Gesetzestext

 

1Ist der Schuldner eine natürliche Person, ist für die Prüfung einer voraussichtlichen Schlechterstellung nach § 245 Absatz 1 Nummer 1 im Zweifel davon auszugehen, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Insolvenzplan für die Verfahrensdauer und den Zeitraum, in dem die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen können, maßgeblich bleiben. 2Hat der Schuldner einen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, ist im Zweifel zudem anzunehmen, dass die Restschuldbefreiung zum Ablauf der Abtretungsfrist des § 287 Absatz 2 erteilt wird.

1. Normzweck

 

Rn 1

§ 245a wurde für Schuldner, die natürliche Personen sind, durch das SanInsFoG[1] eingeführt. Die Norm soll die Prüfung des Schlechterstellungsverbotes durch einen Insolvenzplan erleichtern. Bei der Prüfung der Schlechterstellung gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 1 wird die voraussichtliche Befriedigung der Gläubiger im Planverfahren der Befriedigung der Gläubiger im Regelinsolvenzverfahren – ohne Plan – gegenübergestellt. Mit der Vergleichsrechnung soll die Akzeptanz des Plans verbessert werden. Den Gläubigern soll deutlich werden, dass ihre Schlechterstellung mit der Annahme des Plans nahezu ausgeschlossen ist.[2] Die Norm statuiert daher eine widerlegliche Vermutung, die eine Beweiserleichterung darstellt. Durch Verweise gelten die Vermutungen auch im Rahmen von § 251 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 253 Abs. 2 Nr. 3.

 

Rn 2

Bei der Vergleichsrechnung sollte berücksichtigt werden, dass bereitgestellte Drittmittel im Insolvenzplanverfahren keinen Einfluss auf die Vergütung des Insolvenzverwalters und damit auch nicht auf die Verfahrenskosten haben, § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV. Die geringeren Verfahrenskosten bewirken wiederum, dass dem Verfahren und damit den Gläubigern mehr Masse zur Verfügung steht, weshalb das Insolvenzplanverfahren für sie regelmäßig wirtschaftlich attraktiver ist, wenn die Möglichkeit besteht, Drittmittel einzuwerben.[3] Die Vergleichsrechnung ist im darstellenden Teil des Insolvenzplanes abzubilden, § 220 Abs. 2 Satz 2.

[1] Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts, BGBl 2020 I, S. 3256.
[2] Harig, VIA 2021, 41 (42).
[3] Laroche/Harder, VIA 2014, 81 (83).

2. Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Satz 1)

 

Rn 3

Bei dieser Prognose ist bei natürlichen Personen insbesondere der Neuerwerb aus künftig pfändbarem Einkommen für die Befriedigung entscheidend.[4] Die tatsächliche Höhe des Neuerwerbs ist von vielen Unwägbarkeiten abhängig. Eine Schätzung ist deshalb mit Prognoseunsicherheiten behaftet. Zur Erleichterung[5] der Taxierung wurde mit Umsetzung des SanInsFoG[6] in § 245a Satz 1 eine widerlegliche Vermutung geschaffen. Die Darlegungslast des Planerstellers wird somit in einem Bereich vereinfacht, der ohnehin mehrheitlich auf Vermutungen angewiesen ist.[7] Es wird vermutet, dass die im Zeitpunkt der Planabstimmung geltenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners während der gesamten Verfahrensdauer unverändert bleiben.[8] Damit erstreckt sich die Geltungsdauer der Vermutung auch über die Verfahrensdauer hinaus bis zum Ablauf der Verjährungsfrist.

 

Rn 4

Umstände, die die Vermutung beeinflussen können, sind beispielsweise die Beendigung einer Berufsausbildung des Schuldners und der bevorstehende Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis mit einem erheblichen Lohnunterschied zum Ausbildungsgehalt oder auch ein absehbarer Wegfall der Unterhaltspflicht für ein Kind aufgrund dessen Alters.[9]

 

Rn 5

Die Vermutung kann von einem Gläubiger widerlegt werden, der dann die Darlegungs- und Beweislast dafür zu tragen hat.[10] Das Gericht sollte die Vermutung hingegen nur in Ausnahmefällen und auf Basis des unabhängigen Amtsermittlungsgrundsatzes, § 5 Abs. 1 Satz 1, anzweifeln.[11] Ansonsten würde das Insolvenzgericht Gefahr laufen, das Gebot der Unparteilichkeit der Gerichte zu tangieren.[12]

[4] Harig, VIA 2020, 89 (90).
[5] BT-Drs. 19/24181, S. 201; Vallender, MDR 2021, 201 (207).
[6] SanInsFoG vom 22.12.2020, BGBl. I 2020, S. 3285.
[7] BT-Drs. 19/4880, 232.
[8] A.A. Frind, NZI 2020, 865 (868 f.).
[9] BeckOK-Geiwitz/von Danckelmann, § 245a Rn. 6.1.
[10] BeckOK-Geiwitz/von Danckelmann, § 245a Rn. 6.
[11] BeckOK-Geiwitz/von Danckelmann, § 245a Rn. 6.
[12] BeckOK-Geiwitz/von Danckelmann, § 245a Rn. 6.

3. Restschuldbefreiung (Satz 2)

 

Rn 6

Sofern ein zulässiger Antrag auf Restschuldbefreiung gemäß § 287 Abs. 1 gestellt wurde, wird zugunsten des Schuldners auch vermutet, dass sie nach Ablauf der Abtretungsfrist gemäß § 287 Abs. 2 eintritt. Nach § 245a Satz 2 wird vermutet, dass ein zulässiger Antrag auf Restschuldbefreiung auch zur Erteilung dieser führen wird, womit sich der Veranlagungszeitraum der Vergleichsrechnung von der Planabstimmung bis zur Abtretungsfrist erstreckt.[13] Damit wird also die Entscheidung des Gerichts vorab vermutet. Zeitlich ist die Wirkung der Verfahrensdauer dem Insolvenzplan angepasst, wobei die Dauer durch die Vermutung der Restschuldbefreiung zumindest mittelbar bestimmt wird.[14]

[13] Kluth/Harder...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge