Leitsatz (amtlich)
Muß sich der im Inland wohnende Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG zum Zwecke der Warenmusterung, des Wareneinkaufs und dergleichen an einzelnen Tagen des Jahres in Italien aufhalten, ist der von ihm bezogene Arbeitslohn von der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen, soweit er zeitanteilig auf die Tätigkeit in Italien entfällt.
Normenkette
DBA ITA Art. 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Prokurist der X-GmbH & Co. KG, die den Schuhhandel betreibt. Er ist einer der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Mit der KG besteht ein Anstellungsverhältnis. Der Kläger war im Jahr 1979 an insgesamt 51 Tagen in Italien zum Zwecke der Warenmusterung, des Einkaufs und der Produktionsüberwachung. In dem für dieses Jahr ergangenen Einkommensteuerbescheid hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den gesamten Arbeitslohn des Klägers der Einkommensteuer unterworfen. Der Kläger machte mit seinem Einspruch geltend, der zeitanteilig auf die Aufenthalte in Italien entfallende Arbeitslohn sei nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 -- DBA-Italien -- (RGBl II, 1146) steuerfrei. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab seiner Klage statt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Geschäftsführer einer GmbH übten auch dann ihre Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft aus, wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland hätten und von dort ihre Weisungen erteilten. Ihre Weisungstätigkeit gegenüber ihren Untergebenen sei erst mit dem Zugang dieser Weisungen beendet. Daran ändere sich nichts, wenn der Geschäftsführer, wie im Streitfall der Kläger, nicht zugleich auch Gesellschafter sei. Als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe der Kläger nach außen und innen die volle Leitungsbefugnis, da die Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen und zur Vertretung nicht berechtigt seien. Der Zweck des Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien, dessen Entstehungsgeschichte und Anwendungspraxis erforderten eine einschränkende Auslegung, wie sie in dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 11. Januar 1982 (BStBl I 1982, 215) zum Ausdruck komme. Es widerspreche nicht dem Normzweck, wenn das auf die Reisetage in Italien entfallende anteilige Arbeitsentgelt von der Freistellung ausgenommen werde, soweit die dabei ausgeübte Tätigkeit ohne belastende Auswirkung auf den italienischen Arbeitsmarkt gewesen sei. Da der gewünschte Erfolg der Reise auch durch Angebote der italienischen Hersteller in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hätte ersetzt werden können, sei der Zweck der Reisen nach Lage der Sache nicht nur in Italien erfüllbar gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Die streitigen, für die Aufenthaltsdauer des Klägers in Italien gezahlten Arbeitslöhne sind von der Besteuerung in der Bundesrepublik ausgenommen.
1. Nach Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 11 Nr. 1 Buchst. d DBA-Italien werden Arbeitseinkünfte der im Privatdienst beschäftigten Arbeitnehmer nur in dem Staat besteuert, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird, aus der die Einkünfte herrühren. Der Ort einer Tätigkeit, durch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt werden, liegt im Regelfall im Gebiet desjenigen Staates, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich ausführt. Nach der zum DBA-Italien ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Mai 1971 I R 27/70 (BFHE 103, 324, BStBl II 1971, 804) übt der in der Bundesrepublik ansässige Arbeitnehmer seine persönliche Tätigkeit in Italien aus, wenn er von seinem ebenfalls in der Bundesrepublik ansässigen Arbeitgeber in das Ausland geschickt wird, um dort Arbeiten auszuführen, die nach Lage der Sache allein an Ort und Stelle ausgeführt werden können.
Das DBA-Italien als eines der ältesten noch in Kraft befindlichen DBA (Wiederanwendung ab 1. Januar 1951, BGBl II 1952, 986, BStBl I 1953, 6) kennt noch nicht die regelmäßig in allen späteren Abkommen enthaltene sog. 183-Tage-Klausel, wonach das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat verbleibt, wenn der Empfänger der Arbeitsvergütungen sich insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres in dem anderen Staat aufhält.
Die Freistellung des Arbeitslohns für die in Italien ausgeübte Tätigkeit gilt auch dann, wenn der Aufenthalt in Italien nur kurzfristig ist. In der Entscheidung in BFHE 103, 324, BStBl II 1971, 804 handelte es sich um Aufenthalte von jeweils etwas mehr als zehn Tagen. Im Anschluß an diese Entscheidung ist in dem Schreiben des BMF vom 11. Januar 1982 eine Freistellung nur dann für angebracht angesehen worden, wenn die einzelne Dienstreise in Italien eine Mindestdauer von zehn Tagen hat. Dieser Auffassung ist der erkennende Senat in der Entscheidung vom 20. Oktober 1982 I R 104/79 (BFHE 137, 29, BStBl II 1983, 402) nicht gefolgt. Danach besteht die Freistellung des anteiligen Arbeitslohnes in der Bundesrepublik auch dann, wenn ein im Privatdienst beschäftigter Arbeitnehmer auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers nur wenige Tage -- nach dem damaligen Sachverhalt jeweils ein bis vier Tage, insgesamt 18 Tage im Jahr -- eine Tätigkeit in Italien ausübt.
2. Der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall steht die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zur Tätigkeit im Ausland wohnender Organe inländischer Kapitalgesellschaften -- Geschäftsführer, Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats -- ergangen ist, nicht entgegen.
Reichsfinanzhof (RFH) und ihm folgend der BFH haben in den Urteilen vom 17. Juni 1931 VI A 868/31 (RStBl 1931, 814), vom 1. Februar 1933 VI A 828/32 (RStBl 1933, 425), vom 25. April 1933 VI A 988/31 und 1252/31 (RStBl 1934, 417), vom 12. Mai 1938 IV A 18/36 (RStBl 1938, 812), vom 12. August 1960 VI 300/58 S (BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441) und in dem Beschluß des Großen Senats vom 15. November 1971 GrS 1/71 (BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68) entschieden, daß insbesondere Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder ihre Tätigkeit grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft ausüben. Das gelte selbst dann, wenn der Geschäftsführer im Ausland wohne und von dort aus das inländische Unternehmen leite. Die Tätigkeit der Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften müsse mit Rücksicht auf die Bedeutung ihres Handelns für das Schicksal der Kapitalgesellschaft und vor allem auch im Hinblick auf die Tatsache, daß die Kapitalgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich durch die Geschäftsführer als ihre Organe gewissermaßen selbst tätig werde, als an dem Ort ausgeübt angesehen werden, an dem sich der Sitz der Gesellschaft befinde. Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung nur zugelassen, wenn die Auslandstätigkeit eines im Ausland wohnenden Geschäftsführers so abgegrenzt ist, daß sie lediglich die im Ausland sich auswirkenden Tätigkeiten umfaßt.
Der Kläger ist einer der Geschäftsführer einer inländischen GmbH, die die Komplementärin und damit die geschäftsführende Gesellschafterin einer inländischen KG ist. Eine GmbH & Co. KG wird organschaftlich durch die Komplementär-GmbH vertreten (§§ 125, 161 Abs. 2, § 170 des Handelsgesetzbuches -- HGB --); für letztere handeln, auch soweit sie als persönlich haftende Gesellschafterin der KG für diese tätig wird, gemäß § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ihre gesetzlichen Vertreter, also die GmbH-Geschäftsführer (Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 25. Aufl., Anhang § 177 a Anm. IV 2). Die Tätigkeit der geschäftsführenden Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG Iokalisiert sich damit grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft, dem Ort, an dem sie ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt hat. Sitz der Gesellschaft und Wohnsitz des Klägers befinden sich aber in ein und demselben Land: in der Bundesrepublik. Damit unterscheidet sich der Streitfall grundlegend von den Sachverhalten, die Gegenstand der aufgezeigten Rechtsprechung des RFH und BFH waren. Dem Unternehmen steht kein Geschäftsführer als Organ vor, der im Ausland wohnt, von dort seine Weisungen gibt und damit das Unternehmen vom Ausland aus leitet. Gerade die Fälle der leitenden und aufsichtführenden Tätigkeit der Organe vom Ausland aus wollte diese Rechtsprechung aus den genannten Gründen dem Sitz der inländischen Kapitalgesellschaft zuordnen. Hier war dem Kläger als dem im Inland wohnenden Geschäftsführer der Komplementärin eines als KG betriebenen inländischen Handelsunternehmens aufgegeben worden oder er war gehalten, betrieblich erforderliche Reisen in das Ausland (Italien) zum Zwecke der Warenmusterung, des Wareneinkaufs und dergleichen zu machen. Diese für die Gesellschaft wichtige Tätigkeit konnte entgegen der Auffassung des FA einigermaßen zufriedenstellend nur im Ausland -- hier in Italien -- erledigt und damit ausgeübt werden, mag der Erfolg der Tätigkeit sich im Inland -- dem Sitz der Gesellschaft -- ausgewirkt haben. Nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 DBA-Italien kommt es aber nicht darauf an, wo der Erfolg der ausländischen Tätigkeit eingetreten ist oder diese Tätigkeit verwertet wird (Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Italien, Art. 7 Anm. 2).
Ist schon nach diesen Grundsätzen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik auf den Teil des Arbeitslohns zu verneinen, der zeitanteilig auf die Tätigkeit des Klägers in Italien fällt, kann es im Streitfall dahinstehen, welche Bedeutung ferner dem Umstand beizumessen ist, daß der Kläger außer seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH noch angestellter Prokurist der KG ist und von dieser seine Bezüge erhält.
Fundstellen
Haufe-Index 74698 |
BStBl II 1983, 625 |
BFHE 1983, 464 |