Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer /Sonstiges/Handelsrecht /Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Gewährt eine Kreditgenossenschaft einer aus einer Einzelfirma hervorgegangenen Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft einen Kredit, ohne daß die Gesellschaft als solche die Mitgliedschaft erworben hat, so muß die Steuervergünstigung des § 34 KStDV 1953 auch dann versagt werden, wenn der frühere Einzelunternehmer und jetzige Gesellschafter Mitglied der Genossenschaft geblieben ist.

 

Normenkette

KStG § 23; KStDV § 34; GenG §§ 66, 76-77, 15

 

Tatbestand

Die Genossenschaftsbank A. eGmbH beantragte für das Jahr 1953 die Steuerermäßigung des § 34 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1953 (Ermäßigung auf 1/3 bei ausschließlicher Kreditgewährung an Mitglieder). Finanzamt und Finanzgericht versagten diese Ermäßigung, weil auch Kredite an Nichtmitglieder gegeben worden seien, nämlich an fünf Personengesellschaften (OHG und KG) und an eine Kapitalgesellschaft (GmbH), an denen zwar Genossenschaftsmitglieder (die früheren Einzelinhaber der Firmen), aber auch deren nicht der Genossenschaft angehörende Familienmitglieder beteiligt waren.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) macht geltend, die früheren Einzelunternehmer, die Genossenschaftsmitglieder gewesen seien, hätten handelsrechtlich trotz der Umwandlung in die Rechtsform einer Gesellschaft die Mitgliedschaft nicht verloren. Träger der genossenschaftlichen Rechte und Pflichten sei die Unternehmung als solche; sie behalte die Mitgliedschaft, auch wenn sie ihre Rechts- oder Organisationsform wechsle. Im übrigen sei der Begriff der Mitgliedschaft im Sinn des § 34 KStDV nicht nach Handelsrecht, sondern nach Steuerrecht auszulegen, das die wirtschaftliche Betrachtungsweise vorschreibe. Bei wirtschaftlicher Betrachtung seien aber die umgewandelten Firmen Genossenschaftsmitglieder, da sie als Einzelfirmen bereits seit Jahrzehnten in der Genossenliste eingetragen seien und sich weder an der Mitgliedsnummer noch an den Mitgliedsrechten und Mitgliedspflichten etwas geändert habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Nach § 34 KStDV 1953, der sich auf die Ermächtigungsvorschrift des § 23 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) gründet, wird die Körperschaftsteuer bei Kreditgenossenschaften auf 1/3 ermäßigt, wenn die Genossenschaft Kredite ausschließlich an ihre Mitglieder gewährt. Die Ausschließlichkeit bedeutet, daß eine Kreditgewährung an auch nur ein Nichtmitglied die Steuervergünstigung ausschließt.

Das Finanzgericht geht zutreffend davon aus, daß der Mitgliedsbegriff aus dem Genossenschaftsrecht zu entnehmen ist. Danach ist die Mitgliedschaft ein persönliches Recht und nicht übertragbar. Sie wird erworben durch Teilnahme an der Gründungsversammlung oder durch Beitritt mittels Beitrittserklärung, Aufnahme und Eintragung in die Genossenliste beim Registergericht. Wie die §§ 66, 76 und 77 in Verbindung mit § 15 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) ergeben, ist jeder abgeleitete Erwerb ausgeschlossen. Zum Wesen der Genossenschaft gehört die persönliche Bindung des Genossen an sie. Damit ist nicht gesagt, daß nicht auch juristische Personen oder Gesellschaften des Handelsrechts Mitglieder werden können. Diese Gesellschaften besitzen dann die Mitgliedschaft als ein von ihren Teilhabern verschiedenes Rechtsgebilde. Bei der Umwandlung einer Einzelfirma in eine Personengesellschaft kann die Gesellschaft das Mitgliedsrecht des früheren Einzelinhabers nicht derivativ erwerben. Es ist nur die übertragung des Geschäftsguthabens nach § 76 GenG möglich. Bei der Umwandlung einer Einzelfirma, deren Inhaber Mitglied der Genossenschaft war, in eine GmbH, OHG oder KG geht die Mitgliedschaft nicht auf die Gesellschaft über. Wenn die neue Gesellschaft nicht durch eigene Beitrittserklärung und Eintragung in die Genossenliste die Mitgliedschaft erwirbt, ist sie kein Mitglied, auch wenn der frühere Einzelinhaber, der jetzt Gesellschafter ist, noch Mitglied der Genossenschaft ist. Kredite an eine solche Gesellschaft sind also Kredite an Nichtmitglieder.

Die Kredite an Nichtmitglieder können auch nach der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht als Kredite an Mitglieder behandelt werden. Wenn eine steuerliche Vorschrift an einen Rechtsbegriff des bürgerlichen Rechts oder des Handelsrechts anknüpft, dann darf, wie der Senat im Urteil I 50/55 U vom 23. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 306, Slg. Bd. 65 S.189) hervorgehoben hat, die wirtschaftliche Betrachtungsweise grundsätzlich nicht dazu führen, den rechtlichen Inhalt solcher Begriffe abweichend vom bürgerlichen Recht oder Handelsrecht zu bestimmen. Die Begriffe Mitglied (Genosse) und Mitgliedschaft sind Rechtsbegriffe, die sich nach dem GenG bestimmen. Die wirtschaftliche Betrachtung kann nicht dazu führen, diesen Rechtsbegriffen für das Gebiet des Steuerrechts einen anderen Inhalt zu geben. Wenn das aus dem Genossenschaftsgedanken erwachsene Verbot der Hingabe von Krediten an Nichtmitglieder dem Gesetzgeber Veranlassung gab, einen Ausgleich durch eine steuerliche Vergünstigung zu schaffen, so können die Voraussetzungen für diese Vergünstigung nur unter Zugrundelegung der Rechtsbegriffe des Genossenschaftsrechts beurteilt werden. § 34 KStDV ist eine Ausnahmevorschrift, die in der Förderung des Genossenschaftsgedankens ihren gesetzgeberischen Grund hat. Eine ausdehnende Auslegung der in dieser Vorschrift verwendeten Rechtsbegriffe würde nicht nur den Genossenschaftsgedanken verwässern und Verwirrung in die rechtlichen Beziehungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern bringen, sondern auch den berechtigten Widerspruch der Kreditinstitute hervorrufen, die keine Steuervergünstigung genießen.

Die vom Finanzgericht festgestellten Kredite an die verschiedenen aus Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Genossenschaft bestehenden Gesellschaften sind daher Kredite an Nichtmitglieder und schließen deshalb die Steuerermäßigung des § 34 KStDV aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409316

BStBl III 1959, 201

BFHE 1959, 529

BFHE 68, 529

BB 1959, 480

DB 1959, 559

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