Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 09.09.1964)

 

Tenor

Auf die Revision der beigeladenen Landesversicherungsanstalt Berlin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. September 1964 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) oder der Angestellten (AV) gehört.

Sie ist 1922 geboren und seit Juni 1955 als ungeprüfte Pflegerin im Altenheim Hottengrund der beigeladenen Stadt Berlin (Bezirksamt Spandau) tätig, und zwar seit August 1962 auf der damals neu eingerichteten Pflegestation für bettlägrige Heiminsassen. Sie bezieht ein Gehalt nach der Vergütungsgruppe IX des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT).

Sie war während ihrer Beschäftigung als Pflegerin zunächst in der AV versichert, wurde aber von der beklagten Krankenkasse auf Verlangen der beigeladenen Landesversicherungsanstalt (LVA) mit einem an den Arbeitgeber gerichteten und von diesem der Klägerin mitgeteilten Bescheid vom 5. September 1962 für die ArV in Anspruch genommen; die seit Anfang 1958 zur AV entrichteten Beiträge seien auf die ArV umzubuchen. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos: Sie verrichte überwiegend eine Pflegetätigkeit, die auch ungelernte Kräfte ausüben könnten (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Juli 1963).

Das Sozialgericht (SG) wies die Klage als unbegründet ab, nachdem es die ebenfalls in dem Altenheim tätige Krankenschwester S. und den Heimleiter K. als Zeugen vernommen hatte: Die Tätigkeit der Klägerin unterscheide sich erheblich von der einer geprüften Krankenschwester; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei sie etwa zu 60 % rein körperlicher und nur etwa zu 40 % pflegerischer Art. (Urteil vom 16. Januar 1964).

Auf die Berufung der Klägerin hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten auf und stellte fest, daß die Klägerin auch über das Jahr 1957 hinaus in der AV versicherungspflichtig sei: In Berlin würden seit 1924 Pflegepersonen in Altersheimen wegen ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit tarifrechtlich als Angestellte angesehen, in den beteiligten Berufskreisen habe sich deshalb eine entsprechende Verkehrsanschauung gebildet, von der auch das Sozialversicherungsrecht ausgehen müsse. Nicht entscheidend sei demgegenüber das zeitliche Verhältnis zwischen den körperlichen und den pflegerischen Arbeiten der Klägerin. Ihre Gesamttätigkeit, zu der keine groben Reinigungsarbeiten gehörten, sei darauf gerichtet, alte und hilflose Personen zu betreuen, und werde durch diesen Zweck geprägt. Die Heiminsassen seien durchschnittlich 80 Jahre alt. In der Pflegestation, in der die Klägerin arbeite – bei Tagdienst zusammen mit einer geprüften Krankenschwester, bei Spät- oder Nachtdienst praktisch allein –, befänden sich zudem noch besonders hilflose und pflegebedürftige Personen (Urteil vom 9. September 1964).

Die beigeladene LVA rügt mit der zugelassenen Revision, das LSG habe für die Frage der Versicherungszugehörigkeit der Klägerin zu Unrecht als entscheidend angesehen, daß in Berlin ungeprüfte Pflegerinnen seit Jahrzehnten tariflich als Angestellte eingestuft seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf die sich das LSG insoweit berufen habe, seien jedoch Abweichungen zwischen der tariflichen und der versicherungsrechtlichen Beurteilung möglich; das gleiche gelte für den BAT. Im übrigen habe sich selbst für die arbeitsrechtliche Stellung von ungeprüften Pflegerinnen in Altersheimen noch keine feste Verkehrsanschauung gebildet. Entgegen der Ansicht des LSG komme es daher entscheidend auf die Merkmale der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit an. Nach den Aussagen der vom SG gehörten Zeugen habe sie neben einigen einfacheren Pflegearbeiten im wesentlichen Handreichungen zu leisten, die Betten herzurichten, die Zimmer aufzuräumen, Speisen auszuteilen usw. Diese Tätigkeiten würden auch dadurch nicht zu pflegerischen, daß ihnen, wie das LSG meine, der Dienst an alten und hilflosen Menschen das Gepräge gebe. Die eigentliche pflegerische Betreuung liege in den Händen der Vollschwester, die Klägerin sei in der Hauptsache deren manuell tätige Hilfskraft; anders als diese dürfe sie auch keine Spritzen geben; von subkutanen Einspritzungen von Insulin etc. abgesehen. Sie trage deshalb bei weitem nicht die Verantwortung einer geprüften Krankenschwester. Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des LSG Berlin vom 9. September 1964 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Berlin vom 16. Januar 1964 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der beigeladenen LVA zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Ihre Gesamttätigkeit stehe der einer Krankenschwester „fast gleich”, lediglich bestimmte Spritzen dürfe sie nicht verabreichen. Als angelernte Pflegekraft mit langjähriger Berufserfahrung vertrete sie bei fast allen Tätigkeiten die Krankenschwester; zeitweilig, besonders nachts, sei sie sogar voll für das Wohl der Patienten verantwortlich. Ihr Platz sei nicht etwa „in der Mitte” zwischen den Krankenschwestern und den Putzfrauen, von letzteren sei sie vielmehr durch eine unübersehbare Kluft getrennt. Seit der Novelle zum Krankenpflegegesetz vom Jahre 1965 sei sie als Krankenpflegehelferin i. S. des § 14 a des Krankenpflegegesetz es nF anzusehen.

Die beklagte Krankenkasse hat keine Anträge gestellt.

Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hält das Urteil des LSG ebenfalls für unrichtig; Die Zugehörigkeit der Klägerin zur AV lasse sich nicht mit einer – noch dazu regional begrenzten – Tarifpraxis begründen. Nach der Art. ihrer Tätigkeit gehöre die Klägerin nicht zu den Angestellten in Berufen der Fürsorge, Kranken- und Wohlfahrtspflege. Dazu seien nur solche Personen zu rechnen, deren Aufgaben nicht, wie die einer Altenpflegerin, jederzeit durch ungelernte Arbeitskräfte (Hausgehilfinnen usw.) übernommen werden könnten. In der Krankenpflege sei die Klägerin nicht tätig, weil sie nicht überwiegend kranke und, deshalb pflegebedürftige Personen krankenpflegerisch betreue.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der beigeladenen LVA ist zulässig (§ 75 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). Sie ist auch begründet. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Zugehörigkeit der Klägerin zur AV für die streitige Zeit, d. h. seit 1. Januar 1958, zu bejahen.

Weder das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) noch die – weiter anzuwendende (BSG 21, 176, 179 u.) – Bestimmung von Berufsgruppen der AV vom 8. März 1924 in der Fassung der Verordnungen vom 4. Februar und 15. Juli 1927 (RGBl 1924 I 274, 410; 1927 I 58, 222) weisen die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit einer Altenpflegerin ausdrücklich den Angestelltenberufen und damit der AV zu. Nach § 3 AVG gehören zwar zu den Angestellten ua auch „Angestellte in Belaufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Kranken- und Wohlfahrtspflege” (Nr. 6). Offen bleibt dabei jedoch, ob unter die hier genannten Berufe die Tätigkeit einer Pflegerin in einem Altersheim oder Pflegeheim fällt. Diese Tätigkeit ist auch in dem Berufsgruppenverzeichnis der AV nicht namentlich aufgeführt; genannt sind in dessen Abschnitt C (Angestellte in Berufen der Erziehung und Wohlfahrt) ua nur Wohlfahrtspfleger, Fürsorger, Sozialbeamtinnen, Kranken-, Fürsorge- und Wirtschaftsschwestern sowie Pfleger in Krankenanstalten. Der Umstand, daß weder hier noch in § 3 AVG Pflegerinnen in Alters- oder Pflegeheimen erwähnt worden, schließt indessen ihre Zuordnung zur AV nicht aus, weil die genannten Bestimmungen nur eine beispielhafte („insbesondere”), nicht erschöpfende Aufzählung von Angestelltenberufen und -tätigkeiten enthalten (BSG 21, 178). Auch darin nicht erwähnte Personen können deshalb zu den Angestellten gehören, sofern die jeweils herrschende Verkehrsanschauung sie zu ihnen rechnet oder, wenn insoweit keine feste Verkehrsanschauung besteht, ihre Berufstätigkeit überwiegend nicht rein körperlicher, manueller Art. ist (vgl. Urteil des Senats vom 30. Mai 1967 betr. Berliner Schwimmeister, SozR AVG § 3 Nr. 12). Das LSG hat hiernach mit Recht geprüft, ob die Tätigkeit der Klägerin nach der Verkehrsanschauung als Angestelltentätigkeit anzusehen ist. Zu Unrecht hat es dabei jedoch einer auf Grund zahlreicher Regelungen festgestellten Berliner Tarifpraxis, nach der dort seit 1924 Pflegerinnen in Altersheimen arbeitsrechtlich als Angestellte behandelt werden, entscheidendes Gewicht beigemessen.

Eine langjährige Tarifpraxis mag zwar für die Frage, ob im Verkehr, d. h. nach Ansicht der beteiligten Berufskreis, und der interessierten Öffentlichkeit, bestimmte Arbeitnehmer als Angestellte gelten, von erheblicher, möglicherweise sogar ausschlaggebender Bedeutung sein. Da der versicherungsrechtliche Begriff des Angestellten aber dem Bundesrecht (§§ 2, 3 AVG) angehört, seine Auslegung und Anwendung deshalb für das ganze Bundesgebiet einheitlich sein muß, genügt der Hinweis des LSG auf die regionale Berliner Tarifpraxis und die ihr entnommene Verkehrsanschauung nicht, um die Einbeziehung der Klägerin in die AV zu rechtfertigen (vgl. das schon genannte Urteil des Senats vom 30. Mai 1967).

Allerdings hat das LSG neben der Berliner Tarifpraxis auch auf den BAT vom 13. Februar 1961 (GMBl S. 138) und die ihm als Anlage 1 a beigefügte allgemeine Vergütungsordnung verwiesen, nach deren. Gruppe IX die Klägerin entlohnt wird. Auch damit läßt sich jedoch das Bestehen einer festen Verkehrsanschauung für die Tätigkeit einer Altenpflegerin nicht ausreichend begründen.

In der allgemeinen Vergütungsordnung des BAT ist die genannte Tätigkeit nicht aufgeführt; erwähnt sind dort lediglich fürsorgerische Hilfskräfte auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege einschließlich des öffentlichen Gesundheitsdienstes ohne staatliche Abschlußprüfung, mit oder ohne theoretische oder praktische Fachausbildung (vgl. jetzt Nr. 20 der Vergütungsgruppe VIII und Nr. 15 der Gruppe IX b in der Fassung des Tarifvertrags vom 25. März 1966, GMBl S. 234). Die besondere Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst (Anlage 1 b zum BAT) kennt in der geltenden Fassung ua Pflegerinnen ohne oder mit mindestens einjähriger Ausbildung und verwaltungseigener Abschlußprüfung sowie Krankenpflegehelferinnen (Vergütungsgruppen Kr. I und II in der Fassung des Tarifvertrags vom 15. Februar 1967). Diese Pflegerinnen können entweder in Anstalten und Heimen tätig sein, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen (hierzu rechnen Alters- und Pflegeheime mit überwiegend krankenpflegebedürftigen Insassen), oder in Einrichtungen, die ua der Fürsorge und Betreuung von obdachlosen, alten, gebrechlichen, erwerbsbeschränkten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen dienen (vgl. die Sonderregelungen 2 a und 2 b zum BAT).

Wenn in der Anlage 1 b zum BAT Pflegehelferinnen und. Krankenpflegehelferinnen in Alters- und Pflegeheimen ausdrücklich erwähnt werden – zu ihnen könnte auch die Klägerin trotz ihrer bisherigen Bezahlung nach der Vergütungsgruppe IX gehören –, so bedeutet dies indessen noch nicht, daß auf sie auch der BAT anzuwenden ist. Dieser gilt vielmehr nach § 1 Abs. 1 grundsätzlich nur für Arbeitnehmer, „die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte)”. Die arbeitsrechtliche Einordnung der Arbeitnehmer folgt also in der Regel ihrer versicherungsrechtlichen, nicht umgekehrt.

Mittelbar könnte allerdings der Umstand, daß eine Tätigkeit in der allgemeinen oder in der besonderen Vergütungsordnung des BAT aufgeführt ist, zunächst als ein Indiz dafür gewertet werden, daß die Tarifpartner die betreffende Tätigkeit im versicherungsrechtlichen Sinne als Angestelltentätigkeit angesehen und sie deshalb in die Vergütungsordnung aufgenommen haben.

Demgegenüber hat jedoch schon das LSG darauf hingewiesen, daß nach § 1 Abs. 2 BAT auch Arbeitnehmer, deren Tätigkeit der ArV unterliegt, auf Grund einer besonderen arbeitsverträglichen Vereinbarung als Angestellte beschäftigt werden können, „wenn ihre Tätigkeit in der Vergütungsordnung (Anlagen 1 a und 1 b) aufgeführt ist”. Die Aufnahme einer Tätigkeit oder eines Berufes in eine der Vergütungsordnungen des BAT läßt somit die Frage offen, ob dies deswegen geschehen ist, weil die betreffenden Arbeitnehmer nach Ansicht der Tarifpartner „der Rentenversicherung der Angestellten unterliegen” und deshalb ohne weiteres von den Normen des BAT erfaßt werden (§ 1 Abs. 1), oder ob die Tarifpartner damit den Parteien des Arbeitsvertrages die Möglichkeit haben geben wollen, bestimmte der ArV unterliegende Arbeitnehmer durch eine konstitutive Vereinbarung dem BAT zu unterstellen und als Angestellte zu beschäftigen (§ 1 Abs. 2). Soweit es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die in der allgemeinen Vergütungsordnung aufgeführt sind, scheinen die Tarifpartner allerdings seit kurzem die unter § 1 Abs. 2 BAT fallenden Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Hinweis zu kennzeichnen (vgl. jetzt zB die Hinweise in den Vergütungsgruppen IX b und X der allgemeinen Vergütungsordnung). In der besonderen Vergütungsordnung für das Pflegepersonal ist dies bisher jedoch nicht geschehen, obwohl auch die darin aufgeführten Personen, wie der Klammerhinweis auf die Anlage 1 b in § 1 Abs. 2 BAT zeigt, unter diese Bestimmung fallen, versicherungsrechtlich also der ArV unterliegen können. Für die in der besonderen Vergütungsordnung für das Pflegepersonal aufgeführten Tätigkeiten bleibt also nach wie vor offen, ob die Tarifpartner sie der AV oder der ArV zurechnen. Insoweit hat deshalb die Erwähnung einer Tätigkeit im BAT kaum den Wert eines Indizes. Jedenfalls wäre die Indizwirkung nicht so stark, daß schon deswegen eine feste Verkehrsanschauung im Sinne der von der Klägerin beanspruchten und vom LSG anerkannten Angestellteneigenschaft angenommen werden könnte.

Entgegen der Ansicht des LSG kommt es hiernach entscheidend auf die Art. der von der Klägerin seit 1958 ausgeübten Tätigkeit an. Insoweit hat das LSG keine näheren Pest Stellungen getroffen; es hat vielmehr im wesentlichen nur ausgeführt, die Gesamttätigkeit der Klägerin werde durch den Dienst an alten und hilfsbedürftigen Menschen geprägt. Damit könnte indessen ihre Versicherungspflicht in der AV nur begründet werden, wenn jede Art pflegerischer Tätigkeit – ohne Rücksicht darauf, ob bei ihr einfache oder gehobene Arbeiten überwiegen, was insbesondere für die Tätigkeit der Klägerin bis zu ihrer Versetzung in die Pflegestation im August 1962 zweifelhaft sein kann – der AV zuzurechnen wäre Eine solche Auffassung findet jedoch weder im Gesetz noch in der einschlägigen Rechtsprechung eine ausreichende Stütze.

Wie schon das Reichsversicherungsamt (RVA) für das Gebiet der Krankenpflege entschieden hat, sind die in einer Krankenanstalt tätigen Pfleger und Pflegerinnen nur dann in der AV versichert, wenn sie eine gehobene Tätigkeit ausüben, d. h. in der Hauptsache mit der persönlichen Wartung und Betreuung der Kranken, der eigentlichen Krankenpflege, beschäftigt sind, also etwa die Stationsleiterin in der Krankenpflege unterstützen, Fieber messen, Puls zählen; Arzneien und Spritzen nach Anweisung verabreichen usw.; für eine solche Tätigkeit werde in der Regel auch die Ablegung einer Prüfung verlangt. Nicht in die AV gehörten dagegen ungeprüfte Personen, deren Haupttätigkeit sich auf Arbeiten untergeordneter Bedeutung, wie das Aufräumen und Reinigen der Zimmer, die Austeilung von Speisen, die Überführung der Kranken, Handreichungen und dergleichen beschränke und die in der Regel als „Wärter” und „Wärterinnen” bezeichnet würden (GE 2983, AN 1926, 385; GE 3039, AN 1927, 264). Von derselben Auffassung ist auch der Senat ausgegangen, wenn er die Tätigkeit eines staatlich geprüften Masseurs, der in einer Krankenanstalt auf Grund ärztlicher Anordnung Massagen ausführt, mit der weit weniger verantwortungsvollen Tätigkeit eines „invalidenversicherungspflichtigen Krankenwärters” verglichen hat, dessen Arbeit sich im wesentlichen auf mechanische Hilfeleistungen beschränke (BSG 10, 82, 85; 21, 171, 184). Eine andere Frage ist allerdings, ob gewisse Tätigkeiten, die das RVA noch zu den untergeordneten gerechnet hat (in der GE 3039 anscheinend auch das Umbetten), bei richtiger Würdigung nicht doch eher zum gehobenen Bereich der eigentlichen Krankenpflege zu zählen sind (vgl. zu den typischen Pflegeverrichtungen einer Lernschwester BSG 21, 247, 249). Im Grundsatz ist jedenfalls für alle Pflegetätigkeiten an der Unterscheidung zwischen gehobenen und damit von der AV erfaßten und untergeordneten und deshalb zur ArV gehörenden Tätigkeiten festzuhalten.

Als Anhaltspunkt für die Einordnung einer Tätigkeit in die eine oder die andere Gruppe kann dabei dienen, ob die Tätigkeit, wenn sie unter einer bestimmten Berufsbezeichnung ausgeübt werden soll, eine Ausbildung und die Ablegung einer Prüfung voraussetzt. Einen Zusammenhang zwischen der Qualifikation einer Tätigkeit und ihren Ausbildungs- und Prüfungserfordernissen hat schon das RVA in den genannten Entscheidungen und auch der Senat in seinem Masseur-Urteil angenommen; er ergibt sich aus der Natur der Sache.

Was nun das Gebiet der Krankenpflege betrifft, so hat sich hier die Rechtslage dadurch wesentlich geändert, daß die im Jahre 1965 erlassene Novelle zum Krankenpflegegesetz die Ausübung der Krankenpflegehilfe unter der Berufsbezeichnung „Krankenpflegehelferin” von einer Erlaubnis abhängig gemacht und diese wiederum an die Teilnahme an einem einjährigen Lehrgang und die Ablegung einer staatlichen Prüfung geknüpft hat (vgl. §§ 14 a ff des Krankenpflegegesetzes in der Fassung vom 20. September 1965, BGBl I 1443). Mit der Schaffung des neuen Berufs der Krankenpflegehelferin hat man einerseits Frauen, die für die Ausbildung als Krankenschwester nicht oder wegen ihres Alters nicht mehr in Betracht kommen, für die Krankenpflege gewinnen wollen, um auf diese Weise die Personalnot der Krankenhäuser zu beheben und die Krankenschwestern zu entlasten (auch deren Ausbildung ist durch die Novelle zum Krankenpflegegesetz neu geregelt worden, der Krankenpflegelehrgang dauert jetzt nicht mehr 2, sondern 3 Jahre) andererseits hat man mit der Einführung bestimmter Ausbildungserfordernisse für die Krankenpflegehelferin einer ungeregelten Heranziehung von ungelernten Kräften zur stationären Krankenpflege entgegenwirken wollen (vgl. BT-Drucksache IV/2550, Begründung zum allgemeinen Teil der Novelle zum Krankenpflegegesetz; Eichholz, Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft für den Pflegedienst im Krankenhaus, Das Krankenhaus 1963, 291, 292, sowie die Richtlinien der Deutschen Krankenhausgesellschaft für den Beruf und die Ausbildung der Pflegehelferin, ebenda S. 298 f).

Welche Tätigkeiten die Krankenpflegehelferin im einzelnen zu verrichten hat, ergibt sich aus ihrem von der Deutschen Krankenhausgesellschaft aufgestellten Berufsbild (Das Krankenhaus 1963, 299). Danach, vor allem aber mit Rücksicht auf die Einbeziehung in das Krankenpflegegesetz und die darin erfolgte Regelung des Ausbildungsganges ist die Tätigkeit der Krankenpflegehelferin – ebenso wie die der Krankenschwester – dem gehobenen Pflegedienst und damit der AV zuzurechnen. Zwar steht die Krankenpflegehelferin einer Krankenschwester („Vollschwester”) nicht gleich; sie steht ihr jedoch nach ihrer Ausbildung und ihrer Funktion im Krankenhaus so nahe, daß es nicht gerechtfertigt ist, ihre Versicherungszugehörigkeit anders als die der Krankenschwester zu beurteilen, zumal in der Praxis beide Gruppen, je nach Personallage, häufig mit im wesentlichen gleichen Arbeiten betraut zu werden pflegen (wie hier Reineke, Die Ersatzkasse 1965, 246, 247 f; SG Dortmund, Das Krankenhaus 1966, 470; anders noch die vor Erlaß der Novelle zum Krankenpflegegesetz ergangenen Bescheide des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger vom 19. Mai und 18. September 1964, abgedruckt bei Braun/Bäumler, Die Versicherungspflicht, Stichwort; Pflegehelferinnen, sowie WzS 1965, 146, und Mitteilungen der LVA Württemberg 1964, 236; dagegen jedoch die Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 25. Juni 1964, Das Krankenhaus 1964, 393).

Sollte die Klägerin hiernach als Krankenpflegehelferin anzusehen sein – dies könnte der Fall sein, obwohl sie nicht an einem Ausbildungslehrgang teilgenommen und keine Prüfung abgelegt hat (vgl. die Übergangsvorschriften in § 17 Abs. 2 und 3 des neuen Krankenpflegegesetzes) –, so müßte sie der AV zugeordnet werden. Das gleiche würde gelten, wenn sie zwar nicht die Berufsbezeichnung Krankenpflegerin führen dürfte, tatsächlich aber dieselben Arbeiten wie eine solche zu verrichten hätte. Sollte ihre Tätigkeit dagegen nicht die Merkmale des Berufsbildes der Krankenpflegehelferin erfüllen, so wäre sie grundsätzlich in der ArV versicherungspflichtig. Das könnte insbesondere für die Zeit vor ihrer Verwendung auf der Pflegestation des Altenheims zutreffen, sofern sie nicht schon damals überwiegend kranke und pflegebedürftige Heiminsassen versorgt hat. Die Betreuung gesunder alter Personen wird dagegen nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Tätigkeit mit besonderer Verantwortung oder mit Aufsichtsbefugnissen verbunden ist, der AV unterliegen (ähnlich Reineke, aaO S. 249).

Da die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichen, um die Versicherungszugehörigkeit der Klägerin unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze zu beurteilen, hat der Senat das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an die Vorinstanz zurückverwiesen.

 

Unterschriften

Dr. Krebs, Schroeder-Printzen, Spielmeyer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI927519

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