Leitsatz (amtlich)

›Hat allein der (spätere) Gesamtvollstreckungsschuldner den Eintragungsantrag gestellt, so ist die Rechtshandlung grundsätzlich auch dann erst mit der Grundbucheintragung vorgenommen, wenn der Antrag vor dem 1. Juli 1990 beim Grundbuchamt einging.‹

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG

LG Meiningen

 

Tatbestand

Die I. GmbH S. i.A. (nachfolgend: GmbH oder Gesamtvollstreckungsschuldnerin) ist aus einem volkseigenen Betrieb hervorgegangen und Eigentümerin einiger Grundstücke. Sie war gemäß Entscheidung der Treuhandanstalt bis zum 1. Juli 1990 abzuwickeln. Der volkseigene Betrieb als Rechtsvorgänger der GmbH hatte bei der Staatsbank der DDR gemäß Vertrag vom 24./28. März 1990 ungesicherte Umlaufmittelkredite in Höhe von mehr als 4 Mio. Mark der DDR für die Zeit bis 30. Juni 1990 aufgenommen. Die verklagte Bank ist Rechtsnachfolgerin der Staatsbank.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1990 beantragte der Leiter der (späteren) GmbH die Eintragung einer Hypothek in Höhe von 4.414.000 Mark der DDR zugunsten der Beklagten. Mit Schreiben vom 28. Juni 1990 beantragte er die Eröffnung der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Gesellschaft; der Antrag wurde alsbald mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse zurückgewiesen. Die Hypothek zugunsten der Beklagten wurde am 16. Oktober 1990 im Grundbuch eingetragen. Auf einen erneuten Antrag hin wurde am 30. August 1991 die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der GmbH eröffnet; der Kläger ist der Verwalter.

Im Wege der Anfechtung gemäß § 10 GesO verlangt der Kläger von der Beklagten die Löschung der Hypothek. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage unter anderem beantragt, den Kläger zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Hypothek zu verurteilen. Das Landgericht hat die Widerklage insoweit abgewiesen und der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat umgekehrt entschieden. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Eine Anfechtung sei unzulässig, weil die Rechtslage aufgrund der Gesamtvollstreckungsverordnung von 1975 zu beurteilen sei. Denn die Hypothek sei noch während der Geltung dieser Verordnung entstanden.

Für diese Ansicht gibt es keine Rechtsgrundlage. Gemäß § 23 GesO sind nach der Gesamtvollstreckungsverordnung vom 18. Dezember 1975 (DDR-GBl I 1976 S. 5) - nur - die am 1. Juli 1990 noch nicht abgeschlossenen Verfahren der Gesamtvollstreckung fortzuführen. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß alle ab 1. Juli 1990 eröffneten Verfahren auf der Grundlage der an diesem Tage in Kraft getretenen Gesamtvollstreckungsverordnung vom 6. Juni 1990 (DDR-GBl I S. 285, insbesondere § 24 Abs. 1 Satz 1) und ihrer späteren Änderungen zu beurteilen sind. Im übrigen trifft auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu, daß die erst im Oktober 1990 eingetragene Hypothek - sei es nach dem Recht der DDR oder demjenigen der Bundesrepublik Deutschland - bereits im Juni 1990 entstanden sei (vgl. dazu unten B I 1).

Soweit sich die Beklagte gegenüber der Anfechtungsmöglichkeit, die erst durch die Gesamtvollstreckungsverordnung vom 6. Juni 1990 eingeführt wurde, auf Vertrauensschutz berufen hat, steht es dem Gesetzgeber frei, für zusätzliche Übergangsregeln zu sorgen (z.B. gemäß Art. 106 EGInsO). Das ist beim Inkrafttreten der Gesamtvollstreckungsverordnung unterblieben. Auf dieser Grundlage ist das schutzwürdige Vertrauen der Beteiligten bei der Anwendung der neuen Gesetzesvorschriften im einzelnen angemessen zu berücksichtigen (unten B I b und c). Dagegen steht es nicht im Belieben der Gerichte, entgegen einer eindeutigen gesetzlichen Übergangsvorschrift auf andere Normen auszuweichen.

B. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Für die Klage kommen vielmehr verschiedene Anfechtungsmöglichkeiten in Betracht, die zugleich der Widerklage entgegenstehen. Dabei ist jeweils die Gesamtvollstreckungsordnung in der Fassung vom 23. Mai 1991 (BGBl I 1185) anzuwenden, weil das hier maßgebliche Gesamtvollstreckungsverfahren erst nach deren Inkrafttreten (vgl. dazu Art. 15 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991, BGBl I S. 766, 789) beantragt und eröffnet worden ist.

I. Nach dem Klägervortrag kann § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO erfüllt sein.

1. Der Kläger ficht eine Rechtshandlung der Schuldnerin an, nämlich die Bestellung der Hypothek zugunsten der Beklagten. Diese Rechtshandlung ist am 16. Oktober 1990 mit der Eintragung der Hypothek vorgenommen worden.

a) Grundsätzlich ist eine anfechtbare Rechtshandlung erst beendet, wenn das letzte Tatbestandsmerkmal der Vermögensübertragung erfüllt ist (so zu §§ 29 ff KO BGHZ 86, 340, 346; Senatsurt. v. 16. März 1995 - IX ZR 70/94, WM 1995, 995, 999, jeweils m.w.N.). Dementsprechend sind Rechtsänderungen, die mit einer Grundbucheintragung wirksam werden, regelmäßig auch anfechtungsrechtlich erst mit dieser Eintragung vorgenommen (BGHZ 41, 17, 18 f; 121, 179, 188). Es handelt sich um einen allgemeinen anfechtungsrechtlichen Grundsatz, der für die Einzelgläubigeranfechtung in gleicher Weise gilt (vgl. BGHZ 99, 274, 286; 113, 393, 394 f; 128, 184, 189 f m.w.N.). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Anfechtung gemäß § 10 GesO abweichend geregelt werden sollte. Im Gegenteil zeigt die Einführung des § 10 Abs. 3 GesO (dazu unten b), daß der Gesetzgeber nur gewisse, eng begrenzte Ausnahmen von dem allgemein maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung zulassen wollte (so auch ausdrücklich § 140 InsO).

Die zugunsten der Beklagten bestellte (Buch-)Hypothek ist erst mit ihrer Eintragung entstanden. § 453 Abs. 1 Satz 3 DDR-ZGB bestimmte das ebenso ausdrücklich wie § 1 Abs. 1 der Vierten Kreditverordnung der DDR vom 2. März 1990 (GBl I S. 114), auf welchen die Beklagte sich stützt. Diese Vorschriften sind nach Art. 233 § 7 Abs. 2 EGBGB im vorliegenden Falle anwendbar geblieben; unabhängig davon ergäbe sich aus § 873 Abs. 1 BGB kein anderes Ergebnis.

b) Allerdings gilt die anfechtbare Handlung - wenn für ihr Wirksamwerden eine Grundbucheintragung erforderlich ist - gemäß § 10 Abs. 3 GesO schon als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die von dem Schuldner abgegebene Willenserklärung für ihn bindend geworden ist und der andere Teil die Eintragung beantragt hat. Diese Vorschrift soll, wie § 140 Abs. 2 InsO, das Vertrauen des Anfechtungsgegners im Zeitpunkt der Antragstellung schützen, weil er die Dauer des Eintragungsverfahrens kaum zu beeinflussen vermag.

Die Vorschrift setzt aber voraus, daß der "andere Teil" - also der Anfechtungsgegner - den Eintragungsantrag gestellt hat. Grund dafür ist die Erwägung, daß der Schuldner einen vom anderen Teil gestellten Antrag nicht seinerseits zurücknehmen kann; erst mit einem eigenen Antrag hat der Anfechtungsgegner eine gesicherte Rechtsposition, die sogar durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr beeinträchtigt werden kann (vgl. amtliche Begründung der Bundesregierung zu § 159 Abs. 2 E-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 166). Ist dagegen der Eintragungsantrag allein vom Schuldner selbst gestellt, so vermag dieser - oder sein Gesamtvollstreckungsverwalter - den Antrag noch rechtswirksam zurückzunehmen, solange die Eintragung nicht vollendet ist (vgl. Horber/Demharter, GBO 19. Aufl. § 13 Anm. 12 m.w.N.). Dann könnte es nicht ohne ein zusätzliches Eingreifen eines Antragsberechtigten zur Eintragung kommen; die Rechtslage des Anfechtungsgegners gilt noch nicht als hinreichend gesichert. Das hat er selbst zu verantworten, weil er ohne eigenen Eintragungsantrag nicht alles in seiner Macht Stehende veranlaßt hat, um sich selbst zu schützen (ebenso Hess/Binz/Wienberg, GesO 2. Aufl. § 10 Rdn. 112 h; vgl. auch Landfermann ZIP 1991, 826, 828).

Im vorliegenden Falle stammt der Eintragungsantrag von dem "Grundstückseigentümer V. I. ..." (Bl. ... der Grundakten Gemarkung M. Bl. ...). Die Beklagte hat bei der Antragstellung nicht erkennbar mitgewirkt. Zwar mag sie im Juni 1990 zusammen mit der GmbH einen privatschriftlichen Antrag auf Grundbucheintragung entworfen haben (Anlage B 10 zu Klageerwiderung vom 10.12.1993), dieser ist aber nicht beim Grundbuchamt eingereicht worden. Der Umstand allein, daß der Antrag der GmbH zugunsten der Beklagten gestellt war, begründet vor der Eintragung noch keine insolvenzfeste Position der Beklagten.

c) Ein weitergehender Vertrauensschutz für die Beklagte kommt nicht in Betracht.

Zwar gab es nach der Gesamtvollstreckungsverordnung von 1975 noch keine Anfechtungsmöglichkeit. Dafür hätte die Rechtsvorgängerin der Beklagten umgekehrt aber auch keine hypothekarische Sicherheit verlangen dürfen. Diese Möglichkeit wurde, wie die Beklagte selbst einräumt, erst durch die vierte Kreditverordnung der DDR vom 2. März 1990 (aaO.) eröffnet. Der hierdurch neu eingeführte erste Absatz des § 14 der Kreditverordnung bestimmt in Satz 4 ausdrücklich, daß die Hypothek erst mit der Eintragung im Grundbuch entsteht. Damit bestand für die Beklagte am 1. Juli 1990, als die u.a. um den § 10 erweiterte Gesamtvollstreckungsverordnung vom 6. Juni 1990 in Kraft trat, noch keine gesicherte Rechtsstellung. Der im Jahre 1991 eingeführte § 10 Abs. 3 GesO verlegte zwar den Schutz unter bestimmten Voraussetzungen wieder zeitlich vor. Die Beklagte, die diese Voraussetzungen nicht eingehalten hat, durfte aber zu keiner Zeit damit rechnen, daß die ihr bewilligte Hypothek vor einer Grundbucheintragung Rechtswirkungen äußerte oder Rechtsschutz genoß. Im übrigen war in dem Zeitpunkt, als die Eintragung beantragt wurde - der Antrag vom 22. Juni 1990 ging nach einem handschriftlichen Vermerk am 27. Juni 1990 beim Grundbuchamt ein -, die um Anfechtungsvorschriften (§ 10) erweiterte Gesamtvollstreckungsordnung vom 6. Juni 1990 bereits verkündet worden; sie wurde in dem Gesetzblatt mit Ausgabetag vom 19. Juni 1990 veröffentlicht (DDR-GBl I S. 285).

Die Beklagte mußte zudem berücksichtigen, daß sogar nach dem Recht der früheren DDR Rechtshandlungen, die mit dem Ziele der Gläubigerbenachteiligung erfolgten, unwirksam sein konnten. Insbesondere unentgeltliche Zuwendungen, welche die Durchsetzung berechtigter Ansprüche eines Gläubigers verhindern sollten, wurden als mißbräuchliche Rechtsausübung im Sinne von §§ 15 Abs. 2, 68 Abs. 1 Nr. 1 ZGB angesehen (BG Dresden NJ 1977, 425, 426; BG Neubrandenburg NJ 1980, 525; Kommentar zum ZGB der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 1985, § 68 Rdn. 1.2.2).

2. Die Bewilligung der Hypothek benachteiligt die Gesamtvollstreckungsgläubiger, weil sie in der Insolvenz ein Recht auf abgesonderte Befriedigung verleiht, die zu verteilende Masse also mindert.

3. Bis zum 16. Oktober 1990 hat die GmbH möglicherweise ihre Zahlungen eingestellt.

a) Zahlungseinstellung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO liegt - wie nach § 30 KO - vor, wenn mindestens für die beteiligten Verkehrskreise nach außen hin erkennbar geworden ist, daß der Schuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 3. Aufl. § 10 Rdn. 91; Smid/Zeuner, GesO 2. Aufl. § 10 Rdn. 73; Hess/Binz/Wienberg aaO. § 10 Rdn. 107; Gottwald/Huber, Nachtrag "GesamtvollstreckungsO" zum Insolvenzrechts-Handbuch Kap. III 7. Abschnitt D Rdn. 4). Daß der Schuldner noch einzelne Gläubiger befriedigt, schließt die Zahlungseinstellung nicht aus (Senatsurt. v. 27. April 1995 - IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929, 930 m.w.N.).

b) Nach der Darstellung des Klägers war zwar den 55 Mitarbeitern der GmbH gekündigt worden; ab Juli 1990 standen ihnen aber noch unbefriedigte Lohnforderungen zu. In der zum ersten Gesamtvollstreckungsantrag erstatteten Aufstellung der GmbH vom 23. Juli 1990 (Anlage zu S. 4 des Schriftsatzes des Klägers vom 29. Juli 1994 = Bl. 489/Bd. III GA) waren die Gesamtaufwendungen für Juli 1990 mit 133.000 DM angegeben, zusammengesetzt aus Lohnen und Sozialabgaben (75.000 DM), Fremdleistungen (20.000 DM), Zinsaufwand (8.000 DM) und Steuern (30.000 DM). Für August und September sollten vergleichbare Verbindlichkeiten erwachsen. Darüber hinaus sollten im September auch Ansprüche aus dem Sozialplan in Höhe von 330.000 DM entstehen (vgl. dazu auch S. 2 des Schriftsatzes des Klägers vom 11. Juli 1995 = Bl. 291/Bd. II GA). Insgesamt hätten sich diese Verbindlichkeiten dann auf 737.000 DM summiert. Die in Höhe von über 1,5 Mio. DM anerkannte Darlehensforderung der Beklagten kommt hinzu.

Demgegenüber erzielte die GmbH keinerlei Einnahmen aufgrund betrieblicher Leistungen mehr, da sie ihren Betrieb eingestellt hatte. Ihre einzigen Einnahmen bestanden aus einem monatlichen Pachtzins von 3.720 DM für die Verpachtung ihrer Betriebsanlage ab 1. September 1990 (S. 10 f der Klageschrift = Bl. 10 f/Bd. I GA). Ältere Außenstände konnten wegen Insolvenz der Drittschuldner nicht eingezogen werden. Barmittel standen gemäß dem ersten Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung nicht zur Verfügung. Der von der Deutschen Bank eingeräumte und von der Treuhandanstalt verbürgte Liquiditätskredit in Höhe von 174.000 DM reichte betragsmäßig nicht aus und war insbesondere nicht dazu bestimmt, die Belastungen durch den Sozialplan abzudecken (S. 9 der Klageschrift = Bl. 9/Bd. I GA). Der von der Beklagten gewährte Umlaufmittelkredit war bis zum 1. Juli 1990 befristet, so daß Zahlungen hieraus für die Folgezeit nicht gewährleistet waren. Daß die Beklagte in der Zeit zwischen dem 13. Juli und 16. Oktober 1990 tatsächlich noch insgesamt 47 Lastschriftbuchungen mit einem Gesamtbetrag von knapp 24.000 DM - darunter mehr als 1/3 für Energieversorgung und ein Büro für Wirtschaftsprüfung - ausführte (Anlage B 16 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4.5.1995 = Bl. 222 bis 224/Bd. II GA), hindert nicht ohne weiteres die Feststellung, die weit überwiegende Mehrzahl der Schulden seien nicht erfüllt worden.

Allerdings hat der Kläger bisher nichts dazu vorgetragen, daß insbesondere die Lohn- und Sozialplanforderungen ernsthaft eingefordert worden sind. Dazu sind Einzelangaben nötig, weil andernfalls nur eine Überschuldung, keine Zahlungseinstellung vorliegen könnte. Jedoch haben Parteien und Gerichte bisher allein auf den Monat Juni 1990 als entscheidenden Zeitpunkt abgestellt. Gemäß §§ 139 Abs. 1, 278 Abs. 3 ZPO ist Gelegenheit zu geben, zu dem stattdessen maßgeblichen Stichtag (16. Oktober 1990) vorzutragen.

4. Der Kläger behauptet ferner, daß die Beklagte - die fast den gesamten Zahlungsverkehr der GmbH abwickelte - die Zahlungseinstellung kannte. Nach seiner Darstellung hat der Leiter der GmbH in einer Besprechung am 7. Juni 1990 dem Beauftragten der Beklagten mitgeteilt, daß er schon vor mehr als einem Monat der Treuhandanstalt den Konkurs des Betriebes angekündigt habe. Da die GmbH keine Sicherheiten zur Rückzahlung des Kredits der Beklagten habe geben können, seien die Sperrung des Betriebsmittelkredits mit sofortiger Wirkung und die Eintragung der Hypothek verlangt worden (Anlage 8 zur Klageschrift, in besonderem Hefter Bl. 34). Die Beklagte habe im Juni 1990 wegen der ungeklärten Finanzsituation auf die Bewilligung der Hypothek mit der Drohung gedrängt, andernfalls den Kredit sofort zu sperren (S. 7 der Klageschrift = Bl. 7 GA; S. 6 des Schriftsatzes des Klägers vom 29.7.1994 = Bl. 72/Bd. I GA).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungseinstellung ist derjenige der Vollendung seines Rechtserwerbs; insoweit gilt für § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO dasselbe wie für § 30 KO, dem die erstgenannte Bestimmung nachgebildet ist (z} § 30 KO vgl. BGH, Urt. v. 9. Oktober 1958 - II ZR 229/57, LM § 15 KO Nr. 2 Bl. 2; v. 16. März 1995 - II ZR 72/94, WM 1995, 995, 999 unter B II 2 m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 GesO, unter denen auch hinsichtlich der Kenntnis schon auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen wäre, liegen hier nicht vor (siehe oben 1 b). Danach ist der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO erfüllt, wenn die Beklagte von einer Zahlungseinstellung der GmbH wenigstens bis zum 16. Oktober 1990 erfahren hat. Entsprechendes gilt, wenn die Beklagte bis dahin von Umständen Kenntnis erlangte, aufgrund deren ihr die Zahlungsunfähigkeit bekannt sein mußte. Insoweit kommt in Betracht, daß die Beklagte selbst einräumt, Anfang August 1990 über den ersten Gesamtvollstreckungsantrag der GmbH sowie dessen Abweisung mangels Masse unterrichtet worden zu sein (S. 8 der Klageerwiderung mit Anlage B 6). Das legte eine Zahlungseinstellung immerhin sehr nahe.

5. Der Kläger hat die Anfechtung innerhalb der Frist des § 10 Abs. 2 GesO geltend gemacht, indem er die Klage mit einem entsprechenden Gebührenvorschuß am 26. August 1993 beim Kreisgericht S. eingereicht hat. Der Umstand, daß die Klageschrift erst am 18. Oktober 1993 der Beklagten zugestellt worden ist, steht dieser Wertung nicht entgegen. Die Zustellung ist - bezogen auf den Zeitpunkt des Fristablaufs (30. August 1993) - noch "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt. Insbesondere hat der Kläger nicht durch eigenes schuldhaftes Verhalten zu einer vermeidbaren Verzögerung beigetragen. Im Zeitpunkt der Klageeinreichung war noch das Kreisgericht S. zuständig. Das Landgericht M. ist erst durch § 3 Abs. 1 des Thüringer Gerichtsstandortgesetzes vom 16. August 1993 (GVBl 553) gebildet worden. Nach § 3 Abs. 3 des Thüringer Gesetzes zur Überleitung der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 16. August 1993 (GVBl 554, 555) gingen die beim Kreisgericht S. anhängigen Verfahren auf das Landgericht M. über. Diese Gesetze sind erst am Tage nach der Verkündung in Kraft getreten; Heft Nr. 25 des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land Thüringen ist nicht vor dem 31. August 1993 ausgegeben worden. Soweit durch die gerichtsinterne Abgabe des Verfahrens vom Kreis- an das Landgericht eine Verzögerung entstanden sein sollte, fällt diese nicht dem Kläger zur Last.

Die Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtung wäre gemäß § 10 GesO die Verpflichtung der Beklagten, die ihr eingeräumte Hypothek zurückzugewähren. Sie müßte also nicht nur, wie vom Kläger beantragt, die Löschung im Grundbuch bewilligen, sondern auch materiell-rechtlich der Aufhebung der Hypothek zustimmen. Der Widerklage stünde die Anfechtungseinrede in der Weise entgegen, daß die Beklagte aus dem anfechtbar bestellten Recht nicht gegen den Kläger vorgehen dürfte. Die Widerklage wäre also unbegründet.

II. Ferner kommt nach dem Klägervortrag § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO als Anfechtungsgrund in Betracht.

1. Die Benachteiligungsabsicht gemäß dieser Vorschrift - wie nach § 31 KO - setzt nur voraus, daß der Schuldner die Benachteiligung seiner Gläubiger im allgemeinen als Erfolg der Rechtshandlung will (vgl. Smid/Zeuner aaO. § 10 Rdn. 45; Gottwald/Huber aaO. B Rdn. 3; zu § 31 KO auch Senatsurt. v. 18. Februar 1993 - IX ZR 129/92, ZIP 1993, 521, 522 m.w.N.). Die Absicht muß also nicht etwa der Beweggrund des Handelns sein, sondern es genügt, daß der Schuldner den benachteiligenden Erfolg als sicher voraussieht und ihn billigend in Kauf nimmt (vgl. Hess/Binz/Wienberg aaO. Rdn. 56), sei es auch nur als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils. Dabei läßt sich aus dem Bewußtsein und der Vorstellung des Schuldners, daß die Gläubigerbenachteiligung die notwendige Folge seines Handelns ist, unter Umständen auf seinen darauf gerichteten Willen schließen (Haarmeyer/Wutzke/Förster aaO. § 10 Rdn. 49). Insbesondere ist die Tatsache, daß eine inkongruente Deckung gewährt wird, ein starkes Beweisanzeichen dafür, daß der Schuldner sich einer Benachteiligung seiner Gläubiger bewußt war (Haarmeyer/Wutzke/Förster aaO. Rdn. 50 f; Smid/Zeuner aaO. Rdn. 46; Hess/Binz/Wienberg aaO. Rdn. 61; Gottwald/Huber aaO. B Rdn. 4; zu § 31 KO auch BGHZ 123, 320, 326 m.w.N.; BGH, Urt. v. 5. Mai 1959 - VIII ZR 221/57, WM 1959, 1007, 1008). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht ist derjenige der Vollendung der Rechtshandlung (Hess/Binz/Wienberg aaO. § 10 Rdn. 63; zu § 31 KO auch Senatsurt. v. 18. Februar 1993 - IX ZR 129/92, aaO. m.w.N.), für die Hypothekenbestellung selbst also der 16. Oktober 1990. Soweit es allerdings auf die Inkongruenz dieser Maßnahme ankommt, ist die Verpflichtung zur Sicherheitenbestellung schon im Juni 1990 - formlos - begründet worden.

Im Oktober 1990 war der erste Gesamtvollstreckungsantrag bereits wegen Fehlens einer die Verfahrenskosten deckenden Masse abgewiesen worden. Der Geschäftsführer der GmbH (zuvor Betriebsleiter des volkseigenen Betriebes) muß sich nach dem Klägervortrag darüber im klaren gewesen sein, daß die Eintragung der Hypothek den wesentlichen verbliebenen Vermögensgegenstand der GmbH, nämlich den Substanzwert des Grundstücks, ihren anderen Gläubigern entzog. Das Versprechen einer Sicherung im Juni 1990 war inkongruent; denn zuvor hatte die Beklagte gegenüber der GmbH keinen Anspruch auf eine Sicherheit gehabt. Zwar war die Beklagte nach § 1 Abs. 1 der Vierten Kreditverordnung der DDR vom 2. März 1990 (aaO.) - gemäß dem Recht der DDR erstmals - befugt, sich eine derartige Sicherung von dem volkseigenen Betrieb als Rechtsvorgänger der Gesamtvollstreckungsschuldnerin einräumen zu lassen. Daraus ergab sich aber noch keine Verpflichtung des Kreditnehmers, einem solchen Verlangen nachträglich stattzugeben. Die Vorschrift bestimmt nur, daß im Kreditvertrag Sicherheiten vereinbart werden "können"; eine solche Vereinbarung setzt jedoch das Einverständnis des Sicherungsgebers voraus. § 2 Abs. 2 der Kreditverordnung der DDR i.d.F. der 4. Kreditverordnung erklärt allerdings die Bank für "berechtigt, für bereits gewährte Kredite Sicherheiten zu verlangen". Damit sind aber Kredite gemeint, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung gewährt worden sind. Der Kredit, um dessen Sicherung es hier geht, wurde hingegen erst Ende März 1990 eingeräumt, war also im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 4. Kreditverordnung noch nicht "gewährt". Es kann deshalb offen bleiben, ob diese Vorschrift rückwirkend jeden Kreditnehmer ohne weiteres zur Sicherheitenbestellung verpflichtet oder der Bank möglicherweise nur ein Kündigungsrecht für den Fall zugesteht, daß der Kreditnehmer eine angemessene Sicherheit verweigert.

Der Geschäftsführer der GmbH sah schon in seinem Gesamtvollstreckungsantrag vom 28. Juni 1990 die Zahlungsunfähigkeit jedenfalls für den 2. Juli 1990 voraus (Anlage 13 zum Schriftsatz des Klägers vom 29.7.1994, im besonderen Hefter Bl. 197). Bewilligte er dennoch die Hypothek, so muß er in der sicheren Überzeugung gehandelt haben, daß dies insbesondere den Arbeitnehmern - also der Masse der anderen Gläubiger - schaden würde. Dann liegt eine Benachteiligungsabsicht vor.

2. Der Anfechtungsgegner muß die Benachteiligungsabsicht des Schuldners nur kennen, nicht aber selbst die anderen Gläubiger benachteiligen wollen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist auch insoweit derjenige der Vollendung des Rechtserwerbs (Hess/Binz/Wienberg aaO. Rdn. 63). Läßt der Anfechtungsgegner sich eine inkongruente Deckung gewähren, so ist das ein starkes Beweisanzeichen dafür, daß er die Benachteiligungsabsicht des Schuldners kennt (Gottwald/Huber aaO. B Rdn. 6; vgl. auch Haarmeyer/Wutzke/Förster aaO. Rdn. 52 sowie zu § 31 KO BGHZ 123, 320, 326).

Davon ist hier nach dem Klägervortrag auszugehen. Insbesondere steht, wie ausgeführt, § 1 Abs. 1 der 4. Kreditverordnung der DDR vom 2. März 1990 einer entsprechenden Kenntnis der Beklagten nicht ohne weiteres entgegen. Vielmehr begründete erst die Vereinbarung der Beklagten vom Juni 1990 mit der GmbH einen schuldrechtlichen Anspruch auf eine Sicherung. Allerdings kann die Inkongruenz als Beweisanzeichen entkräftet sein, falls der Anfechtungsgegner rechtsirrig annahm, die ihm zugestandene Deckung beanspruchen zu dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 18. April 1991 - IX ZR 149/90, ZIP 1991, 807, 808 m.w.N.). Das käme vorliegend in Betracht, wenn die Beklagte der 4. Kreditverordnung der DDR - wenngleich objektiv zu Unrecht - eine Anspruchsgrundlage für ihr Verlangen auf Hypothekenbestellung entnommen hätte.

C. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO).

Die Beklagte bestreitet in rechtserheblicher Weise, daß die GmbH die Zahlungen irgendwann im gesamten hier maßgeblichen Zeitraum eingestellt hat sowie daß sie - die Beklagte - ggf. davon gewußt hat. Ferner bestreitet sie eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Geschäftsführers der GmbH und ggf. ihre - der Beklagten - Kenntnis davon. Da die rechtlichen Voraussetzungen und der maßgebliche Zeitpunkt in den Tatsacheninstanzen bisher nicht im einzelnen erörtert worden sind, hat sich der Tatrichter damit zu befassen.

Bei der somit gebotenen Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993450

KTS 1997, 258

VIZ 1997, 251

WM 1997, 436

ZIP 1997, 423

InVo 1997, 121

MDR 1997, 567

RAnB Nr. 92/97

Rpfleger 1997, 271

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