Leitsatz

Ein besonders lang andauernder, strukturell bedingter Leerstand einer Wohnimmobilie kann auch nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung dazu führen, dass die vom Steuerpflichtigen aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Es geht um eine Stadtvilla in der Stadt A in Thüringen, die 1928 von Ks Familie errichtet und bewohnt worden war. K war seit 1977 Mitglied einer Erbengemeinschaft und erwarb aufgrund einer Zwangsversteigerung auch die andere Hälfte dazu. Die Villa war von 1949 bis 1992 fremdvermietet und steht seit dieser Zeit leer. K beauftragte eine Wohnungsgesellschaft mit der Verwaltung und Vermietung des Objekts. Dennoch gelang es seitdem nicht, einen Mieter für das Objekt zu finden, da nach einer Auskunft der Verwaltungsgesellschaft keine Nachfrage für die Anmietung einer Wohnung in dieser Größe und dem daraus resultierenden Mietzins besteht – in der Stadt steht aktuell rund die Hälfte des Mietwohnraums leer – und zum anderen eine Vermietung aufgrund des baulichen Zustands des Objekts nicht möglich ist. Die Stadtvilla bedarf vielmehr nach dem jahrelangen Leerstand einer grundlegenden Sanierung, die aber unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Mietpreisniveaus als unwirtschaftlich eingeschätzt werden muss. K machte vor FA und FG vergeblich negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.7.2012, 10 K 41/12, Haufe-Index 3642387, EFG 2013, 625), den geltend gemachten Werbungskostenüberschuss nicht mehr zu berücksichtigen.

K verwirklicht aufgrund der Maßstäbe, wie sie in den Praxis-Hinweisen dargelegt sind, keinen Steuertatbestand. Dabei konnte der BFH offenlassen, ob K im Zeitraum des Leerstands hinreichend ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen entfaltet hat: K hat nämlich seine Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Verschulden verloren.

Die Stadtvilla war im Zeitraum von 1949 bis Mitte 1992 dauerhaft vermietet; seitdem steht sie leer. Eine Vermietung ist auf absehbare Zeit mangels entsprechender Mieternachfrage nicht zu erreichen, da in der Stadt rund die Hälfte des Mietwohnraums leer steht. Das (grundsätzlich vermietbare) Objekt müsste grundlegend saniert werden, um wieder als attraktiv zu gelten und sinnvoll am Markt platziert werden zu können. Eine solche Sanierung muss indes unter Berücksichtigung des gegenwärtig niedrigen Mietpreisniveaus, welches mittelbar aus dem Überangebot von Immobilien in der Stadt A resultiert, als unwirtschaftlich eingeschätzt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Marktgängigkeit der – dem Grunde nach betriebsbereiten – Stadtvilla unter wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen nicht herbeizuführen ist und ihre Vermietung aufgrund der offensichtlich vorhandenen strukturellen Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit objektiv nicht möglich sein wird. Diese Annahme wird durch die – nach Ablauf des Streitjahrs erteilte, jedoch als nachträgliches Beweisanzeichen zu berücksichtigende – Auskunft der Verwaltungsgesellschaft aus dem Jahr 2012 bestätigt.

 

Hinweis

Es handelt sich um den wohl ersten Fall zum strukturellen Leerstand. Eine Stadtvilla in Thüringen findet trotz Vermietungsbemühungen des Eigentümers keinen Mieter und steht seit 1992 leer. Kann K trotzdem noch im Jahr 2010 Werbungskosten als vorab entstandene Werbungskosten mit Blick auf eine beabsichtigte Vermietung abziehen?

1. Selbst wenn K vor 1992 bereits Einkünfte aus der Vermietung der Villa erzielt hatte, kann auch ein besonders lang andauernder Leerstand dazu führen, dass seine Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt. Davon kann im Einzelfall aber nur ausgegangen werden, wenn absehbar ist, dass das maßgebliche (dem Grunde nach betriebsbereite) Objekt entweder wegen fehlender – und unter zumutbaren Umständen auch nicht herbeizuführender – Marktgängigkeit oder aufgrund anderweitiger struktureller Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit nicht wieder vermietet werden kann (grundlegend BFH, Urteil vom 11.12.2012, IX R 14/12, BFH/NV 2013 467, BStBl II 2013, 279, m.w.N.).

2.Für die Feststellung des Bestehens oder der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden; im Rahmen der Gesamtbeurteilung sind überdies spätere Tatsachen und Ereignisse zu berücksichtigen. Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.7.2013 – IX R 48/12

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