Verfahrensgang

LG Potsdam (Aktenzeichen 4 O 7/20)

 

Tenor

1. Der Kläger wird in Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 18. September 2020 darauf hingewiesen, dass der Senat die Klage jedenfalls aus den nachfolgenden Erwägungen einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Weder Beantragung noch Erlass der den Kläger selbst betreffenden Durchsuchungsanordnung waren amtspflichtwidrig.

Zwar stellt eine Durchsuchung regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und in die grundrechtlich geschützte Unverletzlichkeit seiner Wohnung dar. Ihre Anordnung und Durchführung muss daher besonders einer Prüfung insbesondere ihrer Verhältnismäßigkeit standhalten (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 BvR 2099/04 -, BVerfGE 115, 166 = NJW 2006, 976; Kammerbeschluss vom 29. Juli 2020 - 2 BvR 1188/18 -, Rdnr. 44 bei juris).

Im Amtshaftungsprozess kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft - bzw. hier: der Finanzbehörde (§ 399 Abs. 1 AO) - über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ebenso wie Anordnungen, worauf die Nachforschungen im Einzelnen zu erstrecken sind, nicht auf ihre "Richtigkeit" überprüft werden, sondern allein darauf, ob sie vertretbar sind. Denn im strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren ist die Möglichkeit mehrerer vertretbarer Entscheidungen anerkannt. Die Vertretbarkeit darf dabei nur dann verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich ist. Dasselbe gilt, wenn im Amtshaftungsprozess zu prüfen ist, ob die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl oder eine Durchsuchungsanordnung beantragen und vollziehen durfte. Die Beantragung eines Haftbefehls kann sich als unvertretbar erweisen, wenn die Staatsanwaltschaft dem Haftrichter die Ermittlungsergebnisse nicht vollständig vorlegt, sodass diesem für die Prüfung des dringenden Tatverdachts wesentliche Informationen fehlen. Ob das vorgelegte und zusammengestellte Aktenmaterial diesen Anforderungen gerecht wird, unterliegt im Amtshaftungsprozess der unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Das vorgelegte Aktenmaterial muss jedenfalls so beschaffen sein, dass der Haftrichter sich ein vollständiges Bild über das Ermittlungsergebnis zu der Straftat, zum Tatverdacht gegen den Beschuldigten und über das Vorliegen eines Haftgrundes machen kann (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 - III ZR 387/14 -, BGHZ 213, 200 = NJW 2017, 1322; Urteil vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03 - NJW 2003, 3693; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 21. März 2019 - 4 U 118/17 -, NJW-RR 2019, 1112, Rdnr. 49 f). Für die Durchsuchungsanordnung nach §§ 102 f StPO kann nichts anderes gelten (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92 -, NJW 1994, 3162 = MDR 1994, 1190, Rdnr. 13 bei juris).

Das Landgericht, das seiner hier angegriffenen Entscheidung diese Maßstäbe zugrunde gelegt hat, hat zutreffend die Unvertretbarkeit der Beantragung und des Erlasses der den Kläger betreffenden Durchsuchungsanordnung verneint. Nach § 102 StPO kann bei demjenigen, welcher als Täter einer Straftat verdächtig ist, eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. "Verdächtiger" in diesem Sinne ist diejenige Person, von der aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte oder kriminalistischer Erfahrungen angenommen werden kann, dass sie als Täter oder Teilnehmer einer Straftat in Betracht kommt. Als Verdachtsgrad genügt bereits ein Anfangsverdacht. Ausreichend ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Straftat bereits begangen oder versucht und nicht nur vorbereitet worden ist. Es genügt zudem die allgemeine Aussicht, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden. Der Tatverdacht darf allerdings nicht ganz vage sein; auch bloße Vermutungen genügen nicht. Es muss mindestens im Bereich des Möglichen liegen, dass der Verdächtige durch das ihm vorgeworfene Verhalten eine Straftat begangen hat (Hegmann, in: Beck'scher Online-Kommerntar zur StPO, 37. Edition mit Stand 1. Juli 2020, § 102 StPO Rdnr. 1).

Ein Anfangsverdacht in diesem Sinne war hier gegeben. Der Kläger war im März 2019 der mehrfachen Steuerhinterziehung verdächtig, einer Straftat nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Danach ist strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Steuern sind nach Absatz 4 Satz 1 der Vorschrift namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Tathandlung ist ein pflichtwidriges Unterlassen in Bezug auf Angaben zu steuerlich erheb...

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