Entscheidungsstichwort (Thema)
Altkleidersammlungen eines gemeinnützigen Vereins als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb - Abgrenzung gewerbliche Betätigung/Vermögensverwaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Altkleidersammlungen eines gemeinnützigen Vereins, bei denen das Sammelgut zur Mittelbeschaffung weiterveräußert wird, sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§§ 14, 64 AO 1977).
2. Die gesammelten Altkleiderspenden sind wirtschaftliche Vorteile, die durch eine selbständige nachhaltige Tätigkeit i.S. von § 14 AO 1977 erzielt werden.
Orientierungssatz
Der Bereich der Vermögensverwaltung wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von vorhandenem Vermögen i.S. einer Fruchtziehung aus den zu erhaltenden Substanzwerten in den Vordergrund tritt (vgl. BFH-Urteil vom 28.9.1987 VIII R 46/84).
Normenkette
AO 1977 §§ 14, 64; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG § 3 Nr. 6; GewStDV § 1; AO 1977 § 65
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.07.1990; Aktenzeichen 6 K 111/84 K, G) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein anerkannter Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege in der Form des eingetragenen Vereins. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben zählen u.a. die Förderung der Sozialarbeit und wohlfahrtspflegerischer Aktivitäten. Er ist als gemeinnützig anerkannt.
In den Streitjahren (1977 bis 1979) führte der Kläger zur Finanzierung seiner Aufgaben Altkleidersammlungen durch. Die ehrenamtlichen Helfer des Klägers holten nach einer Vorankündigung, die in den Sammlungsbezirken verteilt worden war, zum angekündigten Termin die von den Haushalten bereitgestellten Plastiksäcke mit Altkleidung am Straßenrand ab. Der weitaus größte Teil der gesammelten Altkleider wurde, wie auch aus den Mitteilungen an die Haushalte hervorging, verkauft und der Erlös für die satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke des Klägers verwendet. Soweit daneben zu einem geringen Teil sehr gut erhaltene Kleidung gesammelt wurde, wurde diese ausgesondert und für Bedürftige aufgehoben, wie es der Kläger ebenfalls in seinem Aufruf zur Sammlung angekündigt hatte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Sammlung und Verwertung der Altkleider als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte aufgrund der nach den Angaben des Klägers ermittelten Gewinne Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuermeßbeträge fest.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur Aufhebung der angefochtenen Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidungen. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 150 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 14 AO 1977, des § 5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und des § 3 Nr.6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Unrecht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers in den Streitjahren verneint. Mit der Sammlung und Weiterveräußerung von Altkleidern übte der Kläger eine selbständige nachhaltige Tätigkeit aus, durch die er Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielte und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausging (§ 14 AO 1977).
1. Das in § 14 A0 1977 genannte Merkmal der selbständigen Tätigkeit dient dem Zweck, nichtselbständig ausgeübte Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszuklammern. Als juristische Person konnte der Kläger jedoch nur selbständig tätig werden. Das Sammeln und Veräußern von Altmaterial (Altkleider, Altpapier) war auch insoweit von dem übrigen steuerbegünstigten Wirkungskreis des Klägers abgrenzbar, als die vom Kläger verfolgten gemeinnützigen Zwecke ohne Altmaterialsammlungen hätten verwirklicht werden können. Der besondere Einsatz ehrenamtlicher Helfer und die Bereitstellung von Fahrzeugen und Lagerplätzen vollzog sich in diesem Sinne außerhalb der unmittelbar gemeinnützigen Tätigkeit des Klägers. Dieser verfolgte mit den Altmaterialsammlungen in erster Linie eigenwirtschaftliche Interessen, auch wenn er die Gewinne letztlich wieder für gemeinnützige Zwecke verwenden wollte. Damit überschritt er die Grenze einer im steuerbegünstigten Bereich zulässigen Hilfstätigkeit. Es kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn einzelne Sachspenden ohne einen entsprechenden Aufruf der gemeinnützigen Körperschaft zugewendet und von dieser zur Beschaffung liquider Mittel veräußert werden oder wenn z.B. gelegentlich Altmaterial, welches in der Geschäftsstelle einer solchen Körperschaft anfällt, verkauft wird. Ein solcher Fall ist nicht gegeben, wenn der Kläger in geschäftsmäßiger Form die Sammlungen und die nachfolgende Veräußerung organisiert und durchführt.
Die Sammlung und die Weiterveräußerung der Altkleider bilden auch eine einheitliche selbständige Tätigkeit i.S. des § 14 AO 1977. Beides --Sammlung und Veräußerung-- bedingen einander wirtschaftlich und sind damit untrennbare Bestandteile eines Geschäftsbetriebs i.S. dieser Vorschrift. Erst die Ansammlung größerer Mengen und Einheiten von Altmaterial schafft die Voraussetzung für eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung und ermöglicht eine Weiterveräußerung an entsprechende Großabnehmer.
2. Die Tätigkeit des Klägers war auch nachhaltig. Es war eine Mehrzahl von Tätigkeiten, die von dem Entschluß getragen wurden, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und die auch tatsächlich wiederholt wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 21.August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88, 90, m.w.N.).
3. Durch die Tätigkeit wurden auch Einnahmen und wirtschaftliche Vorteile erzielt. Zum einen wurden die Altkleider gegen Entgelt weiterveräußert. Zum anderen erzielte der Kläger durch seine Sammlungen wirtschaftliche Vorteile in Form der von den Haushalten bereitgestellten Altkleider. Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, daß das Sammelgut zunächst in den gemeinnützigen Bereich gelangt ist. Für die Einnahmeerzielung i.S. des § 14 AO 1977 ist entscheidend, daß die Einnahmen oder wirtschaftlichen Vorteile durch die selbständige nachhaltige Tätigkeit veranlaßt sind. Dabei ist davon auszugehen, daß die Weiterveräußerung und die Sammlung im wirtschaftlichen Sinne eine einheitliche selbständige Tätigkeit bilden. Da die Bereitstellung von Altkleidern seitens der Bevölkerung durch eben diese Tätigkeit ausgelöst wurde, ist der wirtschaftliche Vorteil durch den Geschäftsbetrieb veranlaßt. Der Senat folgt insoweit der Auffassung, derzufolge Altkleiderspenden wirtschaftliche Vorteile sind, die durch eine selbständige nachhaltige Tätigkeit erzielt werden (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 30.Juni 1981 I 174/77 K, EFG 1982, 203; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 14 AO 1977 Rz.7, § 64 AO 1977 Rz.2; Scholtz/Koch, Abgabenordnung, § 64 Rz.4/3; Schleder, Der Betrieb --DB-- 1988, 1132; Märkle, Betriebs-Berater --BB-- 1990, Beilage 2, S.6; a.A. Rader, ABC der Gemeinnützigkeit, 2.Aufl. 1987, S.33). Diese Sichtweise liegt auch dem § 64 Abs.5 AO 1977 n.F. zugrunde, der für die Verwertung von Altmaterial außerhalb einer ständig dafür vorgesehenen Verkaufsstelle eine Gewinnschätzung nach dem branchenüblichen Reingewinn gewerblicher Altmaterialhändler zuläßt.
Entgegen der Ansicht des FG steht der steuerlichen Behandlung der Sammlung und Verwertung von Altmaterial als wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb auch nicht entgegen, daß die Haushalte dem Kläger die Altkleider als sog. Kleiderspenden, d.h. unentgeltlich überließen. Denn auch bei der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften ist jeweils zu prüfen, ob eine unentgeltliche Zuwendung durch die steuerbegünstigte Tätigkeit oder durch den Geschäftsbetrieb veranlaßt ist. Die Unentgeltlichkeit als solche schließt jedenfalls die Veranlassung durch den Geschäftsbetrieb ebensowenig aus wie die Tatsache, daß der zuwendende Haushalt die Finanzkraft der empfangenden Körperschaft stärken will. Der wirtschaftliche Erfolg einer großen Zahl steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe beruht ganz oder überwiegend gerade auf der besonderen Unterstützungsbereitschaft, welche die Bevölkerung diesen Veranstaltungen wegen der geplanten Verwendung des Erlöses für gemeinnützige Zwecke entgegenbringt. Eine solche Mitveranlassung vermag jedoch die betriebliche Veranlassung der Einnahmen aus Vereinsfesten, Basaren etc. nicht auszuschließen, die sich aus der Einordnung dieser Tätigkeiten als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe i.S. von § 14 AO 1977 auf Grund ihrer geschäftsmäßigen Durchführung ergibt. Dieses Ergebnis trägt auch dem Sinn und Zweck der §§ 64 ff. AO 1977, dem Gedanken der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, Rechnung. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Ansicht des FG für den Fall gefolgt werden kann, daß die steuerbegünstigte Körperschaft einen Vermögensgegenstand empfängt, den sie in der Folgezeit in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verwertet, ohne daß die Zuwendung von vornherein für diesen Bereich der Körperschaft bestimmt gewesen ist.
4. Die Tätigkeit des Klägers ging auch über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird der Bereich der Vermögensverwaltung überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von vorhandenem Vermögen i.S. einer Fruchtziehung aus den zu erhaltenden Substanzwerten in den Vordergrund tritt (vgl. BFH-Urteil vom 28.September 1987 VIII R 46/84, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65). Der Kläger nutzte durch die geschäftsmäßige Sammlung und Verwertung von Kleiderspenden kein vorhandenes Vermögen, sondern durch Umschichtung der gesammelten Altkleider substantielle Werte aus und betätigte sich unternehmerisch.
5. Die Sammlung und Veräußerung von Altkleidern kann auch nicht als Zweckbetrieb (§ 65 AO 1977) von der Besteuerung ausgenommen werden.
Der Geschäftsbetrieb diente in seiner Gesamtrichtung nicht der Verwirklichung satzungsmäßiger gemeinnütziger Aufgaben des Klägers, sondern der Beschaffung zusätzlicher Mittel für seine Tätigkeit (§ 65 Nr.1 AO 1977). Außerdem konnten die vom Kläger verfolgten gemeinnützigen Zwecke nicht nur durch Altmaterialsammlungen erreicht werden (§ 65 Nr.2 AO 1977). Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, inwieweit der Kläger zu gewerblichen Altmaterialhändlern in Wettbewerb trat (§ 65 Nr.3 AO 1977). Jedenfalls soll die in § 64 AO 1977 enthaltene Einschränkung der Steuervergünstigung gerade die Fälle treffen, in denen sich steuerbegünstigte Körperschaften Mittel zur Erfüllung ihrer Zwecke durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe beschaffen (vgl. Urteil in BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88). Dabei kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn eine gemeinnützige Körperschaft Altkleider ausschließlich zur Weitergabe an bedürftige Bevölkerungskreise sammelt und lediglich die gleichwohl anfallenden unbrauchbaren Stücke weiterveräußert. Denn bei den Sammlungen des Klägers stand nicht die unentgeltliche Weitergabe, sondern der Weiterverkauf im Vordergrund, wie bereits im Aufruf zur Sammlung deutlich gemacht wurde.
6. Für die Entscheidung des Senats war es ohne Bedeutung, daß der Kläger nach § 2 des Sammlungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen i.d.F. der Bekanntmachung vom 9.Juni 1972 --SG-- (GV NW 1972, 174) für die Altmaterialsammlungen einer Erlaubnis bedurfte und die Erlaubniserteilung davon abhängig war, daß ein bestimmter Teil des Altmaterialverkaufspreises einem gemeinnützigen Zweck zugeführt wird. Das SG kann als Landesgesetz keinen Einfluß auf die Auslegung der §§ 14, 51 ff. AO 1977 haben.
7. Das FA hat die steuerpflichtigen Einkünfte des Klägers auch der Höhe nach zutreffend ermittelt. Da das Sammeln des Altmaterials Teil des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs des Klägers war, kommt die Anwendung der sog. Einlagetheorie (vgl. dazu Märkle, a.a.O.) nicht in Betracht.
Fundstellen
BFH/NV 1992, 41 |
BStBl II 1992, 693 |
BFHE 167, 147 |
BFHE 1992, 147 |
BB 1992, 1702 |
BB 1992, 1702-1704 (LT) |
DB 1992, 2279 (L) |
DStR 1992, 814 (KT) |
HFR 1992, 394 (LT) |
StE 1992, 326 (K) |
WPg 1992, 578 (S) |
StRK, R.10 (LT) |
NJW 1992, 3319 |
NJW 1992, 3319-3320 (LT) |
RsDE 1993, 95 |
RsDE 1993, 95-98 (LT) |