Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

I. Von einem Preßwerk auf Kosten der Besteller hergestellte, nach den Lieferungsbedingungen in das Eigentum des Preßwerks übergehende Formen sind bei der Einheitsbewertung zum Betriebsvermögen des Preßwerks zu rechnen.

II. Für die Bewertung der Formen ist grundsätzlich der Herstellungspreis maßgebend. Soweit am Bewertungsstichtag mit Warenbestellungen hinsichtlich bestimmter Formen nicht gerechnet werden kann, rechtfertigt sich die Bewertung dieser Formen mit 0 bzw. ihrem etwa verbliebenen Schrottwert.

III. Die vom Preßwerk laut Lieferungsbedingungen übernommene Verpflichtung, den Bestellern von Waren die von ihnen getragenen Kosten der Herstellung der Formen durch Gutschrift von 5 v. H. des Warenwerts aus laufenden Rechnungen, höchstens bis zur Amortisation des Gesamtbetrags, zurückzuvergüten, ist bei der Bewertung des Betriebsvermögens des Preßwerks zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BewG §§ 12, 10, 62/1, § 103/1, §§ 66, 109; StAnpG § 11

 

Tatbestand

Es handelt sich um die Fortschreibung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. Januar 1947. Die Sache ist im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang haben die Vorbehörden eine Berichtigungsfeststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) für den 1. Januar 1946 vorgenommen, wobei sie den Wert der Maschinen, Formen und des Inventars im Hinblick auf deren Feuerversicherungswert höher als die Bfin. ansetzten. Der Streit ging um die Frage, ob die in dem Feuerversicherungswert enthaltenen, sogenannten fremden Formen dem Betriebsvermögen der Bfin. zugerechnet werden können. Mit diesen fremden Formen hat es folgende Bewandtnis: Die von einem Preßwerk hergestellten Formen bleiben laut Verkaufs- und Zahlungsbedingungen dessen Eigentum. Der Besteller kann auch in den Fällen, in denen ihm seitens der liefernden Firma Werkzeugkosten in Rechnung gestellt werden, die Herausgabe der Formen nicht beanspruchen. Die liefernde Firma übernimmt gegen Zahlung der Werkzeugkosten nur die Instandhaltung der Formen gegen laufenden Verschleiß und die Verpflichtung, aus den entsprechenden Formen Waren für Dritte ohne Genehmigung des Bestellers nicht herzustellen. Eine Verpflichtung zur Lieferung bei Nachbestellung übernimmt die liefernde Firma nicht. Die vom Besteller aufgewendeten Herstellungskosten für die Formen werden mit 5 v. H. des jeweiligen Warenwertes nachfolgenden Bestellungen bis zur Amortisation zurückvergütet. Das Finanzgericht hatte auf Grund der Lieferbedingungen angenommen, daß das Eigentum an den fremden Formen der Bfin. zustehe. Der Senat hat dies in seinem Urteil III 152/51 vom 24. April 1952 gebilligt. Er hat das Urteil des Finanzgerichts lediglich aus dem Grunde aufgehoben, weil Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berichtigungsfeststellung auf den 1. Januar 1946 bestanden. In der Weisung war ausgeführt, daß, falls die Berichtigungsfeststellung wegen Fehlens neuer Tatsachen oder Beweismittel nicht aufrecht zu erhalten sei, eine Wertfortschreibung zwecks Fehlerberichtigung auf einen späteren Feststellungszeitpunkt in Frage kommen könne. Bei Prüfung der Frage sollten die Ausführungen der Beteiligten in der Rechtsbeschwerde (Rb.) beachtet werden. Das Finanzgericht hat darauf in dem jetzt angefochtenen Urteil die Berichtigungsfeststellung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO auf den 1. Januar 1946 aufgehoben, die Berichtigung des Einheitswerts indessen unter dem Gesichtspunkt der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1947 aufrechterhalten. Es hat daher die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, daß eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1947 erfolge.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die Rb.

Sie muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

Die Rb. vertritt wiederum die Auffassung, daß die Bfin. lediglich Treuhandeigentum an den fremden Formen habe, und daß das wirtschaftliche Eigentum daran den Bestellern zustehe. Die erneuten Ausführungen veranlassen den Senat nicht, von seinem bisherigen Standpunkt abzuweichen. Nach den Verkaufs- und Zahlungsbedingungen bleiben die Preßwerkzeuge (Formen), auch wenn sie dem Besteller in Rechnung gestellt werden, Eigentum der Lieferfirma. Bürgerlich-rechtlich steht hiernach das Eigentum an den Formen der Lieferfirma zu. Darauf deuten übrigens auch die folgenden Ausführungen des Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie in seinem Schreiben vom 14. April 1953 hin: "Ursprünglich hatten die vom Verband empfohlenen Lieferungsbedingungen nur mit einem Besitzrecht gearbeitet. In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg sind aber Fälle vorgekommen, in denen der Kunde den Ausschluß des Herausgabeanspruchs nachträglich bestritt und die Zivilgerichte zu seinen Gunsten entschieden. Aus diesem Grunde haben wir uns gezwungen gesehen, die Lieferungsbedingungen zu ändern und den Begriff des Eigentums einzuführen, das nun einwandfrei Herausgabeansprüche der Besteller ausschließt." Es fragt sich, ob für die steuerliche Betrachtung von der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung abzugehen und ein wirtschaftliches Eigentum der Formenbesteller anzunehmen ist. Dies ist nicht der Fall. Der Umstand, daß das Lieferwerk die vom Besteller bezahlte Form nur mit dessen Einwilligung zu Warenlieferungen an Dritte benutzen darf, rechtfertigt nicht die Annahme wirtschaftlichen Eigentums des Bestellers an den nicht einmal in seinem Besitz befindlichen Formen. Darauf, ob die Formen in der Praxis nicht bei den Lieferwerken, sondern bei den Bestellern aktiviert zu werden pflegen, kommt es für die Entscheidung nicht an. An dem Eigentum der Bfin. an den fremden Formen ist hiernach für die Einheitsbewertung festzuhalten. Dagegen ist die angefochtene Entscheidung insoweit zu beanstanden, als sie die ursprünglich auf den 1. Januar 1946 vorgenommene Berichtigungsfeststellung nunmehr ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1947 aufrechterhalten hat. Gemäß § 22 Abs. 1 Ziff. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) wird der Einheitswert eines gewerblichen Betriebs fortgeschrieben, wenn der Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahrs ergibt, entweder um mehr als 1/5, mindestens aber um 10.000 RM, oder um mehr als 200.000 RM von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts abweicht. Das Finanzgericht hat den Einheitswert, der sich für das Betriebsvermögen auf den 1. Januar 1947 ergibt, nicht besonders ermittelt. Es hat vielmehr, soweit ersichtlich, für die Ermittlung der Wertgrenzen für die Wertfortschreibung lediglich auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem unrichtigen und dem berichtigten Einheitswert 1946 abgestellt und letzteren als fortgeschriebenen Einheitswert für den 1. Januar 1947 angesehen. Das war unzutreffend. Es mußte vielmehr unter Beseitigung des bei der Einheitsbewertung 1946 vorgekommenen Bewertungsfehlers der sich auf den 1. Januar 1947 ergebende Einheitswert des Betriebsvermögens der Bfin. neu ermittelt und alsdann durch Gegenüberstellung des Einheitswerts vom 1. Januar 1946 und des neu ermittelten Einheitswerts auf den 1. Januar 1947 geprüft werden, ob die für eine Wertfortschreibung erforderlichen Wertgrenzen erreicht würden. Außerdem war in dem Urteil des Senats vom 25. April 1952 darauf hingewiesen, daß bei Prüfung der Möglichkeit einer Wertfortschreibung die Ausführungen der Beteiligten in der Rb. zu beachten seien. Das Finanzgericht hat dies übersehen. Die Bfin. hat bereits in ihrer ersten Rb. und erneut im zweiten Rechtsgang geltend gemacht, daß die Zahlung der Rechnungsbeträge für die Formen durch die Besteller als Darlehen an die Lieferfirma anzusehen sei. Es müsse daher, wenn man die fremden Formen als selbständige Wirtschaftsgüter bei der Bfin. ansetzte, auf der Gegenseite ein Schuldabzug zugelassen werden. Auf diese Frage ist das Finanzgericht nicht eingegangen. Das angefochtene Urteil war hiernach aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Die sogenannten fremden Formen sind bei der Bfin. nach dem Teilwert (§§ 12, 66 Abs. 1 BewG), der in der Regel dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis entspricht, zu bewerten. Hinsichtlich der Formen, auf die am Stichtag unzweifelhaft keine Warenbestellungen mehr zu erwarten sind - auch nicht mit Genehmigung der Besteller der Formen von dritter Seite -, ist mit 0 RM bzw. mit ihrem etwa noch vorhandenem Schrottwert vorzunehmen.

Ferner ist zu beachten, daß den noch nicht amortisierten Formkosten Rückvergütungsverpflichtungen der Bfin. gegenüberstehen, die nicht unberücksichtigt bleiben können. Soweit am Stichtag bereits Warenbestellungen bezüglich bestimmter Formen eingegangen sind, liegt eine Verbindlichkeit in Höhe von 5 v. H. des Warenwerts aus laufenden Rechnungen höchstens bis zur Amortisation des Gesamtbetrags der betreffenden Formherstellungskosten vor. Wenn am Stichtag noch keine Warenbestellungen erfolgt sind, mit deren Eingang jedoch in absehbarer Zeit - etwa binnen drei bis sechs Monaten - zu rechnen ist, muß die Rückvergütungslast der Bfin. nach ihrem wahrscheinlichen Wert am Stichtag geschätzt werden, wobei die von der Bfin. in ihrem Geschäftsbetrieb gesammelten Erfahrungen berücksichtigt werden können. Nach diesen Grundsätzen wird der Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1947 zu ermitteln sein, wobei der Wert der sogenannten fremden Formen einzubeziehen, jedoch den Rückvergütungsverbindlichkeiten der Bfin. an diesem Stichtag durch angemessene Schätzung dieser Last Rechnung zu tragen ist. Eine zahlenmäßig genaue Errechnung der Höhe der Last kann nach Lage der Dinge nicht in Betracht kommen. Aus der Gegenüberstellung des sich hiernach für den 1. Januar 1947 ergebenden Einheitswerts des Betriebsvermögens der Bfin. und des auf den 1. Januar 1946 festgestellten Einheitswerts wird sich ergeben, ob die Wertgrenzen für eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1947 erreicht werden. Die Auffassung der Rb., daß eine Wertfortschreibung frühestens auf den Beginn des Jahres erfolgen könne, der der Vornahme der Berichtigungsfestsetzung des Finanzamts folge, ist unzutreffend. Auf das Urteil des Senats III 68/52 vom 16. Mai 1952 (Bundessteuerblatt 1952 III S. 189) wird Bezug genommen. Die Frage, ob auch bei den Bestellerfirmen ein besonderes Wirtschaftsgut (alleinige Ausnutzungsmöglichkeit der Formen) anzusetzen ist, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407727

BStBl III 1953, 264

BFHE 1954, 688

BFHE 57, 688

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge