz, Österreich und Frankreich) zu beachten.
Auch Personen mit inländischen Einkünften von weniger als 90 %, deren nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte (ausländische Einkünfte) unter dem Grundfreibetrag (2020: 9.408 EUR) liegen, können auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Der Betrag von 9.408 EUR wird nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat ggf. nur anteilig mit drei Vierteln, der Hälfte oder einem Viertel berücksichtigt (Ländergruppeneinteilung ab dem Jahr 2017: BMF, Schreiben v. 20.10.2016, IV C 8 – S 2285/07/10005:016, BStBl 2016 I S. 1183).
Die "Bescheinigung EU/EWR" (für Staatsangehörige der EU, Islands, Liechtensteins, Norwegens) bzw. "Bescheinigung außerhalb EU/EWR" (für Staatsangehörige anderer Länder) muss zum Nachweis der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte beigefügt werden.
Diese Personen können Vorsorgeaufwendungen (Sonderausgaben), außergewöhnliche Belastungen und Kinderfreibeträge steuerlich geltend machen, die bei beschränkter Steuerpflicht nicht abziehbar wären.
Rz. 325
[Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von Familienangehörigen in EU-/EWR-Staaten oder in der Schweiz, Anlage WA-ESt → Zeile 14]
Eine fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in EU-/EWR-Staaten kann bei Staatsangehörigen eines EU-/EWR-Staates, die selbst nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder die nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig gelten, angenommen werden (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Die unbeschränkt Steuerpflichtigen können dann im Rahmen der Veranlagung bestimmte familienbezogene Vergünstigungen geltend machen.
- Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten (Realsplitting, § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG; → Tz 420),
- Versorgungsleistungen ...