Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Urteilsinhalt. Berücksichtigung von Ausführungen der Verfahrensbeteiligten

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus dem Vorbringen, dass die Vorinstanzen Teile des Beteiligtenvortrages unberücksichtigt gelassen hätten, kann nicht schon ohne Weiteres auf eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs und einen Verstoß gegen die Gewährleistung eines fairen Verfahrens geschlossen werden. Denn aus der Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, ergibt sich nicht, dass es sich in seiner schriftlich abgesetzten Entscheidung mit jeglichem Beteiligtenvorbringen ausdrücklich befassen muss (st.Rspr.; vgl BSGE 75, 92, 94).

 

Normenkette

SGG §§ 62, 128 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Beschluss vom 21.11.2001; Aktenzeichen L 3 KA 45/01)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. November 2001 wird verworfen.

Die Kläger haben der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darum, ob die beklagte Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) in den Quartalen III und IV/1996 sachlich-rechnerische Berichtigungen zum Nachteil der klagenden, als Fachärzte für Orthopädie niedergelassenen Vertragsärzte vornehmen durfte. Die Beklagte setzte insoweit in 312 bzw 279 Fällen jeweils einmal die von den Klägern für die Sonographie von Säuglingshüften doppelt abgerechnete, mit 200 Punkten bewertete Nr 384 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä – „sonographische Untersuchung von Organen oder Organteilen ≪die nicht Bestandteil der Leistungen nach den Nrn 375, 376, 377, 378, 381 oder 389 sind≫ mittels Real-Time-Verfahren ≪B-Mode≫, einschließlich Bilddokumentation, je Sitzung”) ab. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem die Berufung zurückweisenden Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeführt, die Gebühren-Nr sei nach ihrem klaren Wortlaut nur einmal je Sitzung abrechenbar. Der Bewertungsausschuss habe bei der Neubewertung der streitigen Leistungen zum 1. Juli 1996 sein Gestaltungsermessen nicht willkürlich ausgeübt. Für die streitigen Quartalen komme zudem noch ein erweiterter Gestaltungsspielraum unter dem Gesichtspunkt der Erprobung zum Tragen. Dass der Gebührentatbestand in der Beilage zum Deutschen Ärzteblatt nur unvollständig wieder gegeben worden sei (ohne die Worte „je Sitzung”), ergebe nichts anderes, weil auch daraus noch die nur einmalige Abrechnungsmöglichkeit hinreichend deutlich werde; eine Beeinflussung des Leistungsverhaltens der Kläger sei nicht erkennbar. Wegen des von ihnen ohnehin zu 95% ausgeschöpften Sonographie-Teilbudgets sei ihr Honorar zudem nur um ca 1 Promille gemindert worden.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss rügen die Kläger einen Verfahrensmangel und berufen sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 3 Satz 2 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung von Revisionsgründen nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG.

Die Kläger haben in der Beschwerdeschrift einen Mangel des Verfahrens (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet. Daraus, dass – wie geltend gemacht wird – die Vorinstanzen Teile ihres Vortrages unberücksichtigt gelassen hätten, kann nicht schon ohne weiteres auf eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs und einen Verstoß gegen die Gewährleistung eines fairen Verfahrens geschlossen werden. Denn aus der Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, ergibt sich nicht, dass es sich in seiner schriftlich abgesetzten Entscheidung mit jeglichem Beteiligtenvorbringen ausdrücklich befassen muss (vgl BSGE 75, 92, 94 mwN = SozR 3-4100 § 141b Nr 10; Danckwerts in Hennig, SGG, § 62 RdNr 18 mwN). Die Kläger legen insoweit weder dar, welche konkreten zentralen rechtserheblichen Punkte ihres Vorbringens vom LSG nicht erörtert worden sind, noch gehen sie darauf ein, dass die beanstandete Entscheidung auf der vermeintlichen Nichtberücksichtigung solchen Vortrags beruhen kann. Werden mit der Nichtzulassungsbeschwerde keine absoluten Revisionsgründe (§ 202 SGG iVm § 551 Zivilprozessordnung) geltend gemacht (bei denen die Ursächlichkeit zwischen Gesetzesverletzung und Entscheidungstenor unwiderleglich vermutet wird), muss auch darauf eingegangen werden, zu welcher abweichenden Entscheidung das ordnungsgemäße Vorgehen des Gerichts geführt hätte (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, Kap IX RdNr 204 und 218 mwN).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist von den Klägern ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage in eigener Formulierung klar bezeichnen sowie darlegen, inwiefern diese Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Weder wird darin (bzw in dem in Bezug genommenen Vorbringen aus erster und zweiter Instanz) unter erkennbarer Herstellung einer Verbindung zu den vorstehend aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen eine Rechtsfrage ausdrücklich formuliert, noch lässt sich eine solche Rechtsfrage daraus mittelbar zweifelsfrei entnehmen. Stattdessen werden in der Art einer Kommentierung des LSG-Beschlusses lediglich den Ausführungen des Berufungsgerichts entgegenstehende Rechtsmeinungen zur Verletzung des Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums des Bewertungsausschusses, zum Vorliegen eines Eingriffs in Rechte der Kläger und der Gruppe der sonographisch tätigen Ärzte sowie zur „weitgehend” willkürlichen Festlegung der zeitlichen Grenze für die Höhe der Honorierung vorgetragen. Die zusammenfassenden Ausführungen der Kläger am Ende der Beschwerdeschrift, das LSG habe „die Unterschiede zwischen den dort [gemeint: in dessen Beschluss] zitierten und vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen gegenüber dem vorliegenden Rechtsstreit nicht zutreffend gewürdigt”, verkennen insgesamt die Funktion einer Nichtzulassungsbeschwerde; denn die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils kann im Verfahren nach § 160a SGG nicht allgemein zur Überprüfung gestellt werden, sondern nur das Vorliegen der gesetzlichen Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1 bis Nr 3 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG (in der bis zum 31. Dezember 2001 in Kraft gewesenen Fassung).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176680

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