Gesetzestext

 

1Werden die Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern bei verschiedenen Insolvenzgerichten geführt, sind die Gerichte zur Zusammenarbeit und insbesondere zum Austausch der Informationen verpflichtet, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können. 2Dies gilt insbesondere für:

1. die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen,
2. die Eröffnung des Verfahrens,
3. die Bestellung eines Insolvenzverwalters,
4. wesentliche verfahrensleitende Entscheidungen,
5. den Umfang der Insolvenzmasse und
6. die Vorlage von Insolvenzplänen sowie sonstige Maßnahmen zur Beendigung des Insolvenzverfahrens.

1. Normzweck

 

Rn 1

Eine enge Zusammenarbeit der jeweils zuständigen Gerichte ist für ein Gelingen der Sanierung unerlässlich.[1] Schließlich haben die Entscheidungen der einzelnen Gerichte häufig eine über das einzelne Gruppenverfahren hinausgehende Tragweite. Für den Fall, dass kein einheitlicher Gruppengerichtsstand nach § 3a gebildet wurde, statuiert § 269b daher eine Pflicht zur Zusammenarbeit.

 

Rn 2

Vor der Schaffung des Konzerninsolvenzrechts im Jahr 2018 waren die Gerichte in nationalen Verfahren nicht ausdrücklich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Zum Teil wurde vertreten, dass eine Pflicht zur Zusammenarbeit aus den Zielbestimmungen des Insolvenzverfahrens abzuleiten sei.[2] Je nach Gericht und zuständigem Richter wurde aufgrund der unklaren Regelungen die Zusammenarbeit der Gerichte im Konzerninsolvenzverfahren mit unterschiedlicher Intensität, unter Umständen auch gar nicht, wahrgenommen.

 

Rn 3

Mit § 269b wird ausdrücklich klargestellt: Die Gerichte sind gehalten zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen. Die Zusammenarbeits- und Informationspflichten sollen in besonderem Maß bei den in Satz 2 genannten Punkten gelten.[3] Trotz der Verpflichtung zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Information soll allerdings die Selbstständigkeit der einzelnen Verfahren erhalten bleiben.[4]

[1] Flöther-Flöther, Handbuch Konzerninsolvenzrecht, § 1 Rn. 13.
[2] Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528 (553); DiskE 03.01.2013, S. 21.
[3] BT-Drs. 18/407, S. 33; Flöther-Frege/Nicht Handbuch Konzerninsolvenzrecht, § 4 Rn. 288.
[4] Kübler/Prütting/Bork-Thole, § 269b Rn. 1.

2. Anwendungsbereich

 

Rn 4

In funktionaler Hinsicht ist die Vorschrift sowohl auf Richter als auch auf Rechtspfleger anzuwenden.[5] Die Regelung findet über ihren Wortlaut hinaus auch Anwendung, wenn am selben Insolvenzgericht verschiedene Richter oder Rechtspfleger zuständig sind.[6]

 

Rn 5

§ 269b ist auch im vorläufigen Insolvenzverfahren anzuwenden. Schließlich setzt die Abstimmung über einen einheitlichen Verwalter und die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen regelmäßig schon eine Abstimmung im vorläufigen Insolvenzverfahren voraus.[7]

[5] Uhlenbruck/Brünkmans, § 269b, Rn. 9 m.w.N.
[6] DiskE v. 01.03.2013, S. 39.
[7] Vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/407, S. 33; Kübler/Prütting/Bork-Thole, § 269b Rn. 6.

3. Regelungsumfang

 

Rn 6

Die Vorschrift umfasst nicht nur die Zusammenarbeit im Sinne eines Informationsaustauschs, sondern vielmehr auch darüber hinausgehende Mitwirkungsverpflichtungen der Gerichte (wie die Herausgabe von Unterlagen und die organisatorische Abstimmung von Terminen etc.).[8] Der reibungslose Informationsaustausch kann vor allem durch die rudimentäre technische Ausstattung einzelner Gerichte erschwert werden.[9]

 

Rn 7

Die Pflicht zur Weitergabe von Informationen besteht nicht erst, wenn durch andere Gerichte nachgefragt wird. Vielmehr haben die Gerichte Informationen, die für andere Verfahren relevant sind, von sich aus herauszugeben.[10] Dies gilt vor allem für Informationen hinsichtlich der in § 269b Satz 2 genannten Punkte, deren Relevanz das Gesetz annimmt.[11] Die Insolvenzgerichte sollten jede Information, die möglicherweise für ein anderes Verfahren relevant sein könnte, an die für andere Gruppenverfahren zuständigen Insolvenzrichter weitergeben.

 

Rn 8

Dabei sind die einzelnen Insolvenzrichter bzw. -rechtspfleger nicht verpflichtet, genauso vorzugehen, wie der Richter/Rechtspfleger, der ihnen die Informationen weiterleitet. Vielmehr obliegt es ihnen, die entsprechenden Informationen wahrzunehmen und in ihre Abwägung einzubeziehen, um dann für das jeweilige Insolvenzverfahren die bestmögliche Lösung zu finden.[12]

[8] So auch Kübler/Prütting/Bork-Thole, § 269b Rn. 6; dazu vertiefend Flöther-Frege/Nicht, Handbuch Konzerninsolvenzrecht, § 4 Rn. 295 ff.
[9] Blankenburg, ZInsO 2018, 897 (904).
[10] BT-Drs. 18/407, S. 33; kritisch zur Pflicht aufgrund der Weisungsunabhängigkeit der Richter Webel, NZI-Beilage 2018, 24 (26).
[11] Braun-Fendel, § 269b Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork-Thole, § 269b Rn. 19.
[12] Kübler/Prütting/Bork-Thole, § 269b Rn. 16; dazu Webel, NZI-Beilage 2018, 24 (26).

4. Grenzen der Zusammenarbeit

 

Rn 9

Ausweislich der Gesetzesbegründung darf eine Weitergabe von Informationen und eine Zusammenarbeit jedoch nicht erfolgen, wenn dies den Zielen des bei dem betroffenen Gericht geführten Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen würde.[13] In § 269b fehlt zwar eine ausdrückliche Regelung zur Frage, ob die Gläubigerinteressen im betreffend...

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