Leitsatz (amtlich)

Ein dauerndes Dienstverhältnis im Sinne von § 627 BGB setzt weder voraus, daß der Dienstverpflichtete den überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft schuldet, noch daß er wirtschaftlich oder sozial von dem Dienstberechtigten abhängig ist. Es kann auch durch einen einjährigen Dienstvertrag begründet werden.

 

Normenkette

BGB § 627

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 12.11.1963)

LG Traunstein (Urteil vom 21.12.1961)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das an Stelle der Verkündung am 18./19. Dezember 1963 zugestellte Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. November 1963 aufgehoben, soweit es das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 21. Dezember 1961 zum Nachteil des Klägers abgeändert, die Berufung des Klägers zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte suchte den Kläger am 5. November 1959 in Zürich auf, um ihn als Wirtschaftsberater für seine Betriebe zu gewinnen. Der Kläger bestätigte das Besprechungsergebnis unter dem 29. Dezember 1959 als erteilten Beratungsauftrag, der ihn verpflichte, dem Beklagten gegen ein Honorar von 60.000 DM im Jahre 1960 je Monat für eine Woche zur Verfügung zu stehen und auch nach Ablauf des einjährigen Auftrags für weitere drei Jahre keine andere Strumpffabrik zu beraten. Der Beklagte ließ am 24. Januar 1960 antworten, eine Überprüfung der Bedingungen habe ein ungünstiges Verhältnis zwischen Honorar und Zeitaufwand ergeben; der errechnete Tagessatz werde wohl kaum von den Dauerkunden des Klägers laufend gezahlt. Der Kläger möge deshalb damit einverstanden sein, daß mit der vereinbarten Vergütung die Zeit von zwei Jahren – vom 1. Januar 1960 bis zum 31. Dezember 1961 – abgegolten werde. Dies lehnte der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 1960 ab. Er bemerkte dabei, es sei für beide Teile zweckmäßiger, über eine mögliche Verlängerung des Auftrags erst zu einem späteren Zeitpunkt zu verhandeln. Nunmehr focht der Beklagte den „abgeschlossenen Beratungoauftrag” unter dem 1. Februar 1960 wegen Irrtums an, mit der Begründung, die Leistungen des Klägers entsprächen nicht den von ihm selbst hervorgerufenen Erwartungen. Der Kläger hatte bisher Besprechungen in den Werken B. und A. des Beklagten geführt und in seinem Auftrag mit der Maschinenfabrik B. in S. verhandelt.

Mit der Klage hat der Kläger 15.000 DM nebst Zinsen als vereinbartes Honorar für das erste Quartal 1960 gefordert. Er hat den Standpunkt vertreten, der Beratungsauftrag sei ihm für die Bauer eines Jahres gegen 60.000 DM Vergütung fest erteilt worden; die Anfechtung durch den Beklagten sei grundlos und unwirksam.

Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Er hat das Zustandekommen eines Vertrages im Hinblick auf die nicht ausgeräumten Meinungsverschiedenheiten bestritten und sich hilfsweise auf die erklärte Anfechtung berufen, die er deshalb für wirksam hält, weil der Kläger nach seinem inzwischen ermittelten Werdegang wie nach seinen Leistungen nicht entfernt der überragende Berater sei, als der er sich ausgegeben habe. Im Wege der Widerklage hat der Beklagte die Feststellung begehrt, daß dem Kläger auch kein die Klageforderung übersteigender Honoraranspruch zustehe.

Der Kläger ist diesem Vorbringen entgegengetreten und hat um Abweisung der Widerklage gebeten.

Das Landgericht hat dem Kläger 11.250 DM nebst Zinsen als Vergütung für das erste Vierteljahr 1960 abzüglich der ersparten Aufwendungen zuerkannt; die weitergehende Klage sowie die Widerklage hat es abgewiesen.

Der Kläger hat mit seiner Berufung insgesamt 14.500 DM nebst Zinsen gefordert. Der Beklagte hat ebenfalls Berufung eingelegt und seinen Abweisungsantrag weiterverfolgt. Sein Feststellungsbegehren hat er in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Kläger in einem weiteren Rechtsstreit auch seine Honoraransprüche vom 1. April bis zum 31. Dezember 1960 geltend gemacht hatte. Insoweit haben die Parteien widersprechende Kostenanträge gestellt.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Berufung des Beklagten hat es teilweise durch eine Ermäßigung des zu zahlenden Betrages auf 6.000 DM nebst Zinsen stattgegeben. Ferner hat es über die Kosten beider Rechtszüge entschieden.

Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen Anspruch auf Zahlung von 14.500 DM nebst Zinsen weiter, soweit ihm das Berufungsgericht nicht stattgegeben hat. Außerdem greift er die Kostenentscheidung des Berufungsurteils an.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, daß die Parteien am 5. November 1959 mündlich einen Dienstvertrag geschlossen haben. Es hat die im Schreiben vom 1. Februar 1960 erklärte Anfechtung wegen Irrtums als unwirksam angesehen, aber in eine außerordentliche Kündigung nach § 627 BGB umgedeutet, die zulässig gewesen sei. Dementsprechend ist dem Kläger nur für die Zeit vom 1. Januar bis 6. Februar 1960 eine auf das Gesamthonorar bezogene Teilvergütung zuerkannt worden.

Die Revision rügt in erster Linie, die Voraussetzungen des außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 627 BGB seien fehlsam bejaht worden. Darin muß ihr beigetreten werden.

Mit Recht hat das Berufungsgericht in der vereinbarten Tätigkeit des Klägers Dienste höherer Art gesehen, die nur auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Dieser Auffassung ist auch die Revision. Ihre Bedenken beziehen sich auf die negative Voraussetzung, daß der Dienstverpflichtete nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen stehen darf. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß erst beide Merkmale zusammen § 627 BGB ausschließen (RGZ 80, 29; 146, 116). Es hat seine Entscheidung darauf gegründet, daß zwar feste Bezüge vereinbart worden seien, der Kläger jedoch nicht in einem dauernden Dienstverhältnis gestanden habe. Die letzte Ansicht wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.

Wann ein Dienstverhältnis als „dauernd” anzusehen sei, ist im Gesetz nicht bestimmt. Hierüber muß deshalb im Einzelfall nach der Verkehrsanschauung und dem Sprachgebrauch befunden werden (vgl. Staudinger-Mohnen 11. Aufl., § 617 BGB Bem. 8; Soergel-Siebert 9. Aufl., § 627 BGB Anm. 2). Es handelt sich mithin um eine Tat- und Ermessensfrage (vgl. RGZ 146, 117). Gleichwohl kann die Würdigung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, weil sie dem Gesetz nicht zu entnehmende Erfordernisse aufstellt und deshalb von Rechtsirrtum beeinflußt erscheint.

Das Berufungsgericht hat wesentlich darauf abgestellt, daß der Kläger in dem Vertragszeitraum von einem Jahr nur gehalten gewesen sei, seine Arbeitskraft für insgesamt zwölf Wochen zur Verfügung zu stellen. Es sieht in dieser „verhältnismäßig kurzen Zeit” tatsächlicher Inanspruchnahme einen Umstand, der der Annahme eines auf Dauer angelegten Verhältnisses entgegenstehe. Dem kann nicht gefolgt werden, Im Gegensatz zu § 617 BGB fordert § 627 BGB nicht, daß das dauernde Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmen müsse. Bei den höheren, besonderes Vertrauen voraussetzenden Diensten, deren Kündbarkeit § 627 BGB regelt, wird sogar meist das Gegenteil der Fall sein (Staudinger-Mohnen § 627 BGB Bem. 5. Das Beispiel des Leibarztes Prot. II 203) zeigt, daß auch bei der Schaffung der Bestimmung keineswegs nur an ununterbrochen ausgeübte Tätigkeiten gedacht worden ist.

Mit diesem Irrtum des Berufungsgerichts steht der weitere in Zusammenhang, daß ein Dauerverhältnis im Sinne des § 627 BGB eine gewisse soziale oder wirtschaftliche Abhängikeit des Dienstverpflichteten von dem Dienstberechtigten voraussetze, die beim Kläger gefehlt habe. Wenn das Schwergewicht der Erwerbstätigkeit nicht innerhalb des Dienstverhältnisses zu liegen braucht, entfällt auch die wirtschaftliche Abhängigkeit als wesentliches oder gar notwendiges Element. Eine soziale Unterstellung wird schon nach der Art der in Rede stehenden Dienste häufig nicht in Betracht kommen (Vertrauensarzt, Wirtschaftsprüfer). Es ist umgekehrt gerade die unabhängige Stellung des in § 627 BGB behandelten Dienstverpflichteten, die ein so weitgehendes Kündigungsrecht des Dienstberechtigten vertretbar erscheinen läßt. Darauf hat das Berufungsgericht einleitend selbst hingewiesen. Die auf das Dienstverhältnis als Existenzgrundlage angewiesenen Beschäftigten genießen durchweg einen stärkeren Kündigungsschutz.

Die ausdrückliche Heranziehung der beiden erörterten Gesichtspunkte läßt erkennen, daß das Berufungsgericht ohne sie Bedenken getragen hätte, das Dienstverhältnis nicht als dauernd im Sinne von § 627 BGB zu würdigen. Sollte das Gegenteil allein dem Hinweis zu entnehmen sein, daß der Kläger nur für die von vornherein begrenzte, im Sinne des Dienstvertragsrechts kurze Zeit eines Jahres verpflichtet worden sei, so könne dem nicht gefolgt werden.

Es ist kein Kennzeichen oder gar Erfordernis des dauernden Dienstverhältnisses, daß es auf unbestimmte Zeit eingegangen sein müsse. Vielmehr liegt ein Dauerverhältnis zunächst und gerade dann vor, wenn der Vertrag auf eine bestimmte längere Zeit abgeschlössen ist Staudinger-Mohnen § 627 BGB Bem. 5). Ein Jahr kann in diesem Sinne durchaus eine längere Zeit darstellen. Als das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft trat, war in vielen Berufen der Abschluß für jeweils ein Jahr üblich. Das Kammergericht hat einige von ihnen in seiner Entscheidung vom 15. Juni 1904 (OLG 9, 290) aufgeführt, und zwar als Beispiele für dauernde Dienstverhältnisse. Daß inzwischen für solche Tätigkeiten der Abschluß auf unbestimmte Zeit gebräuchlicher geworden ist, kann nicht dazu führen, feste Vereinbarungen für ein Jahr schlechthin als vorübergehend anzusehen, gleich aus welchen Gründen die Parteien eine solche Vertragsgestaltung vorgezogen haben mögen.

Die zeitliche Begrenzung eines Dienstvertrages wird dann für eine nur vorübergehende Verbindung sprechen, wenn sie sieh aus der Art der übertragenen Aufgabe ergibt (Urlaubs- oder Krankheitsvertretung; Aushilfe bei besonderem Arbeitsanfall; Mitwirkung bei einer einmaligen Veranstaltung). Umgekehrt weist eine Verpflichtung für ständige oder langfristige Aufgaben auf ein dauerndes Dienstverhältnis hin. So lag es im Falle des Klägers. Die Parteien waren sich darin einig, daß sich seine beratende Tätigkeit nicht mit dem Ablauf des vorgesehenen ersten Jahres erledigt haben werde. Dementsprechend gingen beide von der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Verlängerung des Dienstverhältnisses aus. Der Beklagte wünschte alsbald die verbindliche Erstreckung auf zwei Jahre, wobei er sich ausdrücklich zu den Dauerkunden des Klägers zählte. Der Kläger lehnte den Vorschlag zwar wegen der damit verbundenen geldlichen Nachteile ab, wollte im übrigen aber zu einem späteren Zeitpunkt über die Fortdauer des Verhältnisses sprechen. Sahen die Parteien aber in dem ersten Jahr übereinstimmend nur den vorab festgelegten Abschnitt einer möglicherweise längerwährenden Beziehung, so verbietet sich die Annahme eines vorübergehenden Dienstverhältnisses. Ein solches würde auch die Verabredung einer Konkurrenzklausel schwer verständlich machen. Das Reichsgericht (RGZ 146, 116) hat in dem sehr ähnlichen Vertrag eines Organisationsberaters ebenfalls ein dauerndes Dienstverhältnis erblickt. Daß die fristlose Kündigung dort erst nach eingetretener Verlängerung, vorliegend aber schon bald nach Beginn des ersten Jahres ausgesprochen worden ist, kann auf den bereits bei der Begründung festgelegten Dauercharakter der Beziehungen keine Rückwirkung haben. Diesem Umstand hat denn auch das Berufungsgericht keine Bedeutung beigemessen.

Die Umdeutung der Irrtumsanfechtung in eine außerordentliche Kündigung nach § 627 BGB kann daher nicht bestehen bleiben. Damit entfallen zugleich die Auswirkungen auf die geschuldete Vergütung nach § 628 BGB. Ob eine Kündigung nach § 627 BGB vertraglich ausgeschlossen sein sollte, wie die Revision meint, kann unter diesen Umständen offen bleiben. Dagegen könnte es nunmehr darauf ankommen, ob der Beklagte zu einer Kündigung aus wichtigem Grunde nach § 626 BGB befugt war. Das Berufungsgericht hat dies – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bisher dahinstehen lassen.

Auf die Revision des Klägers war deshalb das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, soweit dieses das landgerichtliche Urteil zum Nachteil des Klägers abgeändert, die Berufung des Klägers zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat. In der erneuten Berufungsverhandlung wird der Kläger auch die Bedenken zur Nachprüfung stellen können, die er im Kostenpunkt unabhängig von der Sachentscheidung geltend gemacht hat.

Dem Berufungsgericht war ferner die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.

 

Unterschriften

Engels, Dr. Bode, Dr. Hauß, Dr. Pfretzschner, Dr. Nüßgens

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502224

BGHZ

BGHZ, 303

NJW 1967, 1416

Nachschlagewerk BGH

JZ 1967, 537

MDR 1967, 577

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